Szene aus dem Theaterspaziergang "Habibi ... oder was?". Foto: Günther

Migranten verarbeiten eigene Erfahrungen im Theaterstück "Habibi ... oder was?". Dreimal ausverkauft.

Loßburg - Dreimal wurde das integrative Theaterprojekt "Habibi … oder was?" der Bruderhaus-Diakonie in Loßburg aufgeführt, alle Vorstellungen waren ausverkauft, und das Publikum war höchst beeindruckt.

Die Zuschauer waren bei dem Theaterspaziergang sowohl von der großartigen künstlerischen Leistung der Schauspieler und Musiker als auch von der Aktualität und Dramatik der ergreifend dargestellten Szenen beeindruckt. An 13 Stationen setzten sich die Darsteller mit Themen rund um Flucht und Vertreibung, um Heimat und Entwurzelung, um Flucht aus der alten Heimat und Ankommen in der Fremde auseinander.

Die Theatertruppe bestand aus jungen Männern aus Syrien, Eritrea, Afghanistan, Albanien und Gambia, ergänzt durch – wie Regisseur Paul Siemt beschrieb – "Jugendliche, Frauen und Männer aus dem mir vertrauten Schwarzwald". Alle gemeinsam waren zugleich die Autoren des Stücks, die die Handlung nach und nach entwickelten, indem sie ihre eigenen Erfahrungen von der Flucht bis zum Ankommen reflektierten, preisgaben und zu dichten und aussagekräftigen Szenen verwoben.

Ausgehend vom klanglichen Intro am Haupteingang der Bruderhaus-Diakonie, bei dem Musiker mit Trommeln und Djemben sowie eine virtuose Geigenspielerin das Thema "Es muss einmal ernst werden" interpretierten, begann das eigentliche Stück mit einer Bootsszene mit dem Titel "Am Anfang ist alles dunkel". In dieser Szene erreichten verzweifelte Flüchtlinge ein viel zu kleines Schlauchboot, wurden mit Knüppeln niedergeschlagen und ihrer letzten Habseligkeiten beraubt. Auf dem Weg zum Haupt-Spielplatz der Handlungen in der Turnhalle durchlebte das Publikum einen eindrucksvollen Rollenwechsel: Wurden doch die Theaterspaziergänger zum Flüchtlingsstrom, der sich manche Schmähungen anhören und sich an alltäglichen Horrorszenen vorbei schlängeln muss.

Es waren eindrücklich interpretierte Szenen aus dem Alltag eines Flüchtlings, die das Publikum erlebte. Da war ein typisch deutsches Wohnzimmer mit Plüschsofa, Stehlampe und Hirschgeweih an der Wand aufgebaut, der Bild-Zeitung lesende Ehemann rief angesichts des vorbeiziehenden Flüchtlingsstroms entsetzt "Wer soll das bezahlen?" und beklagte, dass er bei diesem Lärm draußen seinen Musikantenstadel nicht hören könne. Im Badezimmer debattierte ein Paar über Strategien des Ausländeramts, während sich an der nächsten Hausecke ein Schauspieler lautstark über die vorbeiziehenden Publikumsschlange aufregte: "So geht das doch nicht mehr weiter, es muss ein Ankerzentrum her, überall nur Ausländer."

Eindringliche Musik

Vorbei ging es auch am zum Flüchtlingsheim umfunktionierten Schulgebäude, in dem die Flüchtlinge gelangweilt und verzweifelt auf den Fensterbrettern hockten und versuchten, sich mit Klappern, Klangstäben oder Rasseln die Zeit zu vertreiben. In der zum Flüchtlingslager umfunktionierten Turnhalle versuchten einige Gestrandete verzweifelt, auf ihren Feldbetten zu schlafen. Eine der beeindruckendsten Szenen war das Spiel "Der Fremde". Da sollte Saity Auskunft geben über seinen Namen, seine Familie, seine Herkunft und seinen nicht vorhandenen Pass. Die Fragen der ihn Umringenden wurden immer lauter, die Musik immer eindringlicher, Saity wirbelte zu Trommelklängen immer verzweifelter herum und brach schließlich in der Mitte des Kreises ohnmächtig zusammen.

Auch die Musik wurde großartig eingesetzt. Inszeniert von Bernhard Rißmann und meisterhaft ausgeübt von allen Mitspielern, entstanden mit Gongs, Kniehölzern, Harfen, Rasseln, Trommeln, Djemben, Akkordeon, Violine und Cello eindringliche und eindrückliche Klangbilder, die das Gesehene ohne Worte vertieften. Bei allen drei Aufführungen gab es anhaltenden Beifall. Landrat Klaus Michael Rückert lud die ganze Schauspielergruppe gar spontan zu einem Grillfest ein.

Der Theaterspaziergang ließ die Zuschauer nicht beruhigt nach Hause gehen, sondern aufgewühlt und voller Fragen. Alle Szenen luden geradezu dazu ein, sich selbst zu hinterfragen. Lange diskutiert wurde über die Frage: "Was ist Heimat?" Die Antworten reichten von "Heimat ist in mir selbst" über "Heimat ist da, wo man sich geborgen fühlt" bis zu "Heimat ist da, wo mein Herz aufgeht und ich mich wohlfühle". Milad, einer der Akteure, meinte nach der Vorstellung: "Ich vermisse meine Familie schrecklich. Aber jetzt bin ich hier angekommen, und es gibt nette Leute hier. Deshalb bin ich gerne hier."

Zur Intention des Theaterprojekts meinte Produktionsleiterin Erika Sauter-Bartholomä: "Wir wollten Flüchtlingen eine Stimme geben, Ausdrucksmöglichkeiten, um sich mit ihrer Situation auseinanderzusetzen. Und wir wollten Aktivitäten mit deutschen Jugendlichen und die Integration fördern." Edwin Benner, Fachbereichsleiter Jugendhilfe der Bruderhaus-Diakonie, sagte abschließend: "Ich verneige mich vor eurem Engagement, eurer Kreativität und eurem Feuer der Begeisterung, das ihr entfacht habt.".