Die Burg Hohenzollern im Winter – der vor 76 Jahren war besonders hart, und die Kälte bekam der in der Burgküche deponierten Kunst gar nicht gut. Foto: Marijan Murat

Vorträge über das Kunstdepot auf der Burg Hohenzollern hat Volker Lässing, Albstädter Hobby-Historiker und Autor, schon mehrfach gehalten. Jetzt kommt das opulent bebilderte Buch in den Handel.

Albstadt/Bisingen - Viele Jahre lang hat Volker Lässing den deutschen Kernforschern nachgespürt, die gegen Ende des Zweiten Weltkriegs aus dem von alliierten Bomberflotten heimgesuchten Berlin nach Hechingen und Tailfingen ausquartiert worden waren. Zur Lektüre, die er wälzte, gehörten auch die Briefe, die Werner Heisenberg aus dem ländlichen Exil an seine Frau schrieb.

Dabei wurde er auf einen Passus aufmerksam, in dem der Nobelpreisträger berichtet, welch unverhoffter Kunstgenuss ihm auf der Zollernburg zuteil geworden sei: Er habe dort Originalgemälde des spätmittelalterlichen Kölner Meisters Stefan Lochner, einen Renoir, Van Goghs "Brücke von Arles" und mehrere Werke des deutschen Realisten Wilhelm Leibl nicht nur zu Gesicht, sondern sogar in die Finger bekommen – im Museum wäre das undenkbar gewesen.

Auf der Flucht vor den Bomben

Lochner, Renoir, Courbet, Van Gogh auf der Burg Hohenzollern – war das möglich? Volker Lässing wollte es genau wissen und erfuhr folgendes: Die großen deutschen Museen hatten in den letzten Kriegsjahren ihre bedeutendsten Kunstschätze an Orte in Sicherheit gebracht, die nicht von alliierten Flächenbombardements bedroht zu sein schienen – eine Liste, die in Lässings neuem Werk als Faksimile abgebildet ist, nennt unter anderem den Ehrenbreitstein bei Koblenz, Schloss Ringberg bei Tegernsee und eben die Burg Hohenzollern.

78 Gemälde aus dem Kölner Wallraf-Richartz-Museum, dazu mittelalterliche Plastiken und Skulpturen aus dem Museum Schnütgen sowie Textilien aus dem Kölner Kunstgewerbemuseum waren im Spätsommer 1942 in mehreren Raten auf den Zoller gebracht und in der damaligen Burgküche und heutigen Schatzkammer, zwischen Bratenwendern und Hackklötzen, deponiert worden.

Dort blieben sie dreieinhalb Jahre lang, sicher vor Bomben, aber nicht vor den Händen von Tübinger Kunststudenten und kunstsinnigen Atomphysikern, die sich den Führungen fürs Fachpublikum geistesgegenwärtig anschlossen.

Der OB schickt den Leichenwagen

Immerhin, viel passieren konnte dabei nicht – bis der Krieg zu Ende war. Am 4. Mai 1945 war Konrad Adenauer, von den Nazis entlassener Kölner Oberbürgermeister, wieder von den Amerikanern in sein Amt eingesetzt worden; binnen drei Wochen veranlasste der spätere Bundeskanzler den klammheimlichen Rücktransport von mehreren Gemälden der spätmittelalterlichen Kölner Schule in die Domstadt.

Es war ein Kommandounternehmen – als Gefährt hatte man einen stadtkölnischen Leichenwagen ausgewählt, vermutlich, um Kontrollen zu vermeiden. Wer die Geschichte nachlesen möchte, findet sie, außer in Lässings Buch, in Adenauers "Erinnerungen 1945-1953".

Die Spur führt nach Paris

Nur eine Woche später erschienen die nächsten Kunstinteressierten auf der Burg. Volker Lässing hatte sich nach der Lektüre der Heisenbergschen Briefe ans Wallraf-Richartz-Museum gewandt und Glück mit seiner Ansprechpartnerin gehabt. Die junge Kunsthistorikern hatte an einem Heisenberg-Gymnasium Abitur gemacht, war entsprechend empfänglich für seinen Hinweis und revanchierte sich mit Kopien einiger Dokumente, die Lässing auf die nächste Spur setzten.

Sie führte nach Frankreich, wo die deutschen Besatzer in den Kriegsjahren systematisch die Museen ausgeplündert hatten, darunter das berühmte "Jeu de Paume" mit seiner einzigartigen Impressionistensammlung. Was sie offenbar nicht ahnten: Die unscheinbare Museumsmitarbeiterin Rose Valland, die augenscheinlich kein Wort Deutsch konnte, verstand alles, verfolgte alles mit und führte Buch über die Destinationen der Raubkunst.

Nach der Befreiung von Paris nahm Valland sofort Kontakt zu den Amerikanern auf und war unter den ersten Franzosen, die nach Kriegsende ins besetzte Deutschland entsandt wurden. Am 31. Mai traf sie auf der Burg Hohenzollern ein und vernahm konsterniert, dass ihr ein Kölner Leichenwagen zuvorgekommen war.

Wer hat denn da gepetzt?

Das hatte Folgen: Wenige Tage später wurde Konrad Adenauer von den Amerikanern sehr bestimmt aufgefordert, "seine" Kunst, die er in einer katholischen Pfarrei versteckt hatte, herauszurücken – ihm war schleierhaft, wie sie von seinem Coup wissen konnten. Volker Lässing ist sich sicher, dass der Hinweis von Rose Valland kam.

Schimmel auf der Leinwand

Als wesentlich verhängnisvoller erwies sich ein anderer Schritt der Franzosen. Sobald sie im Juni 1945 die Burg Hohenzollern von den Amerikanern übernommen hatten, konfiszierten sie, um etwaige weitere "Leichentransporte" zu unterbinden, den Schlüssel zur Burgküche und ließen niemanden mehr hinein – nicht einmal zum Lüften.

Der Kunst tat das gar nicht gut. Der Winter 1945/46 war hart und kalt; die Holztafeln der mittelalterlichen Gemälde verzogen sich, und die Farbe warf Blasen. Noch schlimmer setzte die Feuchtigkeit den Bildern zu; sie begannen zu schimmeln. Erst im April 1946 wurde die Burgküche wieder geöffnet und die Bescherung offenbar. Die Konservatoren verloren keine Zeit; die Bilder wurden unverzüglich nach Tübingen gebracht und dort, so weit möglich, restauriert.

Mit der Rückführung nach Köln hatten die Franzosen es danach nicht eilig. Die Kunstschätze blieben fürs Erste in Tübingen und wurden dort monatelang ausgestellt; es kamen über 42 000 Besucher. Die Skulpturen des Museums Schnütgen kehrten 1947 an den Rhein zurück, doch es sollten noch weitere vier Jahre vergehen, bis das Wallraf-Richartz-Museum wieder im Besitz aller seiner Bilder war – und dabei hatte es Konrad Adenauer so eilig gehabt.

Etikett Raubkunst

Sechs Werke, darunter Bilder von Delacroix, Renoir, Degas und Courbet, stammten übrigens tatsächlich aus französischen Sammlungen, dank Rose Valland sind sie wieder in Frankreich, allerdings nicht bei ihren vormaligen Eigentümern, denn die ließen sich nicht mehr ausfindig machen. Die Bilder hängen derzeit in verschiedenen Museen; welche das sind, steht in Volker Lässings Buch.

Außerdem findet man dort einen QR-Code, über den man auf die einschlägige französische Beutekunst-Webseite gelangt. Zumindest bis auf weiteres.

Und das Buch selbst? Heißt "Das Kunstdepot auf der Burg Hohenzollern", ist mit 80 Jahre alten Fotos und den Abbildungen noch viel älterer Gemälde reich bebildert und in der Buchhandlung Rieger in Balingen erhältlich. Es kann aber auch mit Hilfe der ISBN-Nummer 978-3-939219-04-0 in jeder anderen bestellt werden. Solange der Vorrat reicht.