In der Galerie Kernweine: Kunst aus der Poster-Welt Foto: /Galerie Kernweine

18 Stuttgarter Galerien laden am 9. und 10. April zum Art Alarm. Schon vorab locken fast täglich Eröffnungen. Wir geben Tipps, was Sie nicht verpassen dürfen.

Genießerisch legt die Frau den Kopf nach hinten, ein wenig kokett spreizt sie die Finger der linken Hand. Aber wo und wie steht die in ein sich verselbstständigendes Karo-Kleid getauchte Frau eigentlich?

Anna Ingerfurth in der Galerie Imke Valentien

Als „Fest für Ästheten, Soziologen, Psychologen und andere Traum- oder Raumdeuter“ hat der Kunstvermittler Ralf Christofori 2015 in der Galerie Valentien die Bildwelt der Stuttgarter Malerin Anna Ingerfurth vorgestellt. Und heute? Heute landet man mit Ingerfurth in der „Parallelzentrale“, wie die Ausstellung mit neuen Bildern bei Imke Valentien (Liststraße 28/1) heißt. An diesem Donnerstag, 31. März wird die Schau eröffnet (16 bis 22 Uhr).

Anna Ingerfurth, aus der Serie „Wochenzeichnungen“ Foto: AI

Im Mittelpunkt: die während der Pandemie entstandenen „Wochenzeichnungen“. Über deren mediale Verbreitung ist Ingerfurth ins Kunst-Scheinwerferlicht zurückgekehrt. Mit gutem Grund. Die wunderbare Lakonik ihrer Bilderzählungen besticht noch immer und immer wieder. Vorsicht aber: „Die kleinen Leute, welche Anna Ingerfurth bevorzugt in ihre Bilder setzt“, schrieb unser Kritiker Rainer Vogt schon 2015, „sind nicht zu beneiden. Schon äußerlich hoffnungslos durchschnittlich und unauffällig, haben sie kaum eine Chance, sich in ihrer Umgebung zurechtzufinden. Genug akkurat und fein säuberlich gemalte Wege bieten sich zwar an, auch Wände, Räume, sogar Perspektiven. Doch passt so so gut wie nichts zusammen. Alles fällt auseinander, kippt oder droht zu stürzen.“

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Ganz so rigoros geht es in der „Parallelzentrale“ nicht zu. „Die Richtung war klar, der Ausgang ungewiss“, ist zwar einer der neuen Bilder überschrieben, aber die Frau, die sich da ihren Weg durch einen Parcours aus Schnüren bahnt, weiß sehr genau, dass es nur diese eine Richtung geben kann. Der Zweifel muss warten, selbst, wenn wir eine Figur vor einem leeren Regal sehen. „Protest, in welcher Form auch immer“ heißt die Szenerie. „Was heute vertraut scheint“, eine andere – und zu diesem Titel passen denn auch wunderbar die Fotocollagen Anna Ingerfurths.

Anna Ingerfurth, Schulstraße bunt Foto: AI

Mit die schönste: „Schulstraße bunt“ – Ingerfurth macht die ewig rat- und rastlose lose Doppelstock-Ernährungs-Rennbahn zwischen Königstraße und Marktplatz zur lässigen Schwimmmeile.

Skulptur & Plastik in der Galerie Schlichtenmaier

In eine Flaniermeile verwandelt sind derweil die Räume der Galerie Schlichtenmaier am Kleinen Schlossplatz. Das Galerieteam – nicht zu beneiden ob der absurden Überlegungen, mit vermeintlich hochwertigen Gastronomie-Festivitäten vor der Haustür das Areal jugendfrei zu bekommen – hat unter dem schlichten Titel „Skulptur & Plastik“ ein Panorama zusammengetragen, das eben dies zeigt: Skulptur & Plastik. Besser vielleicht aber: das Nachdenken über die Möglichkeiten, künstlerisches Denken plastisch Form werden zu lassen.

Bei Schlichtenmaier: Otto Baum, Urmutter, um 1950 Foto: gs

Manch private Schatztruhe hat sich da offenbar geöffnet – und die Einblicke in die Werkstätten etwa von Hiromi Akiyama, Axel Anklam, Otto Baum, Gerlinde Beck und Franz Bernhard oder von Otto Herbert Hajek, Ingrid Hartlieb, Rudolf Hoflehner, Alfred Lörcher und Wilhelm Loth sorgen für ein vielfaches Echo zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Das gilt auch für den Bogen zu Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff, Werner Pokorny, Paul Reich und Fritz Ruoff oder Robert Schad, Manuela Tirler und Elisabeth Wagner. Zwei Eröffnungstage sorgen für einen entspannten Parcours – an diesem Freitag, 1. April, ist von 11 bis 21 Uhr geöffnet, an diesem Samstag, 2. April, von 11 bis 18 Uhr.

Thomas Nolden & Franziska Wolff in der Galerie Strzelski

Von Skulptur & Plastik zur Befragung malerischer Möglichkeiten sind es an diesem Freitag, 1. April, nur wenige Schritte. Mario Strzelski eröffnet in seiner Galerie am Rotebühlplatz 30 von 18 bis 22 Uhr eine Ausstellung mit Werken von Thomas Nolden und Franziska Wolff.

Thomas Nolden, Zwei Schafe, 2022 Foto: TN

„Farbe als Faktum“ ist das Ganze überschrieben, und die Anspielung auf den verschwenderischen Einsatz des Begriffes Faktum beziehungsweise die bewusste Rückführung auf einen konzentrierten Einsatz des Wortes wie auch des Malerischen an sich darf man durchaus ernst nehmen.

Mit Farbe Räume schaffen? Franziska Wolff macht es vor Foto: FW

„Tier und Landschaft“ – auch so ließ sich das Programm des 1965 geborenen Städelschule-Absolventen Thomas Nolden überschreiben. Es ist zugleich ein Gegenprogramm. Hier die Landschaft, immer in Bewegung, ständig in flirrender Veränderung – hier das Tier, in hoch konzentrierter Beiläufigkeit geschaut und dabei in eine unverwechselbare Sichtbarkeit gebracht, die das Publikum fast zu immer mal wiederkehrenden Zaungästen macht, die nach ihren Lieblingen schauen.

Franziska Wolff gibt Contra

Franziska Wolff gibt Contra. Gehörig. 1987 in Berlin geboren, agiert die Meisterschülerin von Corinne Wasmuth ganz im Selbstverständnis der Karlsruher Kunstakademie: Erst kommt die Malerei, dann die Malerei, und dann kommt die Malerei. Wolff schärft aber auch hier nach, nutzt Lacke und Sprühfarben. Von „Farbexplosionen“ ist dann gerne die Rede, aber trifft es das? Eher schon geht es doch um den Raum, der sich öffnet, um das, was unter der jeweils letzten Farbschicht ruht oder auch lauert.

Matter Off Free Poster bei Kernweine

Kunst ist immer auch ein Mittel der Kommunikation. Fantasievoll und direkt erinnert das Stuttgarter Designstudio Matter Off mit seinem Kooperationsprojekt „Free Poster“ an die signalhafte Wirkung der zu Unrecht etwas in den Hintergrund geratenen künstlerischen Äußerungsform Poster beziehungsweise Plakat.

Bei Kernweine: Jim Klok, Thumb Foto: JK

Die Galerie Kernweine (Cottastraße 4-6) wird von diesem Samstag, 2. April, an, zur Bühne eines Einspruchs: Mitten hinein in den Strom des Verzichts auf das Drucken aus gewollten (Klimakrise) und ungewollten (Papierknappheit) Gründen platzen hier eine ganze Folge von Ausrufezeichen für den bewussten (und also nachhaltigen) Umgang mit der Äußerungsform Plakat.

Eröffnung am 2. April

Ein weiterer Widerhaken ist eingebaut, nun gegen jedwede allzu große Nationalfreude. „Das Plakat“, heißt es da so beiläufig wie folgenreich, „ist ein mobiles Medium, das keine feste Heimat hat, sondern durch seine verstreute Präsentation eine finden soll“. Um 20 Uhr wird die Schau „Matter of Free Posters“ an diesem Samstag, 2. April eröffnet.