Im Horber Mordprozess geht es oftmals sehr konfrontativ zu. Doch die Stimmung war zuletzt auch mal "aufgehellt". (Archivfoto) Foto: Lück

Das Rumpeln in der Riecher-Revision hat aufgehört. Trotz harter juristischer Konfrontation zwischen Verteidigung, Staatsanwalt und Nebenklägern hellt sich die Stimmung im Schwurgerichtssaal 201 des Landgerichts Rottweil auf. Der Richter neckt Verteidiger Kristian Frank, Staatsanwalt Krausbeck zitiert sich selbst.

Horb - Es ist Freitag. Iyad B.s Verteidiger Kristian Frank hatte darum gebeten, dass man früher Schluss macht – weil er abends zum Fußballspiel zwischen dem VfB Stuttgart und Borussia Dortmund will. Hat Karten bekommen, der Glückspilz. Im Beweisprogramm um den mutmaßlichen Mord am Nordstetter Immoblienunternehmer Michael Riecher: nichts Überraschendes. Die Ehefrau von Mohammed Omran A. und die geschiedene Ehefrau von Iyad B. . Beide hatten schon in der ersten Verhandlung geschwiegen. Nur die deutsche Ex-Freundin von Omran A. sagt bereitwillig aus. Doch neue Erkenntnisse gegenüber dem ersten Prozess gibt es nicht.

Staatsanwalt Krausbeck zitiert sich selbst

Nebenkläger Knut Rössler wird giftig, als Omran A.s Ehefrau, die muslimisch verheiratet ist und nach deutschem Recht als verlobt gilt, die Aussage verweigert. Der Rechtsanwalt: "Sagen Sie mir, können Sie mir erklären, was eine Verlobung ist?" Der Vorsitzende Richter Thomas Geiger: "Sie weiß es. Wenn sie sagt, dass sie weiß, was eine Verlobung ist, dann reicht das." Rössler fasst nach, denn nur Verlobte dürfen die Aussage verweigern: "Das ist das Versprechen zum Eingang der Ehe." Richter Geiger: "Es gibt auch viele in Deutschland, die das nicht wissen."

Mittagspause. Um 14.09 Uhr geht es weiter. Verteidiger Frank: "Ich möchte einen Antrag stellen." Richter Geiger: "Ich dachte, Sie wollen zum VfB?" Doch Frank hat noch so viel Zeit. Stellt den Antrag, dass die Angaben von Iyads Ex-Frau vor der Ermittlungsrichterin am 5. Dezember nicht verwertet werden dürfen. Weil die beiden Angeklagten damals nicht dabei waren. Frank: "Das verstößt gegen das Konfrontationsrecht der Angeklagten! Und wir Verteidiger konnten auch keine Rücksprache mit unseren Mandanten während der Vernehmung halten!"

Staatsanwalt Matthias Krausbeck: "Nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs ist das legal. Das kann höchstens den Beweiswert der Aussagen verringern. Das können sie nachlesen unter Krausbeck: ›Konfrontative Zeugenbefragung‹." Alle schmunzeln. Der Staatsanwalt zitiert sich selbst.

Entscheidung des BGH sorgt für Diskussion

Verteidiger Frank gibt nicht auf: "Ich weiß nicht, wann der Krausbeck geschrieben wurde. Der BGH hat 2017/18 dazu Stellung genommen. Demnach hat das Recht auf konfrontative Vernehmung Vorrang." Zumindest das Erscheinungsdatum des Buches ist klar recherchierbar: 2010. 359 Seiten, in der Reihe der "Freiburger Rechtswissenschaftliche Abhandlungen 7". Spezialist Krausbeck antwortet: "Sie meinen die Entscheidung des Europäischen Menschengerichtshof. Der BGH macht das nur davon abhängig, ob die Justiz in solchen Fällen korrekt entschieden hat. Für uns ist nur der BGH entscheidend, der das nach wie vor so sieht."Richter Geiger scherzt: "Der Spielbeginn rückt immer weiter nach hinten." Verteidiger Frank geht aber noch mal in die Verlängerung: "Ich meine, dass der BGH das 2015 schon mal angedeutet hat. Ich glaube, wir sind im Bereich, wo sich diese Rechtssprechung ändern wird."

Pause. Um 14.55 Uhr entscheidet der Vorsitzende Richter: "Die Verteidiger haben damals Ablichtungen der Entscheidung des Gerichts erhalten, warum die Angeklagten nicht anwesend waren. Es hätte damals Beschwerde eingelegt werden können. Der Beweiswert wird im Urteil zu berücksichtigen sein."

Fußballspiel bringt Lockerheit in den Saal

Frank macht Notizen. Der Vorsitzende Richter: "Gegen wen spielt der VfB?" Frank: "Gegen Dortmund." Geiger: "Da kann man ja mit Punkten rechnen!" Alle lachen. Geiger fügt schmunzelnd hinzu: "Für eine Mannschaft." Als dann die Ermittlungsrichterin den Saal betritt, zieht Kristian Frank die Robe aus, damit er rechtzeitig ins VfB-Stadion kommt. Die Stuttgarter unterlagen den Dortmundern mit 0:2.