Kunden sollen das Modehaus Bertsch in Schömberg auch ohne vorherige Anmeldung betreten können. Foto: Krokauer

Ziviler Ungehorsam in Schömberg? Eigentlich müsste der Einzelhandel im Kreis Calw am heutigen Mittwoch wieder schließen – doch das Modehaus Bertsch will trotzdem öffnen. Chef Udo Bertsch wurde bereits mit der Staatsanwaltschaft gedroht. Macht er tatsächlich die Ladentüren auf?

Schömberg - Wer gestern im Modehaus Bertsch angerufen hat, bekam zunächst eine Ansage vom Band zu hören – eingesprochen vom Chef persönlich. "Liebe Bertsch-Kunden, willkommen zurück. Wir dürfen Sie wieder zu den gewohnten Öffnungszeiten ohne Terminabsprache bei uns begrüßen", sagte Inhaber Udo Bertsch. Und weiter: "Wir tun alles für Ihren sicheren und entspannten Einkauf bei uns – entsprechend den aktuellen Hygienekonzepten der Politik."

Doch dass die Politik nun vorschreibt, dass der Einzelhandel im Kreis Calw aufgrund des gestiegenen Inzidenzwertes nach nur einer Woche wieder geschlossen werden muss und lediglich "Click & Meet"-Einkäufe erlaubt sind, bringt den Unternehmer aus der Glücksgemeinde auf die Palme. Er hat angekündigt, sein Modehaus trotz Verbot am heutigen Mittwoch ganz normal zu öffnen.

Fall soll sofort an Staatsanwaltschaft

Bertsch wirklich ans Telefon zu bekommen, war gestern schwierig, denn am – eigentlich – letzten Tag vor der erneuten Schließung des Einzelhandels war im Modehaus viel los. Der Chef musste sich selbst mit an die Kasse setzen. Auf die Frage, was er denn vorhat, antwortete Bertsch zunächst ironisch: "Morgen werden alle Polizeikräfte im Landkreis Calw in Schömberg zusammengezogen und ich komme dann direkt auf den Hohenasperg." Andere sehen die Ankündigung, das Modehaus trotz Verbot öffnen zu wollen, dagegen mit weniger Humor. "Man hat mir gesagt, dass das sofort zur Staatsanwaltschaft ginge", meinte Bertsch.

"Das ist nicht hilfreich"

Im Calwer Landratsamt war man nicht glücklich über die Nachricht aus Schömberg. "Wir waren sehr überrascht, als wir das gehört haben", so Tobias Haußmann, Abteilungsleiter der zentralen Steuerung. Er kritisierte: "Das ist nicht hilfreich, wenn einzelne jetzt einen Sonderweg gehen." Janina Müssle, Pressesprecherin des Landratsamtes, sei nicht bekannt, dass sich auch andere Einzelhändler im Kreis Calw Bertsch anschließen wollen. "Die anderen stehen eher hinter uns. Dass sie vergangene Woche wieder öffnen durften, fanden sie super, stehen aber auch hinter uns, wenn sie jetzt wieder schließen müssen", betonte Müssle.

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Sollte Bertsch sein Modehaus tatsächlich öffnen und Kunden ohne Terminabsprache eintreten lassen, droht ihm ein Bußgeld. Dafür zuständig ist jedoch die Gemeinde Schömberg als Ortspolizeibehörde, nicht das Landratsamt. Müssle: "Wir können nur appellieren, sich an die Vorschriften zu halten, damit wir gemeinsam den Weg zurück in die Öffnung gehen können."

Drogerien bleiben geöffnet

Bertsch dagegen schimpfte: "Wir sind nicht der Treiber der Pandemie. Das ist erwiesen." Kein Verständnis habe er dafür, dass der Fachhandel schließen muss, aber Drogerien und Supermärkte geöffnet bleiben, ihr Sortiment stetig erweitern und dadurch selbst zu Fachhändlern werden. "Die Ware findet ihren Weg", verdeutlichte der Chef des Modehauses und verglich: "Wenn ich mit dem Bus von Schömberg nach Pforzheim fahren will, kann jeder einsteigen. Da interessiert es niemanden, wie voll der Bus ist."

In sein eigenes Geschäft durfte Bertsch bis gestern nur 38 Kunden gleichzeitig lassen. Diese dürfen ab jetzt erst dann eintreten, wenn sie online einen Termin beantragt haben. Bertsch ist kein Freund von diesem "Click & Meet"-Konzept: "Das verunsichert viele Kunden." Auch von der Forderung, mehr auf den Online-Handel zu setzen, hält der Unternehmer wenig: "Wir sind keine Online-Händler und wir wollen es auch nicht werden. Wir haben ein funktionierendes Geschäftsmodell."

Kunden stehen Schlange

Die spannende Frage bleibt: Wird Bertsch sein Vorhaben wirklich durchziehen? "Es wird Zeit für eine Revolution", sagte er gestern und verriet nur so viel: "Wir öffnen so, dass es klappt." Dann musste der Chef wieder zurück in den Verkaufsraum, wo die Kunden weiterhin Schlange standen. Bertsch schüttelte den Kopf: "Das ist so fahrlässig, was die Politik da macht. Die jagen uns regelrecht am letzten Tag die Kunden in den Laden rein. Die Politik hat wirklich keine Konzepte und Regeln, die die Leute verstehen und die Sinn machen."