So sieht ein Organspendeausweis aus. Doch noch ist die Bereitschaft, einen auszustellen, gering. Foto: Kay Nietfeld

Menschen bei Organspende verunsichert. Kassen agieren angesichts neuer Entscheidungsregelung abwartend.

Kreis Rottweil - Dass Spenderorgane unter Umständen Leben retten können, ist wohl unstrittig. Aber wer ist bereit, Organe zu spenden? Nach den jüngsten Skandalen heißt es auch im Kreis Rottweil oftmals abwarten.

Organspendeskandale haben die Republik in den vergangenen Wochen und zugleich das Vertrauen in die "Halbgötter in Weiß" erschüttert, zuletzt gab es einen Fall in Leipzig. Und das ausgerechnet zu einer Zeit, in der die Bundesbürger mit einem neuen Gesetz zum Organspenden motiviert werden sollten. Nun heißt es, Glaubwürdigkeit und Vertrauen zurückzugewinnen.

Seit vergangenen November sind gesetzliche und private Krankenversicherungen verpflichtet, alle Versicherten ab 16 Jahren im zweijährigen Rhythmus über die Organspende zu informieren und zu ihrer Einstellung zu befragen, sprich: den Versicherten alle zwei Jahre einen Organspendeausweis zu senden und sie entscheiden zu lassen. Auf Amtsdeutsch heißt das Entscheidungslösung. Die regelmäßige Auseinandersetzung mit dem Thema soll die Anzahl der Spendenwilligen erhöhen. Hintergrund ist, dass es noch immer viel zu wenige Spenderorgane in Deutschland gibt.

In Rottweil gaben AOK, IKK, Barmer und Allianz einstimmig an, dass sie momentan ihre Versicherten noch nicht schriftlich oder gar persönlich informiert hätten. Bei der AOK will man die Aufklärung des Organspendeskandals abwarten. Es sei wichtig, dass die Versicherten wieder Vertrauen gewinnen.

"Aufgrund der Skandale warten wir zunächst ab," führt Moritz Gaus von der IKK aus. Marion Busacker, Pressesprecherin der Barmer Baden-Württemberg, weist auf ausführliche Informationen zur Organspende auf den Internetseiten des Versicherers und in der Mitgliederzeitschrift hin. "Bis Ende des ersten Quartals informieren wir unsere Versicherten individuell." Vielleicht haben sich bis dahin die Wogen geglättet.

Volker Kauder setzt auf bessere Kontrollen

Tätig allerdings kann man jetzt schon werden. Die Ausweise liegen zum Beispiel bei den Krankenversicherungen und im Gesundheitsamt Rottweil aus. Das Dokument kann außerdem im Internet heruntergeladen werden.

Genaue Zahlen über die Anzahl derer, die in Besitz eines Spendeausweises sind, gibt es nicht, weil man sich hierfür nicht registrieren muss. Allerdings beobachten die Stellen, bei denen die Ausweise ausliegen, dass momentan nicht gerade ein Ansturm auf die Ausweise stattfindet.

Volker Kauder, hiesiger CDU Bundestagsabgeordneter, und selber seit Jahren in Besitz eines Organspendeausweises, hat sich fraktionsübergreifend mit seinem SPD-Kollegen Frank-Walter Steinmeier für die neue gesetzliche Regelung stark gemacht. Er ist überzeugt, dass "jede Organspende Leben retten kann."

Im Rottweiler Krankenhaus liegen die letzten vorgenommenen Organspenden schon etwas zurück, sie fanden 2001, 2005 und zuletzt 2007 statt. Dies hängt damit zusammen, dass es in Rottweil keine Neurochirurgie gebe, erklärt Jürgen Mehl, Leitender Oberarzt für Anästhesie und Intensivmedizin und Transplantationsbeauftragter der Helios-Klinik. Die Diagnostik des Hirntodes sei Voraussetzung für eine Organspende und Patienten in der Neurochirurgie seien hiervon häufiger betroffen als andere.

Sollte es dennoch zu einem möglichen Transplantationsfall in Rottweil kommen, wird Mehl Gespräche mit Angehörigen führen, interne Abläufe koordinieren, für die intensivmedizinische Versorgung des Organspenders sorgen, die Hirntoddiagnostik durchführen und die Deutsche Stiftung für Organtransplantation informieren. Die Stiftung fordert dann ein externes Explantationsteam an und kümmert sich um alle weiteren Schritte.

Kauder bedauert, dass die jetzt bekannt gewordenen Missstände Vertrauen zerstört haben. "Deshalb müssen jetzt Ärztekammern, die Stiftung Organtransplantation und die Bundesländer rasch handeln. Ich bin der Auffassung, dass wir die Zahl der Kliniken reduzieren müssen, an denen Spenderorgane übertragen werden. Dies würde die Kontrollen erleichtern", teilt er auf Anfrage mit. Das liege im Verantwortungsbereich der Bundesländer.

Bisher allerdings bremsen die jüngsten Skandale auch im Landkreis Rottweil den Erfolg der Entscheidungslösung, die zum Ziel hatte, mehr Spender zu gewinnen.

Weitere Informationen: www.organspendeausweis.org