"Stehen Sie nur rum, oder wollen Sie Bürgermeister werden?" frage Hans-Jürgen Grzesch den Kandidaten Erik Wille. Foto: Schwarzwälder-Bote

Die Diskussionen nach der Vorstellung der Kandidaten für die Bürgermeisterwahl schwanken zwischen Wohlwollen und Buh-Rufen

Von Karina Eyrich

Meßstetten. Spannender und interessanter als Kino war der Abend in der Festhalle Meßstetten, wo die Kandidaten zur Bürgermeisterwahl am 27. September sich vorgestellt haben: sympathisch moderiert von einem gelösten, humorvollen Bürgermeister Lothar Mennig.

Die Damen würden sich dann drüben in der Burgschule um die Kandidaten kümmern, scherzte Bürgermeister Lothar Mennig mit Blick auf die Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung, die im Nebengebäude darüber wachten, dass jene Kandidaten, die gerade nicht an der Reihe waren, nicht gegen die Regeln verstoßen. Gut 500 Besucher in der mehr als voll besetzten Festhalle lachen: Ihr Bürgermeister ist gelöst und entspannt – und in gut einer Woche dürfen sie darüber entscheiden, wer ihr nächster wird.

Frank Schroft macht Tempo bei seiner Rede, schöpft die 15 Minuten voll aus – und ist der einzige der vier anwesenden Kandidaten, der anschließend auch die vollen 15 erlaubten Minuten lang befragt wird. Ob er denn den Bürgern etwas von den erwirtschafteten Euros – die Stadt verfügt über rund 20 Millionen an Rücklagen – zurückgeben möchte, will Joachim Link, wissen: eine Frage, die er noch öfter stellen soll an diesem Abend. Antwort Schroft: "Ich will Schultes werden und nicht Bankdirektor." Die Herausforderungen des demografischen Wandels erforderten auch ein paar Investitionen, etwa in Ärztehäuser, Mehrgenerationenhäuser, Sportstätten – "vom Zweierle müssen wir uns vielleicht verabschieden", sagt er mit Blick auf die erste Zahl der Rücklagensumme.

Elke Beuttler will wissen, wie die Bewohner des Gebiets Bueloch besser zu integrieren seien. Hier setzt Schroft, bekennender "Vereinsmeier", auf die Vereine der Stadt: "Mit Begegnungszentren tue ich mir immer ein bisschen schwer, weil sie oft nicht in beiderseitigem Einvernehmen angenommen werden."

Alle Schulstandorte – wieder fragt Link – will Schroft erhalten, solange es aufgrund der Schülerzahlen zu verantworten sei – "das sind ja auch Standortfaktoren".

Ernst Blickle fragt nach Schrofts Haltung in der Krankenhausdiskussion und erfährt: "Natürlich muss sich ein Bürgermeister von Meßstetten für den Standort Albstadt einsetzen." Ehe die Emotionen überhoch schlagen, will er freilich das Ergebnis des Medizinskonzepts abwarten – um auf Basis von Fakten argumentieren zu können.

Thomas Hoffmann stört, dass Schroft sich in seinem Programm nicht zu Natur- und Tierschutz geäußert hat, und bekommt zur Antwort: "Weil es für mich da gar nichts Anderes gibt – das ist Voraussetzung von Anfang an."

Die Landeserstaufnahmestelle (Lea) ist erst in der Fragerunde mit Harald Reinhard Thema, der "ein großes Fragezeichen" hinter die geplante Schließung 2016 setzt und betont: "Es muss erlaubt sein, zu fragen, ob ein Verhältnis von 3270 Flüchtlingen zu 5500 Einwohnern in der Kernstadt noch gesund ist. Der Bürgermeister muss vermitteln, wann die Schmerzgrenze erreicht ist.

Auf Monika Bodmers Frage, wie der 49-Jährige dreifache Vater junge Familien ansiedeln will, weist Reinhard auf die Anziehungskraft von Arbeitsplätzen hin – und deren Zahl sei "ausbaufähig". Viele Elemente seien nötig – Infrastruktur stärken, Schulangebot erhalten und jungen Menschen Perspektiven geben, "gerne hier leben zu wollen". Damit beantwortet er schon die Frage eines jungen, wissbegierigen Zuhörers, der sich – wie Link – an alle Kandidaten wendet, und fügt hinzu: "In Meßstetten soll die Lösung in Sachen Jugendraum nicht ganz zufriedenstellend sein." Hier gelte es, gemeinsam mit den Stadträten etwas zu tun.

Woher das Geld für die vielen Projekte kommen soll, die Reinhard genannt hat, will Link wissen. Der Buchenbacher will "nicht den Eindruck erwecken, dass Ihnen das Geld ausgehen wird. Der Bürgermeister hat nur eingeschränkten Handlungsspielraum".

Aufmunternden, kräftigen Applaus in seiner Wahlheimat erntet der Tieringer Kandidat Daniel Stähr nach seiner Rede, während der zuweilen deutlich wird: Er ist ein bisschen aufgeregt. Links Frage nach dem Geld kommt erneut: Stähr will es dort einsetzen, wo Rücklauf zu erwarten ist – inklusive Fördermitteln. Ein Mehrgenerationenspielplatz mit Eiscafé wie in Stetten a. k. M. schwebt ihm für die Jugend vor, und auf eine Frage nach Sportstätten antwortet der Handballer ausführlich: Jene in der Lea seien abrissreif – Stähr will sie näher zur Schule bringen und diesbezüglich mit den Anwohnern reden, die das nicht so gerne wollten.

Heftig wird die Diskussion schon während der Rede Erik Willes, der – wenn auch in sanfter Lautstärke – kräftig gegen die Asylpolitik austeilt. Einen Zuruf – "Lauter!" – kommentiert eine andere Zuhörerin mit "Besser nicht!". Willes Bemerkung über das "Willkommensgesäusel" gegenüber Flüchtlingen, "das sich bei meinen Mitbewerbern auch schon angekündigt hat", erntet Buh-Rufe. Ein Bürger beschwert sich, die Ausführungen des Leidringers zur Lea seinen "ein Affront gegen die Ehrenamtlichen", die dort helfen. Wille kontert, die Menschen dort seien "keine Flüchtlinge" – Flüchtlinge seien Schutzsuchende. Doch wer aus Griechenland komme, müsse nicht mehr flüchten, sagt er mit Blick auf die Zwischenstation vieler nach ihrer Flucht übers Mittelmeer.

Die AfD-Position zu diesem Thema darzulegen, bietet der Kandidat an – und erntet eine Abfuhr des Publikums, das durch Zurufe deutlich macht, wie die Meßstetter zu der rechtskonservativen Partei stehen. "Sind Sie nur hergekommen, um rumzustehen, oder wollen Sie in Meßstetten Bürgermeister werden?", fragt Hans-Jürgen Grzesch. "Ja", entgegnet Wille. "Damit Sie die Möglichkeit haben, die Lea gut zu heißen oder eben nicht."

Oswin Angsts rhetorische Aufforderung, seine Bewerbung zurückzuziehen, will Wille nicht nachkommen, stellt er klar. Und was will der Kandidat in punkto Jugendarbeit anbieten? Die sei Sache der Vereine und kirchlichen Gruppen, erfährt Fragesteller Matthias Hausding.

Nicht erschienen zur Vorstellung ist übrigens Roland Federolf, der 63-jährige Diplom-Verwaltungswirt aus Gäufelden – und auch seit Tagen nicht telefonisch erreichbar. Die Meßstetter und Bürgermeister Lothar Mennig nehmen’s gelassen. Das Angebot ist schließlich auch ohne ihn groß.

Zur Veranstaltung gekommen sind hingegen die Polizei – Grund war der Auftritt des AfD-Kandidaten und zu erwartende Demonstrationen – sowie der einstige Lehrmeister von Kandidat Frank Schroft an der Hochschule für Verwaltung in Ludwigsburg: Er hat seinen ganzen Kurs mitgebracht, und die Studenten schreiben eifrig mit. Die Bildungseinrichtung gilt schließlich als eine von mehreren Kaderschmieden für künftige Bürgermeister.

Von Karina Eyrich

Es gibt Momente im Leben, da bleibt einem die Spucke weg. Das erste Mal während der Kandidatenvorstellung ist es offenbar vielen so gegangen, als AfD-Bewerber Erik Wille die Asylpolitik im Allgemeinen und das "Willkommensgesäusel" in Richtung Landeserstaufnahmestelle im Besonderen kritisiert hat. Wie die Meßstetter darauf regiert haben, vermochte – in dieser Heftigkeit zumindest – allerdings ebenfalls zu überraschen. Diesen "Affront" gegen die ehrenamtlichen Helfer in der Lea, wie ein Zuhörer es nannte, wollten sie sich nicht bieten lassen, haben mit konstruktiver Lautstärke verhindert, dass das AfD-Programm im Hinblick auf Flüchtlingspolitik kundgetan wird und haben Erik Wille unmissverständlich klar gemacht, was sie – um ein Zitat aus seiner Rede in umgekehrte Vorzeichen zu setzen – von dieser Art von Asylpolitik halten: "Nämlich gar nichts."