Die Linsen mit Spätzle und Saiten allein hätten gerechtfertigt, den Mundart-Abend beim Schwäbischen Albverein Laufen-Lautlingen zu besuchen. Die Zugpferde aber hießen Johannes Kretschmann und Hanna Deborah Stauß – welch ein Schmaus!
„Wir Schwaben meinen immer, Hochdeutsch reden zu müssen. Aber wir können’s doch gar nicht!“ Natürlich ist es Selbstironie, mit der Marion Schulz, Vorsitzende des Schwäbischen Albvereins Laufen-Lautlingen, den Mundartabend „Schwäbisch vom Feindschda“ eröffnet. Und der geht mit Selbstironie weiter: Gut bayerisch in Lederhosen, mit Hut und Flügelhorn und weiß-blauem Notenblatt zieht Johannes F. Kretschmann (JFK) ins evangelische Gemeindehaus ein – als wäre er nicht Ur-Schwabe, Laizer und Sohn des Landesvaters. Schwäbischer geht’s doch kaum.
„I muss gau gau, ge Laufa laufa!“
Den Lokalkolorit rettet Hanna Deborah Stauß aus Inneringen, die als Marketenderin äußerlich überregional, vom Zungenschlag her aber zweifelsfrei schwäbisch daherkommt und gleich den Gastgebern ihre Reverenz erweist: „Uff d’r Behne ben e, nach’r Gucka gucka, aber I muss gau gau, ge Laufa laufa!“
Schimpfen kann die Dame übrigens wie ein Marktweib und schleudert JFK die wüstesten Tiernamen an den Kopf: „Du Kreuzbieradackel!“ Kretschmann scheint das gar nicht zu stören – im Gegenteil. Gibt es ihm doch Gelegenheit, die amüsante Definition aus Thaddäus Trolls „Schimpfwörterei“ zu zitieren und Marion Schulz dabei Lügen zu strafen: Er tut es nämlich im vornehmsten Hochdeutsch. Außerdem zahlt er natürlich mit gleicher Münze zurück, nennt Hanna Stauß eine „Daube Mischte“, was eigentlich gar kein Schimpfwort ist, wie Trolls Definition zeigt.
„Schmiergöschle“ sticht „Bloadr“
Gleichwohl: Die schwäbischen Kosenamen, die Zuschauer in der Pause in die Lostrommel werfen dürfen, sind viel netter: „Bloadr“ jetzt nicht gerade, aber „Butterfleckele“ zum Beispiel. Das Rennen freilich macht Uli Feil mit seinem „Schmiergöschle“ und gewinnt eine Flasche „Moscht, brütt, extra-räes, von der Sonne verhöhnt“, einen Semsakrebsler aus JFKs Eigenproduktion.
Aus derselben stammt auch die „Goischterg’schicht“, und schnell wird offenbar, dass der Mann nicht nur Grünen-Politiker, Vorsitzender der Sigmaringer Kreistagsfraktion, Marathonläufer und der aktuelle Schützenkönig in Laiz ist, sondern neben Religionswissenschaft und Rumänistik auch ein Studium der Linguistik abgeschlossen hat. Seit 2020 sitzt er im Beirat des Zentrums für Mundart der Pädagogischen Hochschule Weingarten, und zwar völlig zurecht, so souverän wie er mit dem schwäbischen Dialekt in allen Variationen umgeht.
Mit Spieltrieb beim Sündenfall
In Hanna Stauß, die ebenfalls schwätzt, wie ihr das Göschle g’wachsen ischt, hat JFK eine ebenbürtige Bühnenpartnerin, und die beiden überbieten sich an Spieltrieb, etwa wenn Kretschmann verrät, wie man Saure Kutteln rein pflanzlich, wie in seinem Kochbuch „Neigschmeggd“, zubereitet und Stauß dazu pantomimisch agiert – als Akteurin des Improvisationstheaters „SpielTrieb“ hat sie auch das drauf.
Am Ende zieht wieder ein Bayer aus
Beim Minenspiel der beiden zum „Sündenfall“ aus Hugo Brotzers „Schwäbische Schopfonga“ – der oberschwäbischen Variante von Sebastian Sailers „Schwäbische Schöpfung“ – halten sich die vergnügten Zuschauer die Bäuche vor Lachen. Oder liegt’s doch am „Ranzapfeifa“ nach den leckeren Linsen? Egal – für zwei amüsante Stunden mit einem Schweinsgalopp durch die Perlen der schwäbischen Mundart-Literatur hat sich das Kommen vielfach gelohnt, das bestätigen lachende Gesichter und donnernder Applaus beim Auszug. Auch wenn wieder ein Bayer mit Flügelhorn auszieht.