Zwar werden bei Frauen häufiger Depressionen diagnostiziert. Doch der Anteil der Männer steigt rapide. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock/Lichtmeister

AOK-Studie belegt starken Anstieg bei Männern. Frauen begeben sich öfter in Behandlung.

Kreis Rottweil - Depressionen bei Männern nehmen im Kreis Rottweil stark zu. Dies geht aus einer aktuellen Auswertung der AOK Schwarzwald-Baar-Heuberg auf Grundlage ihrer Versicherten hervor.

Seit 2010 ist demnach die Zahl der Männer mit ärztlich festgestellten depressiven Episoden um 42 Prozent gewachsen. Bei den Frauen ist die Zahl der Diagnosen in den vergangenen fünf Jahren dagegen nur um rund 26 Prozent angestiegen. Insgesamt begeben sich aber Männer deutlich seltener in Behandlung als Frauen. Voriges Jahr haben die Ärzte bei rund 6250 Frauen eine Depression diagnostiziert, bei den Männern waren es dagegen nur rund 2750.

»Frauen können ihre Depressivität und Hilfsbedürftigkeit nachweislich besser zum Ausdruck bringen und akzeptieren als Männer«, erklärt Birgit Imdahl, Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Sozialmedizin in Rottweil sowie Landesvorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Psychiater in Baden-Württemberg. »Eine Depression ist noch immer für viele Männer ein Zeichen von Schwäche. Dabei ist wissenschaftlich erwiesen, dass es sich um eine Erkrankung handelt, die wie fast jede andere Erkrankung gut behandelbar ist.«

Täglicher Spaziergang trägt zu Genesung des Erkrankten bei

Eine »männliche Depression« äußere sich in Rückzug aus Freundeskreis und Familie, Reizbarkeit und Aggressivität und Abstreiten von Traurigkeit, so die Rottweiler Psychiaterin. Teilweise zeigten Betroffene auch berufliches Überengagement, um Beschwerden wie Konzentrationsstörungen und einen zunehmenden Energiemangel auszugleichen. Allerdings: Die vermehrte Behandlung von depressiven Männern könne darauf hindeuten, dass langsam eine Verhaltensänderung Einzug halte und Hilfe eher aufgesucht werde als früher, meint Imdahl. »Ein weiterer Grund für den starken Anstieg bei den Männern ist auch, dass vor allem Hausärzte stärker sensibilisiert sind und die Anzeichen von Depressionen bei Männern häufiger erkennen.«

Als besonders sensible Lebensphase gilt der Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand. In der Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen erreicht im Landkreis die Zahl der Diagnosen mit 16 Prozent aller Männer einen Höhepunkt. Danach geht die Anzahl der Diagnosestellungen zurück und übersteigt diesen Wert erst wieder bei den 80-Jährigen und Älteren.

»Sich mit seinem Beruf zu identifizieren, ist für Männer und ihre Gesundheit wichtig. Wenn man dann vor dem Ruhestand steht, kann das bei manchen zu psychischen Problemen führen, wenn Hobbys oder andere sinngebende Beschäftigungen wie Ehrenämter fehlen«, so Imdahl. Als nahe stehende Person könne man in solch einer Situation helfen, indem man den Betroffenen bei einem aktiven Umgang mit der Erkrankung unterstütze und seine Hilfe zum Beispiel beim Arztbesuch anbiete. Die Betroffenen könnten aber auch selbst zu ihrer Gesundung beitragen«, erklärt die Psychiaterin. Hier komme körperlicher Betätigung eine große Bedeutung zu, »auch der tägliche Spaziergang und Tätigkeiten, die nichts mit Leistung zu tun haben, unterstützen die Genesung«.