Der Häftling wollte nicht vorzeitig entlassen werden – unter anderem, weil zu den Auflagen eine elektronische Fußfessel gehörte. Foto: Gambarini

Überraschung im Sicherungsverwahrungs-Prozess: Der Mötzinger Künstler Stefan E. sollte nach Zweidrittel seiner 13-jährigen Haftstrafe schon im Sommer 2015 aus der Strafhaft entlassen werden. Doch Stefan E. hatte offensichtlich die angebotene vorzeitige Haftentlassung unter Auflagen abgelehnt.

Mötzingen/Stuttgart - Weil er keine Fußfessel wollte, blieb der Mötzinger Künstler weiter in Haft. Dies stellte jetzt die Schwurgerichtskammer des Stuttgarter Landgerichts fest, nachdem die Richter seit nunmehr über drei Monaten über eine nachträgliche Sicherungsverwahrung gegen den 54-jährigen Mötzinger Künstler verhandeln.

Es klingt kurios. Ein Häftling weigert sich, die ihm angebotene vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft zu gewähren. Stefan E., der vor 13 Jahren in seinem Mötzinger Elternhaus seine eigene Mutter mit einem Künstler-Hammer tötete, und dafür zu 13 Jahren Haft verurteilt wurde, hatte nach Verbüßung der Zweidrittel-Strafe die Entlassungsbedingungen der Stuttgarter Vollstreckungskammer nicht akzeptiert. So steht es in einem mehrseitigen Beschluss, der jetzt im Verfahren gegen E. zur nachträglichen Sicherungsverwahrung öffentlich verlesen wurde.

Unbequemer Gefangener

Obwohl der Häftling E. in seiner Strafhaft zunächst im Gefängnis Heimsheim bereits in den ersten Vollzugsjahren ein Verhalten an den Tag legte, das ihn zum "unbequemsten Gefangenen", wie es Vollzugsbeamte formulierten, werden ließ, sollte er den Genuss der sogenannten "Zweidrittel-Regelung" erhalten. Das heißt, jeder Strafhäftling hat die Möglichkeit, nach Verbüßung von Zweidrittel seiner Strafe nach guter Führung wieder in Freiheit zu kommen – auf Bewährung und gegen Auflagen. Dieses Angebot hatte die Stuttgarter Strafvollstreckungskammer bei der Staatsanwaltschaft im Juli 2015 auch dem Häftling Stefan E. unterbreitet.

Dabei sollte er aufgrund seiner psychischen Auffälligkeiten, die ihm schon in seinem Verfahren von einem Gutachter bescheinigt wurden, gewisse Entlassungs-Auflagen erfüllen. Unter anderem eine Führungsaufsicht akzeptieren, eine fortdauernde forensische psychiatrische Ambulanz über sich ergehen lassen und dies auch jeweils nachweisen, sowie sich um eine Wohnung und Arbeitsstelle bemühen – und das Tragen einer Fußfessel. Des Weiteren dürfe er sich seinen Geschwistern nicht mehr als 100 Meter nähern und keinerlei Kontakte zu ihnen herstellen.

Gestörte Persönlichkeit

Die Bewährungszeit sollte nach dem Beschluss der Vollstreckungskammer fünf Jahre dauern, in der sich der heute 54-Jährige wegen seines in der Haft auffälligen psychischen Verhaltens behandeln lassen muss.

Sachverständige hatten nämlich in früheren Gutachten festgestellt, dass der Mötzinger Künstler an einer schweren kombinierten Persönlichkeitsstörung leidet und im Grunde unfähig ist, soziale Bindungen einzugehen, und dass er in diesem Zustand eine mögliche Gefahr vor allem gegen seine Geschwister sein könnte. Durch die Ambulanz-Behandlung sollte ihm hier eine Brücke in die endgültige Freiheit gebaut werden.

Stefan E. hatte jedoch alle diese angebotenen Bewährungs-Auflagen, insbesondere die Fußfessel, strikt abgelehnt, weshalb es schließlich gar nicht zu der Zweidrittel-Entlassung kam. Stattdessen blieb der Strafhäftling weiter im Vollzug. Bis jetzt hat er nicht nur die 13 Jahre, sondern 15 Jahre und einen Monat verbüßt.

Staatsanwaltschaft erkennt Gefahr

Der Staatsanwalt beantragt die "nachträgliche Sicherungsverwahrung", die er damit begründet, dass der Gefangene eine Gefahr für die Allgemeinheit und vor allem gegen seine Familie bilde, falls er in Freiheit kommt. Im Vollzug habe er zahlreiche gefährliche Verhaltensweisen an den Tag gelegt, die in dem Verfahren zum großen Teil bereits auf über 200 Seiten verlesen wurden.

Der Prozess geht nunmehr in die Endrunde. Laut Terminplan sollte bereits am 10. Januar eine endgültige Entscheidung verkündet werden. Doch die beiden vom Gericht beauftragten psychiatrischen Sachverständigen sind noch nicht gehört worden. Das soll jetzt am 28. Januar geschehen. Sollten sie die Gefährlichkeit weiterhin bejahen, käme E. wohl nicht frei.