Bei Markus Lanz ging es am Dienstagabend wieder hoch her. (Archivbild) Foto: dpa/Markus Hertrich

Thüringens CDU-Landeschef Mario Voigt wird den AfD-Politiker Björn Höcke bald zum TV-Duell treffen. Bei Markus Lanz aber zeigt Voigt Schwächen, changiert zwischen Sprachlosigkeit und Zaudern – oder sollte es Gelassenheit sein?

Nach der Talkrunde ist vor der Talkrunde, und bei Markus Lanz am Dienstagabend warf das von „Welt-TV“ für den 11. April geplante Fernseh-Duell zwischen dem Thüringer CDU-Landeschef Mario Voigt und dem Thüringer AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke schon mal seine Schatten voraus. Wird der CDU-Mann mit dem Rechtsaußen der AfD im Dialog „fertig“ werden, ihn zur Rede stellen oder dem Rechtsextremen nur – wie auch einige in der CDU befürchten – eine Plattform zur Selbstdarstellung bieten? Diese Fragen standen im Raum, als Voigt bei Lanz der Hauptgast war.

Um es gleich vorweg zu sagen: Mario Voigt, 47 Jahre alt, von Beruf Politikwissenschaftler, ist nicht der Typ des angriffslustigen Politikers, der dem Moderator in Talkrunden die Antwort schon serviert, bevor der seine Frage beendet hat. Bedächtig, ruhig, man könnte auch zögerlich sagen, fallen seine Repliken aus. Und wenn er einmal zu aggressiv gewesen sein sollte, so bereut er das rasch wieder und nimmt es zurück, wie seine Wortschöpfung „Heizungs-Stasi“, die der Robert Habeck in die Wohnungen schicken wolle. Auf eine Frage von Lanz dazu entgegnete Voigt, das sei „nicht einer meiner klügsten Momente gewesen“, und die Worte würde er heute nicht mehr so wählen.

Nicht recht vernehmbar fiel schon Voigts Antwort auf die Eingangsfrage von Lanz aus, ob er sich nun Joe Biden (Demokrat) oder Donald Trump (Republikaner) als Wahlsieger in den USA wünsche. Er würde eigentlich keinen wählen wollen, das sei ein „deprimierender Zustand“, so Voigt, und bei Biden frage er sich, ob er in vier Jahren noch die Kraft habe, das Amt auszuführen; er wäre für Nikki Haley gewesen.


CDU-Mann im „Team Mützenich“?

Von Lanz und zwei Journalisten im Studio wurde Voigt dann zu einer Umfrage in Ostdeutschland gezwiebelt, wonach eine Mehrheit der Meinung ist, Deutschland solle „nicht mehr der verlängerte Arm der Amerikaner sein.“ Natürlich müsse es jetzt darum gehen – gerade angesichts der Angriffe der Russen auf zivile Ziele in der Ukraine – die Unterstützung von Kiew fortzuführen, etwa mit einer Stärkung der Luftabwehr. Aber es müssten jetzt auch diplomatische Initiativen diskutiert werden, etwa gemeinsam mit den Türken, Indern oder Chinesen. „Ich bin Transatlantiker. Aber wir müssen eigenständige europäische Interessen und eine deutsche Haltung definieren.“ Wenn ein hoher Prozentsatz in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt der Meinung sei, man sei Spielball amerikanischer Interessen, müsse man diese Stimmungslage auch respektieren.

Da regte sich Widerspruch im Studio. „Wo soll diese Absetzbewegung eigentlich begründet sein? Wo sehen Sie denn Unterschiede zu den Amerikanern? Wo setzen die etwas gegen Ihren Willen durch?“, fragte daraufhin an Voigt gerichtet die Deutschlandfunk-Journalistin Sabine Adler. „Wir müssen eine eigenständige Position entwickeln, die haben wir nicht“, antwortete Voigt dermaßen vage, dass Markus Lanz kurz darauf in die Runde fragte: „Haben Sie verstanden, was Voigt will?“ Zumindest mit dem Plädoyer für eine diplomatische Initiative setzte sich der Thüringer CDU-Chef klar von seinem Parteivorsitzenden Friedrich Merz ab und musste sich in der Studiorunde vorwerfen lassen, er sei jetzt wohl im „Team Mützenich“. Immerhin zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine – abgelehnt von der Ampel-Regierung, gewünscht von der Union - bekannte sich Voigt, nachdem Markus Lanz beklagte, er habe jetzt viermal keine Antwort erhalten: Ja, der Taurus sei eine „legitime Option“.

AfD führt in Umfragen

Auf die russlandspezifischen Befindlichkeiten der ostdeutschen Wähler wird Voigt Rücksicht nehmen müssen, das war durchaus Konsens in der Runde. Aber wie es denn nach dem Wahltag am 1. September in Erfurt weiter gehen solle, mit wem er, Mario Voigt, als möglicher Ministerpräsident, regieren wolle, das blieb völlig unklar. Laut der jüngsten Umfrage liegt die AfD bei 29 Prozent, die CDU bei 20 Prozent, die Linkspartei bei 16 Prozent, das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bei 15 Prozent und die Grünen bei fünf Prozent, während die FDP die Fünf-Prozent-Marke deutlich unterschreitet. Dass sich Mario Voigt trotzdem für eine Deutschlandkoalition (CDU, SPD, FDP) aussprach, grenzt in den Augen des „Zeit“-Vize-Chefredakteurs Martin Machowecz an „Realitätsverweigerung“. Dass Voigt ein Bündnis mit der Wagenknecht-Partei und den Grünen für möglich befand, eins mit der Linkspartei aber ausschloss (mit der AfD sowieso), konnte Machoewcz auch nicht ganz nachvollziehen.

Die Thüringen-CDU müsse sich öffnen für die Linken, mit dem noch amtierenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow „ins Benehmen“ setzten, so der Journalist, man müsse für den „Worst Case“, einen Durchmarsch der AfD, gewappnet sein. Voigt aber setzt auf einen Endspurt im Wahlkampf. Die Aufholjagd des CDU-Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reiner Haselhoff, der in den letzten Tagen vor der Landtagswahl 2021 mit der CDU nochmals zehn Prozent zulegte im Vergleich zu den Umfragen, macht ihm Mut. Es gebe jetzt eine „Zuspitzung“ in Thüringen zwischen der CDU und der AfD, da will Voigt inhaltlich punkten, den Niedergang der Wirtschaft seit neun Jahren und den Ausfall jeder zehnten Unterrichtsstunde wegen Lehrermangels thematisieren. Oder den krassen demografischen Wandel, ein Drittel der Thüringer wird bald im Rentenalter sein, das Land hat 20 Prozent seiner Bevölkerung seit der Wende verloren.

Zweikampf ohne Ministerpräsidenten

„Wir sind weltoffen und wir brauchen eine qualifizierte Zuwanderung, aber wir entscheiden selbst, wer kommt“, sagt Mario Voigt. Solche Dinge will er im Gespräch mit Höcke ansprechen. Es sei falsch, über Leute nur zu reden, man müsse sie auch „konfrontieren“, sagte er. In der Talkrunde von Lanz herrschte da Skepsis, ob das mit Höcke gelingen könne. Ob er denn gewappnet sei, wenn Höcke Kreide gefressen habe und sich sanftmütig gebe, fragte Sabine Adler: „Dann kriegen Sie den nicht zu fassen.“ Der Schuss könne nach hinten los gehen.

Der „Zeit“-Journalist Machowecz sagte, er wisse nicht, ob er jetzt Mitleid mit Voigt haben oder seinen Mut bewundern solle. Er selbst würde die Sendung nicht moderieren wollen, das sei ja ein Zweikampf, und es sei demokratietheoretisch merkwürdig, dass Ministerpräsident Ramelow nicht dabei sei. Das lege den Verdacht nahe, Voigt wolle nur seinen Bekanntheitsgrad steigern: „Wenn Sie den Höcke in der Debatte stellen – okay. Aber wenn Sie es nicht schaffen, dann möchte ich nicht in Ihrer Haut stecken.“

Keine Angst vor niemandem

Vielleicht aber ist der zaudernde Voigt auch nur ein Vertreter einer wohltuenden, nachdenklichen Gelassenheit – und deshalb auf der Siegerstraße. Mehr Gelassenheit – so Sabine Lang – würde der Diskussion mit der AfD jedenfalls gut tun. Die müsse doch möglich sein, „ohne uns zu verkloppen“. Und Lanz schloss mit den Worten, ein thüringischer Ministerpräsident werde vor „niemandem Angst“ haben, auch nicht vor einem Höcke. Das sah Voigt genauso.