Supervivaz, Warnung vor dem Hund Foto: Supervivaz/VG Bild-Kunst, Bonn, 2022

Städtische Galerien und Stiftungen prägen die Kunstregion Stuttgart wesentlich mit. Unser kurzer Überblick zeigt: Gerade aktuell lohnt sich der Besuch!

Städtische Galerien und Stiftungen prägen die Kunstregion Stuttgart wesentlich mit. In Backnang wie in Ostfildern, in Sindelfingen wie in Böblingen und Nürtingen. Gerade aktuell lohnt sich der Besuch!

„Ritual“ in der Galerie der Stadt Sindelfingen

Viel Beachtung findet zu recht die Themenausstellung „Ritual“ in der Galerie Stadt Sindelfingen (Marktplatz 1). Noch bis zum 29. Mai macht Galeriechefin Madeleine Frey die Ausstellungsräume zur Bühne für künstlerische Analysen über die Frage, was Gesellschaften im Kern zusammenhält.

Key Visual Ritual (Ausschnitt); Gestaltung: Matter Of Foto: Galerie der Stadt Sindelfingen

Baptiste Brossard, Helen Dowling und Sara-Lena Maierhofer fragen nach der Bedeutung sozialer Interaktionen und diskutiert die Qualität von Ritualen in unterschiedlichen Kulturen.

Warnung vor dem Hund

Noch direkter konfrontiert die neue Schau im Schaufenster junge Kunst mit unseren Rollen in und für gesellschaftliche Systeme. „Warnung vor dem Hund“ ist das Projekt von Lina Baltruweit und Johannes Breuninger betitelt – und dass es hierbei um die Bewegungsmöglichkeiten in Deutschland beziehungsweise Menschen mit deutschem Pass gehen könnte, liegt nahe. Seit 2017 studieren Baltruweit und Breuninger bei Birgit Brenner und Mariella Mosler an der Stuttgarter Akademie – und „Warnung vor dem Hund“ ist die erste institutionelle Einzelausstellung des als Supervivaz firmierenden Duos. Eröffnet wird „Warnung vor dem Hund“ an diesem Freitag, 18. März, um 19 Uhr – parallel gibt es zudem einen neuerlichen Wechsel in der auf ein Jahr angelegten Nahaufnahme des Werkes von Ilse Beate Jäckel (1907 in Zwickau geboren und 1982 in Stuttgart gestorben): „Tierzeichnungen und Landschaftsaquarelle“ Jäckels sind im Kabinett zu sehen.

Rudy Cremonini in der Ruoff Stiftung

Unter dem Dach der Stadt Nürtingen kann die Fritz und Hildegard Ruoff-Stiftung (Nürtingen, Schellingstraße 12) immer wieder für Überraschungen sorgen. An diesem Sonntag, 20. März, eröffnet Tobias Wall um 11 Uhr eine Schau mit den leise intensiven Bildern des italienischen Malers Rudy Cremonini.

Rudy Cremonini, The Beach (Ausschnitt) Foto: credit Cremonini

Eine eigenwillige Distanz kennzeichnet vermeintlich Stilllebenhaftes, zugleich aber schaffen jene Momente, in denen Figur und Landschaft nurmehr Chiffren scheinen, eine eigenwillige Nähe. 1981 in Bologna geboren, ist der international renommierte Maler in der Region Stuttgart vor allem durch die Ausstellungen in der Stuttgarter Galerie Thomas Fuchs bekannt. Die Ausstellung in den Räumen der Ruoff-Stiftung zeigt Hauptwerke wie „The Beach“ und macht mit einer Bildwelt bekannt, die auf ganz eigene Weise die Zerbrechlichkeit des Lebens thematisiert.

Singarum J. Moodley in der Galerie der Stadt Backnang

Die Frage, inwieweit Kunst politisch sein darf und sein soll, drehen die Südafrikaner Singarum J. Moodley und Neo I. Matloganc in die Gegenfrage, wie Kunst überhaupt unpolitisch sein kann. „Ersehnte Nähe“ ist ihr Auftritt in der Galerie der Stadt Backnang (Petrus-Jacobi-Weg 1), seit Jahren überregional viel beachtete Bühne aktueller Kunst, betitelt.

Neo I. Matloga, „Bo papa Mapula, ba na le masala“, 2021, Foto: Jonathan de Waart

Noch bis zum 30. April ist der Dialog der Collage-Malereien des in Amsterdam lebenden Neo I. Matloga mit den Porträt-Fotografien aus den 1970er Jahren des 1987 gestorbenen Singarum J. Moodley zu sehen. Ermöglicht wurde die unbedingt sehenswerte Schau in Zusammenarbeit mit dem Museum Marta in Herford (auch erste Station der Ausstellung) und der Berliner Kuratorin Wiebke Hahn.

„Élan vital“-Finale in der Galerie der Stadt Böblingen

„Das Potential einer Bewegung ist weder von ihrem Ausmaß noch von ihrer Natur abhängig, sondern von dem, was sie zum Einsatz bringt“, formulierte die 2012 gestorbene Schriftstellerin und Choreografin Laurence Louppe. Einer von vielen Impulsen für das Großprojekt „Élan vital“ der Galerie der Stadt Böblingen (Pfarrgasse 2).

Galerieleiterin Corinna Steimel und Künstlerin Birgit Wilde Foto: gsb

Konzipiert von der Künstlerin Birgit Wilde und kuratiert von Galerieleiterin Corinna Steimel präsentierte sich „Élan vital“ in den vergangenen Wochen als Gattungsgrenzen überschreitendes Drei-Stationen-Projekt. Zu sehen sind noch bis einschließlich diesen Sonntag, 20. März, Werke unter anderem von Willi Baumeister und Gerlinde Beck, von Ida Kerkovius und Franz Marc, von Walter Stöhrer und Manuela Tirler – und natürlich auch von Birgit Wilde selbst.

Performance am 20. März

Das große Finale findet am 20. März statt – um 15 Uhr mit einer Führung durch Wilde und Steimel und um 18 Uhr mit der Performance „Heimatland“ zur Arbeit „Schwarzer Walzer“ von Birgit Wilde. Für die Musik sorgen Tobias Götzmann, Igor Petrov-Schell und Klaus Kreczmarsky, es tanzen Marianne Illig und der im Stuttgarter Ballett bekannt gewordene Thomas Lempertz.

„Nicht eintönig“ in der Galerie der Stadt Ostfildern

Ebenfalls nur noch wenige Tage, bis zum 22. März, zu sehen ist in der von Holle Nann geleiteten Galerie der Stadt Ostfildern die Ausstellung „Nicht eintönig“. Was sich hinter dem Titel und den Werken von Günther Holder, Matthias Lutzeyer, Rainer Splitt verbirgt, skizzierte Galandi Pascual vom Freiburger Museum PEAC so: „Sich ein Bild machen, das heißt so viel wie sich selbst einen Eindruck verschaffen, genau hinzusehen. Ein Bild malen ist ein konzeptuelles Vorgehen. Der Farbauftrag, die Anordnung der Farbe auf einem Träger steht für eine visualisierte Idee, eröffnet ein Themenfeld.

Blick in die Ausstellung mit Werken von Günther Holder, Matthias Lutzeyer und Rainer Splitt Foto: Galerie

Unsere Sehgewohnheiten helfen uns bei der Decodierung, ordnen das Gesehene Bekanntem zu. Diese Tendenz wird verstärkt durch Social Media, die zum oberflächlichen Konsum verleiten. Gegenstandslose Bildbereiche bleiben dagegen oft unbeachtet. Farbe pur ermöglicht jenseits des gegenständlich assoziierten Sehens weitergehende Erfahrungen. Der dynamische Charakter der Formung, des Werdens und Übergangs offenbart sinnliche Qualitäten, eine immanente Kraft und Ausdruck, die von Günther Holder, Matthias Lutzeyer und Rainer Splitt jeweils mit unterschiedlichen künstlerischen Mitteln ausgelotet werden.“