Die Tailfinger "Kreisläuferin", ihre Fans und ihre Schöpferin – das Bild zeigt von links Volker Maute, Kai Hohenfeld, Axel Mayer, OB Klaus Konzelmann, Jürgen Merz von der Sparkasse Zollernalb, Anja Luithle und Udo Hollauer. Foto: Kistner

Der Titel "Kreisläuferin" ist ein wenig irreführend – mit Handball hat die neue Skulptur vor der Sparkasse Zollernalb wenig zu tun, das lehrt der erste Blick. Mit Tailfingens textiler Tradition schon eher.

Albstadt-Tailfingen - Früher hätte man wohl von zwei Fliegen und einer Klappe gesprochen; heute sagt man "Win-Win-Situation" dazu – die rund fünf Meter hohe kinetische Skulptur der Wendlinger Künstlerin Anja Luithle, die Anfang dieser Woche vor dem Eingang der Tailfinger Sparkassenfiliale aufgestellt wurde, bereichert nicht nur das Stadtbild und erfreut den Kunstfreund, sondern sie erfüllt ganz nebenbei noch einen wesentlich profaneren Zweck: Sie hindert diejenigen, denen auf dem Weg zum Bankomaten jeder Meter zu Fuß zu viel ist und die nicht vergessen können, dass sich vor der Sparkasse einst zwei Parkplätze befanden, daran, mit dem Auto bis unmittelbar vor die Tür zu fahren. Ihnen hat die Stadt nun, um der Verkehrssicherheit willen, aber auch der Sparkasse zuliebe, einen Riegel vorgeschoben, der zugleich wirkungsvoll und attraktiv ist.

Und so sieht der Riegel aus: Auf einem Stahl schwebt annähernd zwei Meter über dem Pflaster eine Dame in einem glockenförmigen roten Kleid mit schmaler hoher Taille, deren Arme eine Art stählernen Hula-Hoop-Reifen halten. Wobei Arme nicht stimmt, Ärmel wäre korrekt, denn außer dem Kleid sieht man von der "Kreisläuferin" nichts: Sie ist unsichtbar, hat weder Kopf noch Hände oder Füße. Anja Luithle hat schon etliche dieser körperlosen Schönheiten geschaffen; nicht alle, aber viele davon sind kinetisch, das heißt, sie bewegen sich auf eine definierte Weise. Die bekannteste von ihnen ist wohl die "Gratwanderin" auf der Dachterrasse des Stuttgarter Hauses der Geschichte; sie wandelt auf einer 16 Meter langen Balustrade. So viel Auslauf hat ihre Tailfinger Schwester nicht; sie rotiert einfach um die eigene Achse, allerdings nur, wenn man sie anschubst und ihr einen Drehimpuls verleiht – einen Motor gibt es, anders als in Stuttgart, nicht.

Ein Kunstwerk als Barriere

Wie ist die "Kreisläuferin" nach Tailfingen gekommen? Axel Mayer vom Albstädter Stadtplanungsamt und Volker Maute vom Amt für Bauen und Service hatten sich auf der Suche nach einer künstlerisch wertvollen Barriere an Kai Hohenfeld, den Leiter des Kunstmuseums gewandt, weil er die Kontakte besitzt, die ihnen fehlen. Die Drei entschieden sich für die "beschränkte Ausschreibung an heimische Unternehmer" und wählten aus der Fülle der Empfehlungen, die sie von renommierten Galerien und der Stuttgarter Akademie der Bildenden Kunst erhielten, vier aus, nämlich zwei Künstler und zwei Künstlerinnen, deren Arbeiten ihnen besonders zusagten. Alle Vier waren Absolventen der Stuttgarter Akademie; das Spektrum reichte von gegenständlich bis abstrakt, von heiter bis kühl und von verspielt bis konzeptlastig. Am Ende erhielt Anja Luithle den Zuschlag: Ihre Kreation gefiel den "Juroren" – zu Hohenfeld, Mayer und Maute hatten sich noch Oberbürgermeister Klaus Konzelmann und Baubürgermeister Udo Hollauer gesellt – am besten. Die textile Assoziation, versichert Hollauer, sei nur noch "der Punkt auf dem i" gewesen.

Mit Epoxidharz und Polyurethanschaum

Seit dieser Entscheidung ist ein halbes Jahr vergangen; in dieser Zeit hat Luithle ein Stahlgerüst geschaffen, mit Draht und Glasfaser bespannt und die dadurch entstandene Fläche mit dem roten Stoff bedeckt, den ihr eine richtige Schneidermeisterin zurechtgeschnitten hatte. Anschließend wurde alles mit Epoxidharz gehärtet, und zum Schluss wurde der Hohlraum mit Polyurethanschaum gefüllt – Flugzeugkonstrukteuren dürften diese Arbeitsschritte nicht ganz unvertraut sein. Anfang dieser Woche wurde die rote Dame nach Tailfingen gebracht und im Lauf eines Nachmittags auf ihre Stange gehievt. Die Reaktionen? Von einem Passanten musste sich Anja Luithle den Kommentar "Hend ihr nix Gscheites mache kenne?" anhören, aber den meisten anderen gefiel es. Kai Hohenfeld ist überzeugt, dass die Tailfinger ihre "Kreisläuferin" je länger je mehr ins Herz schließen und zu einer der Ihren machen werden.

Einen Zuschuss gibt es diesmal nicht

Umsonst zu haben war sie übrigens nicht. Der Betrag lag laut OB Konzelmann im unteren fünfstelligen Bereich; die Sparkasse Zollernalb hat das Projekt gesponsert. Fördergeld vom Land ist, anders als etwa im Fall der Ebinger Lenk-Skulpturen, nicht geflossen. Wo Bund oder Land Zuschüsse gewähren, muss ein gewisser Prozentsatz der Fördersumme in Kunst am Bau investiert werde, aber die Neue Mitte Tailfingen wurde ja bekanntlich nicht bezuschusst, sondern aus der Albstädter Privatschatulle finanziert. Auch die Poller, die das Gelände zusätzlich gegen den Verkehr abschirmen und Mitte Dezember geliefert werden sollen, dürften eine Kleinigkeit kosten.