Vor dem Amtsgericht Freudenstadt muss sich ein Rechtsanwalt verantworten – er ist noch in Quarantäne Foto: Archiv/sb

Prozess gegen Anwalt wegen Veruntreuung geht weiter. Angeklagter bleibt nach Reise in Quarantäne.

Freudenstadt - Der Prozess vor dem Amtsgericht Freudenstadt ist kein gewöhnliches Verfahren. Der Angeklagte ist nicht – wie ansonsten in dieser Instanz häufig üblich – ein kleiner Drogendealer oder Ladendieb, sondern ein Rechtsanwalt, der eine in der Umgebung durchaus bekannte Kanzlei führt. Es kommt selten vor, dass ein Anwalt wegen einer Strafsache vor Gericht steht. Immerhin sind Anwälte sozusagen Leute der Justiz, die sich mit Recht und Gesetz auskennen, die die Paragrafen sprichwörtlich aus dem FF kennen.

 

Die Anklage lautet auf Veruntreuung, der Beschuldigte soll Gelder, die für seine Mandanten bestimmt waren, in die eigene Tasche gesteckt haben. Es soll sich um Beträge in fünfstelliger Höhe handeln. Im Mittelpunkt steht der Verkauf eines Hauses einer betagten Witwe aus Singen, bei dem der Anwalt nicht unbedingt im Sinne der alten Frau tätig geworden sein soll.

Zuvor im Risikogebiet gewesen

Doch der Prozess ist langwierig, zieht sich bereits viele Wochen hin. Es sind Verfahrensfragen, die Kopfschmerzen bereiten. Und es geht um Corona. Eher rhetorisch fragte Amtsgerichtsdirektor Rainer Graf-Frank zum Auftakt des sechsten Verhandlungstags, ob denn der Beschuldigte anwesend ist. "Er darf gar nicht kommen, wegen Quarantäne", meinte darauf der junge Staatsanwalt.

Schließlich habe der Richter den Angeklagten erst vor wenigen Tagen persönlich zur Quarantäne nach Hause geschickt, weil dieser gegen die aktuellen Corona-Regeln verstoßen habe, nämlich nach einem Besuch im Risikogebiet Frankreich keinen Coronatest hat machen lassen. Die Antwort des Richter auf die kleine Lektion des Staatsanwalts fiel beinahe philosophisch aus: "Es gibt viel Unerklärliches auf der Welt", man wolle daher zunächst etwas abwarten, ob der Angeklagte doch noch auftauche. Tat er aber nicht, worauf der Richter den Beschluss verkündete, dass die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten fortgeführt wird.

Bei der Befragung einer Zeugin ging es um den Hausverkauf, der bereits bei vorangegangenen Zeugenbefragungen im Mittelpunkt stand. Die gut erhaltene Immobilie samt großzügigem Gartengrundstück in Singen soll mit Hilfe des Anwalts für einen Spottpreis von lediglich 60 .000 Euro verkauft worden sein – und das obendrein an die Ehefrau des Anwalts selbst.

Die Witwe, die bei dem Gespräch mit der Zeugin bereits über 90 Jahre alt war, aber dennoch geistig mobil und rege gewesen sei, habe den Kaufvertrag "auf ihrem Wohnzimmertisch liegen gehabt", erinnerte sich die Zeugin – und die alte Dame sei empört gewesen über den geringen Kaufpreis. "Der Preis hat ihr sehr missfallen. Sie war schon sehr entrüstet darüber." Auch der Singener Oberbürgermeister Bernd Häusler, der bei dem Gespräch mit der Witwe dabei gewesen sei, habe sich den Angaben der Zeugin zufolge zu Wort gemeldet. Er habe der alten Dame erklärt, dass die Stadt ein Vorkaufsrecht für die Immobilie besitze. Doch die Stadt wolle "einen angemessenen Kaufpreis zahlen, damit die Stadt nicht in Verruf kommt", erinnerte sich die Zeugin an die Worte des Oberbürgermeisters.

Noch mindestens zwei Verhandlungstage

Bereits ein anderer Zeuge hatte erklärt, die Stadt habe den Wert von Haus und Grundstück auf etwa 310.000 Euro geschätzt – das wären fünf Mal so viel wie die 60.000 Euro, die der Anwalt veranschlagt habe.

In dem Prozess sind mindestens zwei weitere Verhandlungstage angesetzt – dann dürfte auch die Quarantäne des Angeklagten vorüber sein.