Dampfender Gruß an der B 14. Foto: 7aktuell.de/Andreas Werner

Eine vierstellige Zahl an Traktoren rollt am Donnerstag über Bundesstraßen, Autobahnen und durch die Innenstadt. Zahlreiche Bauern fürchten nach Sparbeschlüssen der Bundesregierung um ihre Zukunft.

Gäste und Mitarbeiter des Hotels Le Méridien dürften sich am Donnerstag ziemlich gewundert haben über die dampfenden Präsente vor der Tür. Bauern haben mehrere Misthaufen am Rand der B 14 in der Stuttgarter Innenstadt abgeladen. Eigentlich gilt das Mitbringsel wohl dem Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz auf der anderen Seite des Gebäudeblocks am Kernerplatz. Doch dort ist kein Platz mehr angesichts der protestierenden Landwirte, die an diesem Tag nach Stuttgart gekommen sind, um ihrem Ärger über die Bundesregierung Luft zu machen.

Wie viele Nutzfahrzeuge da letztlich über Bundesstraßen, Autobahnen und andere Strecken angerollt sind, kann wohl keiner sagen. Die Polizei schätzt am Nachmittag rund 2000 Traktoren, die sich aus allen Richtungen aufgemacht haben. Allein aus dem Bereich Vaihingen/Enz sollen es rund 300 Fahrzeuge sein, die in einer Kolonne über die B 10 fahren. Im Landkreis Esslingen spricht die Polizei von 600 bis 700 Traktoren, die unter anderem aus Metzingen und Tübingen kommen. Im Filderbereich bricht der Verkehr zusammen. Auch die A 8, die A 81 und die B 27 sind Schauplätze von Konvois. Viele parken auf dem Cannstatter Wasen, andere bleiben gleich in der Innenstadt, etwa an der Planie.

Die Fahrzeuge rollen noch, während am Kernerplatz die Kundgebung beginnt. Die Zufahrtsstraßen sind gesäumt von Traktoren. Zu Beginn warten bereits mehrere Hundert Demonstranten vor der aufgebauten Bühne. Die Polizei spricht später von bis zu 1000 Teilnehmern. Sie alle sorgen sich um ihre Zukunft, weil die Bundesregierung ein Sparpaket angekündigt hat, das sie massiv betrifft. Die Ampelkoalition will die Steuerbegünstigung beim Agrardiesel streichen und zudem die Kfz-Steuer auch für landwirtschaftliche Fahrzeuge erheben.

Jürgen Maurer, Vizepräsident des Landesbauernverbands, ergreift das Wort. „Von Stuttgart geht ein starkes Signal aus – schaltet die Ampel aus“, ruft er. Die Demonstranten stimmen Sprechchöre an: „Die Ampel muss weg!“ Der Wegfall der Agrardiesel-Subventionierung müsse zurückgenommen werden. Sollte die Politik nicht einlenken, würden die Proteste weitergehen: „Die Bevölkerung steht hinter uns“, sagt Maurer.

Hauk sagt Unterstützung zu

Peter Hauk (CDU), Minister für Ländlichen Raum, ist der Einladung der Protestierenden gefolgt und sendet am Kernerplatz klare Signale. Er versichert den Bauern seine Unterstützung, was mit tosendem Applaus aufgenommen wird. „Es reicht, die Belastung der Landwirtschaft ist am Ende angekommen. Wir stehen uneingeschränkt an Ihrer Seite“, so Hauk.

Fabian Bollinger scheint das zu gefallen. Der 27-Jährige aus Backnang betreibt Nebenerwerbslandwirtschaft – Ackerbau und Streuobstwiesen. „Auch ein Hobby, von dem auch noch andere etwas haben, muss sich tragen“, sagt er. Es gehe nicht, jeden zweiten Abend für rote Zahlen zu arbeiten. Ans Aufhören, sollte die Regierung nicht handeln, denkt Bollinger trotzdem nicht: „Von innen her können wir das einfach nicht. Dennoch vergeht einem so die Lust am Schaffen.“

Nicht alle Passanten zeigen Verständnis

Einige Reden und etwa eine Stunde später endet die Versammlung. Jürgen Maurer vom Landesbauernverband verabschiedet die Teilnehmenden. Die Stimmung: kämpferisch, aber nicht aggressiv. Blicke in die selbstbewussten Gesichter erwecken den Eindruck, dass die Landwirte, die nach Angaben des Veranstalters aus allen Ecken Baden-Württembergs gekommen sind, glauben, heute in Stuttgart etwas erreicht zu haben.

Wenige Schritte vom Stillstand auf den Straßen entfernt ist der Bauernprotest auch auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt ein Gesprächsthema. Susanne Webert ist aus Pforzheim nach Stuttgart gekommen, um über den Markt zu streifen. „Ausnahmsweise wollten wir heute mit dem Auto reinfahren“, sagt sie. Aber sie habe dann in Vaihingen geparkt und mit ihrem Mann die S-Bahn genommen. Ihr Aktionsradius sei zurzeit nach einer Knieverletzung etwas eingeschränkt. „Nun kommen die Strecken zu den Haltestellen hinzu, wahrscheinlich wird der Bummel deshalb kürzer als geplant.“ Das Paar nimmt es gelassen: „Es ist das gute Recht der Landwirte, gegen geplante Maßnahmen zu protestieren, wenn sie es falsch finden.“

Probleme auch bei Bus und Bahn

Der Konvoi hat auch Auswirkungen auf den öffentlichen Nahverkehr. Stadtbahn- und Busverbindungen sind unterbrochen. Wer am Vormittag unterwegs ist, muss darunter leiden: Ein Mann, der am Charlottenplatz auf die Stadtbahn wartet, sagt: „Ich habe für die Aktion kein Verständnis. Man kann auch seine Meinung auf einer Demo rüberbringen, ohne die ganze Stadt und Teile des Umlands zu blockieren und zu nerven.“

Die Landwirte verleihen ihrer Meinung deutlich Ausdruck. Das äußert sich durch lautes Hupen, aber auch durch Galgen, an denen symbolisch eine Ampel hängt, oder Plakate mit gepfefferten Sprüchen, in denen Politikern auch mal mit Gewalt gedroht wird. Nun soll aber bis zum 8. Januar erst einmal ein Weihnachtsfrieden gelten. Sollte die Bundesregierung bis dahin ihre Pläne nicht ändern, folgen bundesweit neue Proteste.

Ärger droht übrigens auch denjenigen, die die Misthaufen vor dem Le Méridien abgeladen haben. Die Abfallwirtschaft Stuttgart hat die Hinterlassenschaften entfernt. Sollten die Verantwortlichen gefunden werden, müssen sie die Kosten übernehmen.