Nur noch wenige Menschen, vor allem junge Menschen, entscheiden sich heutzutage für einen Beruf in der Altenpflege. Foto: Büttner

Altenheime stehen vor akuten Problemen. Mancher Träger engagiert Mitarbeiter von den Philippinen.

Kreis Rottweil - Im Altenpflegebereich mangelt es an Fachkräften – egal ob es die Pflege in der Familie oder in einer Betreuungseinrichtung betrifft. Woher sollen gut ausgebildete Mitarbeiter kommen? Wir haben uns im Landkreis umgehört.

Die Stiftung St. Franziskus mit Sitz in Heiligenbronn hat besonders mit den Folgen des Fachkräfte-Mangels zu kämpfen: Sie betreibt 14 Pflegeheime. Boris Strehle, Leiter des Aufgabenfelds Altenhilfe, führt als Hauptgrund den demografischen Wandel an. Dadurch wird es noch schwieriger, Nachwuchs für Pflegeberufe zu gewinnen.

Dass der Zivildienst weggefallen ist, wirkt sich darüber hinaus negativ aus. "Früher war der Zivildienst ein Türöffner", meint Strehle. "Viele sind durch die Verpflichtung im sozialen Bereich hängengeblieben." Weil vor allem Frauen im Pflegebereich tätig sind, fallen zudem immer wieder Mitarbeiterinnen aus, weil sie schwanger sind.

Das hat zur Folge, dass zunehmender Personalmangel herrscht. Die verbliebenen Mitarbeiter haben oft nicht mehr ausreichend Zeit, um die Heimbewohner zu versorgen. Dabei sollte die Fachkraftquote bei mindestens 50 Prozent liegen. Das heißt, jeder zweite Mitarbeiter muss eine Fachkraft sein.

Zusätzlich stelle der Personalschlüssel ein Problem dar, sagt Strehle. Der Schlüssel legt fest, wie viel Geld für das Personal zur Verfügung steht, erklärt Boris Strehle. Die Kostenträger – Krankenkassen und Kommunalverbände – errechnen den Personalschlüssel. Die Stiftung St. Franziskus verhandelt seit Februar 2014 mit ihnen. Die vorgesehene Zahl an Pflegekräften reiche nicht. "Uns ist die Pflege und Betreuung aber wichtiger", sagt Boris Strehle.

Deshalb plant die Stiftung St. Franziskus zehn Nach- beziehungsweise Neubesetzungen bis zum Jahresende, die sie aus eigenen Mitteln finanziert. "Das ist jedoch keine dauerhafte Lösung und mindert nicht die Forderung nach einem höheren Personalschlüssel", fügt Leiter Strehle hinzu.

Doch woher sollen die Fachkräfte kommen? Die Stiftung möchte die Plätze unter anderem mit Fachkräften von den Philippinen besetzen. Dort sei die Lage genau umgekehrt: Der "Überschuss" ist so hoch, dass die Pflegekräfte nach ihrer Ausbildung – die sei mit einem deutschen Bachelor-Studium zu vergleichen – bis zu fünf Jahren ehrenamtlich arbeiten, ehe sie eine Festanstellung bekommen. "Uns war es dabei wichtig, Menschen einzustellen, die unsere konzeptionellen und katholischen Werte und Ansichten teilen", begründet Strehle die Entscheidung.

Einrichtung arbeitet mit Organisation "Triple Win" zusammen

Ende September soll die erste von drei Philippinerinnen in das zur Stiftung gehörende Altenheim St. Elisabeth nach Rottweil kommen. Die Voraussetzung: Die Philippinerinnen müssen in ihrer Heimat eine B1-Sprachprüfung absolvieren. Dies soll gewährleisten, dass sie gut genug Deutsch sprechen können, um sich zu verständigen. Haben die Frauen dann hier in Deutschland noch die B2-Prüfung erfolgreich bestanden, steht der Beförderung von der Hilfs- zur Fachkraft nichts mehr im Wege.

Die Pflegeeinrichtung arbeitet dabei mit der Organisation "Triple Win" zusammen. Denn Ziel ist es, die qualifizierten Kräfte langfristig in Deutschland zu halten und zu integrieren. Für die Stiftung ist es der erste Versuch in dieser Richtung. Dennoch ist Sylvia Bültmann, Hausleitung von St. Elisabeth, positiv gestimmt: "Die Philippinen haben eine ganz andere Grundhaltung. Sie haben einen anderen Respekt vor dem Alter und helfen den Menschen aus reiner Nächstenliebe." Um den Frauen den Start zu erleichtern, mietet die Stiftung möblierte Wohnungen für sie an und stellt ihnen einen festen Ansprechpartner zur Verfügung.

Auch Sylvia Bültmann betrachtet den demografischen Wandel als Grund für den Fachkräftemangel. Zudem sei die Industrie im Moment attraktiver, und nicht zuletzt sei Altenpfleger ein sensibler Beruf, in den man "nicht jeden reinstecken kann". Das Bewusstsein für die Pflege habe abgenommen.

Peter Hirsch, Leiter des St- Josef-Altenzentrums in Dietingen, ist ebenfalls sehr unzufrieden mit der derzeitigen Lage. Träger ist die Arbeiterwohlfahrt im Kreis Rottweil. "Es geht allen gleich", meint er. Hirsch geht sogar noch einen Schritt weiter und sieht den Mangel nicht mehr als Mangel, sondern bezeichnet ihn als Versorgungsnotstand. "Es gibt eine Flucht aus diesem Beruf", sagt er.

Das erklärt sich Hirsch durch die enorme "emotionale Beteiligung" in diesem Berufsfeld und wiederum durch den demografischen Wandel. Auch er sieht die Konkurrenz zur Industrie als Problem an.

Über ausländische Fachkräfte habe er noch nicht nachgedacht, ausschließen würde Peter Hirsch es aber nicht.

Ganz anders wird die Situation im Altenheim in Wellendingen geschildert. Zum einen verfüge das "Pflegehaus am Schloss" über genug Arbeitskräfte, zum anderen komme sie mit dem vorgegebenen Personalschlüssel aus, sagt Pflegedienstleiterin Christine Bräucker-Schöbel. Grund dafür sei ein besonderes Schichtmodell, das in Wellendingen angewendet wird. Es mache den Arbeitsplatz attraktiver. Sie ist größtenteils zufrieden mit der Situation in Wellendingen.

"Triple Win" ist ein Projekt der deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ). Dabei werden qualifizierte, ausländische Fachkräfte von der zentralen Auslands- und Fachvermittlung, der Bundesagentur für Arbeit und der GIZ an Unternehmen nach Deutschland vermitteln. Ziel des Projekts ist ein dreifacher Gewinn – "Triple Win". Zum einen, werden laut GIZ die Arbeitsmärkte der Herkunftsländer entlastet, zum andern stoßen Geldsendungen von Migranten entwicklungspolitische Impulse in ihrem Herkunftsland an. Darüber hinaus wird der Fachkräftemangel in Deutschland gemindert.