Nach 33 Jahren Dienst für den Landkreis Rottweil ist Bernhard Rüth nun – "so halb", wie er sagt – im Ruhestand. Foto: Siegmeier

Kunst und Kultur im Landkreis zu fördern und erlebbar zu machen, war und ist Bernhard Rüth ein Herzensanliegen. Nach 33 Jahren im Dienst des Landkreises ist der Kreisarchivar und Kulturreferent jetzt in den Ruhestand getreten.

Kreis Rottweil - Er hat die Opernfestspiele im Wasserschloss Glatt mit ins Leben gerufen, den Auf- und Ausbau der Kunstsammlung des Landkreises mit 760 Einzelwerken und Werkgruppen begleitet, mehr als 100 Ausstellungen zur Kunst und Kultur in der Region als Kurator konzipiert, organisiert und präsentiert, Ausstellungsreihen zur Gegenwartskunst und Projekte mit überregionaler Tragweite mitverantwortet sowie in haupt-, neben- und ehrenamtlicher Funktion zahlreiche Gründungsinitiativen im Kulturbereich gestartet. Und Bernhard Rüth ist es über all die Jahre gelungen, auch immer das Kreistagsgremium für seine Vorhaben und Projekte zu begeistern.

Wird Kultur vielerorts als Stiefkind angesehen, ist es hier mit ein Verdienst Rüths, dass sie weit vorn auf der Prioritätenliste steht. "Politische Akzeptanz zu haben, ist eine privilegierte Position", würdigt Rüth diesen Rückhalt. Und wer ihn kennt, der weiß, dass er alle seine Aufgaben und Herausforderungen stets ruhig, besonnen und geduldig, aber dennoch mit der nötigen Portion Nachdruck und Beharrlichkeit angegangen ist.

Eine Ära mit Serienreife

Der Erfolg spricht für sich. Hier alle Projekte aufzuführen, inklusive der unzähligen Publikationen – 86 mit Kreisbezug –, die er über die Jahre rund um die Kunst und Kultur herausgebracht hat, würde den Rahmen bei weitem sprengen. Eine weitere große, über die Denkmaltopographie im Landkreis wird 2023 herauskommen. Ja, man könnte zur Ära Rüth eine ganze Serie verfassen.

Geboren ist Bernhard Rüth 1955 in Heidenheim an der Brenz. Nach dem Abitur studierte er Germanistik und Geschichte in Stuttgart, Zürich und Tübingen, absolvierte im Anschluss die Ausbildung für den höheren Archivdienst am Generallandesarchiv Karlsruhe, in der Archivschule Marburg und am Bundesarchiv in Koblenz. Bevor er 1989 nach Rottweil kam, war er wissenschaftlicher Angestellter am niedersächsischen Hauptstaatsarchiv in Hannover.

Gleich begeistert

Als er die Stellenausschreibung für Rottweil gelesen habe, sei er gleich begeistert gewesen. "Ich habe mich dann ausführlich mit Rottweil beschäftigt und schnell bemerkt, welcher kulturelle Schatz hier schlummert", erinnert er sich. Egon Rieble hatte als Kulturreferent bereits so manchen Weg geebnet und manches angestoßen, doch die Nachhaltigkeit habe gefehlt, so Rüth. "Meine berufliche Lebensaufgabe sah – und sehe – ich darin, den Landkreis Rottweil als Kulturträger dauerhaft zu etablieren und den Kulturbetrieb im Kreisgebiet nachhaltig zu intensivieren. Und mein übergeordnetes Ziel war und ist es, die kulturelle Vielfalt und den kulturellen Reichtum des Landkreises Rottweil aufzuzeigen und zu veranschaulichen", resümiert Rüth, der übrigens noch nicht so richtig mit beiden Beinen im Ruhestand ist. "Die Kulturarbeit für den Landkreis geht weiter. In welcher Funktion auch immer. Aber es wird ein Ausstieg auf Etappen", kündigt er an.

Schlummernder Schatz

Sein Nachfolger, Johannes Waldschütz, der derzeit noch Leiter des Stadtmuseums und Stadtarchivs in Stockach ist, wird seinen Dienst in Rottweil im April antreten. Und bis dahin gebe es eben, auch mit Blick auf zwei große Ausstellungen, eine ganze Menge zu tun. Dazu passt, dass Bernhard Rüth zum 1. Dezember erst nach zweimaliger Verlängerung der Dienstzeit in den Ruhestand getreten ist. Rüth ist 67 Jahre alt. "Und eine Work-Life-Balance war und ist mir fremd. Ich habe nicht nach der Stempeluhr gearbeitet, sondern so, wie es eben notwendig war. Ansonsten hätten viele Dinge, vor allem die Netzwerkarbeit, die für diesen Beruf unverzichtbar ist, nicht funktioniert".

Sein Engagement für die kulturelle Weiterentwicklung des Landkreises mit den Städten und Gemeinden habe er auch in verschiedenen ehrenamtlichen Funktionen eingebracht. "Meinen Beruf habe ich immer als Berufung empfunden. Und nach meinem Verständnis lag der Aufgabenschwerpunkt auch nicht so sehr in der Kulturverwaltung, als vielmehr in der Kulturgestaltung – in der Mitgestaltung kultureller Prozesse und Strukturen auf Kreisebene", sagt Rüth.

Die aufwendigste Ausstellung

Welche seine erste Ausstellung war, daran kann sich der Kulturreferent nicht mehr erinnern, aber an die aufwendigste: "Das ist die Sonderausstellung "21 mal 3", die derzeit im Wasserschloss Glatt läuft", erzählt er. Der Landkreis Rottweil und seine Gemeinden seien ein Mosaik der Identitäten. Und diese Mosaiksteinchen in Form von Exponaten, die die Städte und Gemeinden selbst eingereicht hätten, in ein "vernünftiges und plausibles" Ausstellungskonzept zu packen, das habe ihm schon die eine oder andere Schweißperle auf die Stirn gezaubert, gibt er zu. Aber gemeinsam mit seinem wunderbaren Ausstellungsteam und der Unterstützung seiner Frau, die ihm über all die Jahre nicht nur den Rücken freigehalten, sondern ihn auch nach Kräften immer unterstützt und begleitet hat, habe man schließlich ein wunderbares Panoptikum, das sich aus den Identitäten der Kreisgemeinden speist, zusammenstellen können.

Geformt und geprägt

"Kulturarbeit funktioniert auch nicht im Alleingang, sondern nur durch die Begleitung engagierter Mitarbeiter und Kooperationspartner", weiß er. Ihm sei es stets Anliegen gewesen, konstruktive Beiträge zur Identitätsbildung im Kreisgebiet zu leisten. "Und es war mir vergönnt, über einen Zeitraum von 33 Jahren das kulturelle Profil des Landkreises mit zu formen und zu prägen. Der Landkreis Rottweil wird landesweit als profilierter Kulturstandort und qualifizierter Tourismusstandort wahrgenommen, das freut mich sehr".

Kinder und Jugendliche

Rüth habe es auch sehr zu schätzen gewusst, dass er als Amts- und Stabsbereichsleiter stets das Vertrauen der Dienstvorgesetzten gehabt habe. Die Schwerpunkte seiner Kulturarbeit lagen ja keinesfalls nur auf der Archivpflege, der Förderung der historischen Forschung und Bildung, der Kunst- und Musikförderung, sondern auch, oder ganz besonders, auf der Förderung der kulturellen Bildung von Kindern und Jugendlichen. Schwerpunktsetzung ist hier die ästhetische Bildung. Und so war es auch Bernhard Rüth, der vor 20 Jahren, damals als Präsident des Lions-Clubs Rottweil, die Jugendkunstschule "Kreisel" im Landkreis als dezentrale außerschulische Bildungseinrichtung mit ins Leben rief.

Jetzt freut sich Bernhard Rüth "auf die große Freiheit, das ist ein hohes Gut". An seinem ersten Tag "in Freiheit", hat Rüth gleich einen Ausflug mit seiner Frau in die württembergische Landesbibliothek unternommen, wie er begeistert erzählt – "zu den Büchern", wie er schwärmt.