Die Schauspielerin Franziska Walser bei der Lesung in Schömberg Foto: Christiane Frey

Die Schauspielerin Franziska Walser las in der Schutzhütte Oberer Wald in Schömberg aus dem Buch „Rabenkrächzen“ der Schriftstellerin Maria Beig vor. Walser tat es mit sparsamen Gesten, einfühlsam und nachdrücklich.

Ortsvorsteher Karl Pfau freute sich, dass die zweite Veranstaltung der Literaturtage Nordschwarzwald, die Lesung mit Franziska Walser aus dem Werk der Autorin Maria Beig, rund 70 Gäste in die gute Stube der Schömberger gelockt hatte.

In das literarische Werk von Maria Beig führte der Horber Walle Sayer ein, eine feste Größe in der deutschen Lyrikszene. Beig begann erst im Alter von knapp 60 Jahren mit dem Schreiben, kurz nach ihrer Pensionierung. Entdeckt und gefördert wurde sie von Martin Walser, dem „Patron der oberschwäbischen Literaturszene“.

„Walser bezeichnete Beig als ein episches Naturtalent“, berichtete Sayer und zitierte Martin Walsers Nachwort zum Roman „Rabenkrächzen“: „Literarisch kommt mir, was Maria Beig geschrieben hat, vor, wie etwas, was auf der Wiese gewachsen ist, während wir anderen Schreibenden alle im Garten wachsen müssen. Der Unterschied ist der zwischen Gartensalbei und Wiesensalbei, der zwischen Gartenakelei und Wiesenakelei.“

Gut besucht war die zweite Lesung im Rahmen der neunten Literaturtage Nordschwarzwald. Foto: Christiane Frey

Franziska Walser, die Tochter von Martin Walser, ist Schauspielerin, gibt aber auch Lesungen. „Sie wird uns heute Maria Beig nahebringen in ihrem unverwechselbaren Erzählton“, sagte Sayer.

Sieben Raben, verwunschen und verstoßen

Franziska Walser begann mit dem Kapitel „Die sieben Raben“. Darin berichtet Beig von der Beerdigung eines uralten Mannes. Sie zählt die Trauergemeinde auf, darunter der Neffe des Verstorbenen und seine vielen Schwestern, die sich der Größe nach aufgereiht hatten. „Oberflächlich sahen sie alle gleich aus, sie hatten alle die gleichen runden Gesichter, aber sonst unterschieden sie sich. Sie waren groß und klein, blond und schwarzhaarig, eine war besonders elegant, eine andere ganz bescheiden, eine war Nonne.“

Während die Trauergesellschaft ins Wirtshaus weiterzog, waren die Schwestern unsicher, ob sie folgen sollten. Daher gingen sie zunächst zum Grab der Eltern. Auf dem Grabstein standen auch die Namen der gefallenen Brüder. Vom Wirtshaus aus beobachtete ein Stammtischkollege des Verstorbenen die Schwestern, die im Schneegestöber in ihren schwarzen Mänteln in Krähenart über den Friedhof schritten. Nachher im Wirtshaus sagte eine von ihnen: „Es kommt mir vor, als wären wir die sieben Raben, verwunschen und verstoßen.“ Eine andere entgegnete: „Dein Vergleich war schlecht, wir mit unseren Mopsgesichtern sind nicht mit Raben zu vergleichen.“

Einsatz an der Front

Bereits im ersten Kapitel wird der Ton in den Werken von Beig deutlich. Martin Walser schrieb dazu: „Dieses Buch besteht nur aus Namen und Mitteilungen. Eine Tat nach der anderen, nur ein Sagen. Nichts auf der Welt scheint zwei Sätze wert zu sein. Aber einen Satz ist alles wert.“

Dies wird auch im zweiten Kapitel deutlich, den „Verstorbenen“. Beig berichtet darin über das Schicksal der Söhne der Familie. Während die Mutter an die „gute Sache glaubte“ – und die Familie daher als „hitlerisch“ galt –, waren die Brüder sich in der Einschätzung des Zeitgeschehens nicht einig. Josef, der Liebling der Mutter, war zunächst in seiner Schreibstube unabkömmlich, während einige seiner Brüder an der Front im Einsatz waren. Später meldete auch er sich, nachdem sein Bruder ihn einen Feigling genannt hatte. Josef wurde zur Waffen-SS eingezogen und starb bei der ersten Feindberührung. Nach seiner Beerdigung brach die Mutter mit dem „Dritten Reich“.

Im nüchternen Chronistenton

Auch diese Schicksalsschläge erzählt Beig gleichmütig im nüchternen Chronistenton. Das ganze Grauen dieser Zeit beschreibt sie ohne Anklage. 2009, da war Beig schon 89 Jahre alt, erschien ihre Autobiografie „Ein Lebensweg“. Im Alter von fast 100 Jahren starb die Autorin 2018.