Sie mögen es gerne ungewöhnlich – das gilt auch fürs Fotomotiv: die Kuratoren und der Geschäftsführer der Ornamenta (von links), Katharina Wahl, Christian Saalfrank, Jules van den Landenberg und Willem Schenk. Foto: Verena Parage

Im kommenden Jahr wird der Nordschwarzwald zur Bühne für die Ornamenta 2024. Das Kulturprogramm will Fragen aufwerfen, die nicht nur für die Region relevant sind. Kunst bietet dafür die Basis. Das macht die Sache allerdings auch kompliziert.

2024 ist das Jahr der Ornamenta: Von Juli bis September 2024 findet das Kulturprogramm im Nordschwarzwald statt. Geografische Grenzen lässt die Ornamenta dabei ebenso hinter sich wie thematische.

Es geht um die Vernetzung. Sie will aufstrebende, internationale Künstler in die Region bringen und dort wiederum Orte und Menschen zusammen, die bisher wenig miteinander zu tun haben. Ideen und Themen sollen verknüpft werden, damit Neues entsteht. Die Basis für all das ist die Kunst, die Anstoßgeber sind die drei Kuratoren der Ornamenta: die beiden Niederländer Jules van den Langenberg und Willem Schenk sowie die Deutsche Katharina Wahl – die drei sind Designer, Kreativberater, Filmemacher und mehr.

Die Herkunft 1989 gab es schon einmal eine Ornamenta in Pforzheim, damals eine Schmuckausstellung. Dass es nun eine Neuauflage gibt, „war eine Idee der Pforzheimer Bürgerschaft“, erklärt Christian Saalfrank, Geschäftsführer der Ornamenta gGmbH. Diese Idee habe lange gegärt. Die neue Ornamenta soll weit mehr sein als eine Ausstellung: ein Impulsgeber für die gesamte Region.

„Wir glauben, der ländliche Raum hat Zukunft“, sagt Jules van den Langenberg, der nicht nur im Nordschwarzwald, sondern als freier Kurator auch in Amsterdam und Paris arbeitet. Er und seine Kollegen sind international vernetzt. Willem Schenk findet die Unterschiedlichkeit spannend: Landwirtschaft trifft Stadt. Aber auch die Möglichkeiten, die der Nordschwarzwald bietet. Hier gibt es Raum für besondere Unternehmen wie Perrot Turmuhren und Läuteanlagen in Calw.

Solche „Zuckerle“ wie Perrot, das schätzen sie am Nordschwarzwald, von solchen Entdeckungen lässt sich das Trio inspirieren. Das Ergebnis ist eine Kooperation zwischen Perrot und der Künstlerin Charlotte Rohde. Sie arbeiten jetzt an einem gemeinsamen Sonnenuhr-Projekt für die Ornamenta.

Das Herantasten Seit Juli 2021 gehen Schenk, van den Langenberg und Wahl auf Entdeckungsreise im Nordschwarzwald. Eine Woche pro Monat verbringen sie irgendwo in der Region. Etwa in Calw, wo sie vor einiger Zeit waren, oder jüngst in Baiersbronn.

Der Aufbau Die drei Macher haben die Ornamenta in fünf sogenannte Themengemeinden aufgeteilt: Bad Databrunn, Zum Eros, Schmutzige Ecke, Inhalatorium und Solartal. Zu jedem wird es eine große Gruppenausstellung geben. Das sind die Hauptveranstaltungen von Juli bis September 2024. Sie finden im Pforzheimer Reuchlinhaus (Inhalatorium), im Hohenwart-Forum im gleichnamigen Pforzheimer Stadtteil (Solartal), an der Hochschule Pforzheim (Zum Eros) und in Bad Wildbad (Bad Databrunn). Für die Schmutzige Ecke hat das Trio zwar passende Orte, aber noch keine Zusage bekommen. Offenbar schreckt der Titel ab. Dabei verbergen sich hinter diesen Namen „international relevante Themen“, wie Willem Schenk erklärt. Bei „Schmutzige Eck“ etwa geht es um die Themen, die gerne mal unter den Teppich gekehrt werden. Gleichzeitig lässt sich eine Brücke schlagen zur süddeutschen Kehrwoche.

Auch am Beispiel Bad Wildbad wird sichtbar, wie die Kuratoren Verbindungen aufzeigen: Die Stadt hat Tourismus-Geschichte, wendet sich nun aber dem modernen Tourismus zu – verkörpert durchs Palais Thermal und den Attraktionen auf dem Sommerberg. Gleichzeitig sei das Restaurantangebot noch sehr altmodisch. Doch die drei sehen die Möglichkeiten, die diese Situation bietet.

So sei Stress international ein großes Thema. Eine Chance für kleine Touristen-Städte wie Wildbad, die Gestressten Erholung bieten können. Und eine Chance für die Ornamenta, zum Nachdenken anzuregen. Jules van den Langenberg sagt: „Die Ornamenta bringt keine Lösung, sie stellt Fragen.“

Die Lust Ornamenta-Lust nennt sich der Bereich, in dem sich auch Interessierte – Künstler, Vereine, Initiativen und mehr – bei der Ornamenta mit eigenen Veranstaltungen einbringen können.

Der Prolog Schon jetzt gibt es an unterschiedlichen Orten im Nordschwarzwald zahlreiche Veranstaltungen, die als Auftakt zur Ornamenta stattfinden. Darunter Vorträge, eine Gala, Performances, Events, Installationen, Ausstellungen oder Symposien.

Das Fazit Keine Frage: Wer sich auf die Ornamente einlässt, muss offen sein für Ungewöhnliches – Veranstaltungskonzepte genauso wie Begrifflichkeiten. Vieles passt auf den ersten Blick so überhaupt nicht zum bodenständigen Nordschwarzwald, und ein wenig mehr Handfestes würde es leichter machen, sich auf die Ornamenta einzulassen.

Auf den zweiten Blick allerdings zeigt sich, dass es im Kern tatsächlich um viele auch für die Region relevante Themen geht. Katharina Wahl meint gar, der Nordschwarzwald könne als „Leuchtturm dienen für andere Regionen in Europa, die Identität suchen“. In einem Jahr wissen wir mehr.

Weitere Informationen gibt es unter www.ornamenta2024.eu.

Mehr zu dem Kulturprogramm im Nordschwarzwald

Kommende Veranstaltungen
Ein Ornamenta-Event (Themengemeinde: Schmutzige Ecke) findet am Samstag, 12. August, von 11.30 bis 12.30 Uhr Auf dem Brühl in Calw statt. „In einem Open-Air-Café in Calw taucht das Publikum in die Welt der Bierinnovation ein“, heißt es dazu. Mit dabei sind unter anderem die Designerin und Brauerin Henriette Waal sowie ein Wasserspezialist und eine Gästeführerin. Der Heilstollen in Neubulach wird am Samstag, 9. September, von 11 bis 15 Uhr zu einer Spielstätte für eine audiovisuelle Installation. Und am Freitagabend, 29. September, findet in und um den Pforzheimer Hauptbahnhof eine Gala statt. Viele weiteren Termine finden sich auf der Ornamenta-Homepage.

Beteiligung
Die Ornamenta gGmbH hat seit Kurzem neue Mitgesellschafter. Sowohl der Landkreis Calw, vertreten durch den Ersten Landesbeamten Frank Wiehe, als auch der Enzkreis, vertreten durch Sandra Kohler, persönliche Referentin des Enzkreis-Landrats Bastian Rosenau, haben jeweils acht Prozent der Anteile der Ornamenta gGmbH von der Stadt Pforzheim übernommen. Bislang hatten der „OrnamentaBund“ als Initiator der neuen Ornamenta sowie die Stadt Pforzheim jeweils 50 Prozent der Anteile an der gemeinnützigen GmbH gehalten. Für Geschäftsführer Christian Saalfrank ist der Beitritt der Landkreises ein klares Bekenntnis zum Kulturprogramm. „Damit sind wir dem Ziel, den Nordschwarzwald als neue Destination für ein internationales, kulturaffines Publikum auf dem europäischen Kulturatlas zu verankern, einen guten Schritt weitergekommen“, heißt es in einer Mitteilung.