Werden in Zukunft in Freudenstadt mehr Babys geboren, weil die Geburtshilfe in Nagold geschlossen wurde? Foto: Grubitzsch

Kann Freudenstadt von der Schließung der Geburtshilfe Nagold profitieren? Großmann: "Freund von Kooperationen."

Freudenstadt/Nagold - Die Geburtshilfe im Nagolder Krankenhaus ist endgültig dicht, der Aufsichtsrat der Kreisklinikien Calw gGmbH hat sich im Einvernehmen mit der Geschäftsführung des Klinikverbunds Südwest für die dauerhafte Schließung der Belegabteilung ausgesprochen. Könnte davon das Freudenstädter Krankenhaus profitieren und streckt die KLF nun ihre Fühler in den Nagolder Raum aus?

Dies hält Nagold Oberbürgermeister Jürgen Großmann nicht für abwegig. "Ich habe damit kein Problem, wir leben in einem freien Land", will er im Gespräch mit unserer Zeitung nicht den Eindruck vermitteln, dass er eine Offensive aus Freudenstadt kritisieren würde.

In seiner Funktion als Aufsichtsratsmitglied des Klinikverbunds Südwest habe er aber auf diesen Umstand hinweisen wollen, dass nach der Schließung der Geburtshilfe in Nagold nicht automatisch die Frauen in Krankenhäuser des Klinikverbunds Südwest gehen könnten.

Eine Chance tut sich also auf für die Krankenhäuser Landkreis Freudenstadt gGmbH (KLF). Dies wird in der Geschäftsführung auch so wahrgenommen. "Selbstverständlich werden alle Patienten – auch aus dem Raum Nagold und dem weiteren Einzuggebiet – bei uns gerne aufgenommen", sagt Katrin Böker, Assistentin der KLF-Geschäftsführung, im Gespräch mit unserer Zeitung. Im vergangenen Jahr gab es im Freudenstädter Krankenhaus 970 Geburten. In diesem Jahr sei eine ähnliche Zahl zu erwarten. Das Potenzial für zusätzliche Geburten sei aber durchaus vorhanden, so Böker. Es gebe noch Luft nach oben.

Eine verstärkte Werbung für das Krankenhaus im Nagolder Raum sei aber derzeit geplant. Dass die KLF einen Vortrag in Altensteig angeboten habe, sei eher zufällig gewesen und aus einem privaten Kontakt heraus entstanden, so Böker. Mit der Schließung der Abteilung in Nagold und der Klinikschließung in Horb wird die Klinik-Landschaft in der Region weiter ausgedünnt. Nagolds OB verfolgt diese Entwicklung mit großer Sorge und sieht vor allem Bund und Land am Zug. "Die Antwort kann nicht immer lauten: Es trägt sich nicht, also müssen wir schließen." Großmann sieht aber auch Kooperationen in der Region – also auch zwischen dem Klinikverbund Südwest und der KLF – nicht ad acta gelegt. "Wir dürfen Türen nicht zuschlagen." Was jetzt vielleicht noch nicht reif oder machbar sei, sei vielleicht in der Zukunft eine Option. "Ich bin ein Freund von Kooperationen."

Die Nagolder CDU denkt unterdessen über eine Option nach: die Übernahme des Nagolder Krankenhauses in städtische Regie. Hintergrund: Sollte das neueste Klinikgutachten umgesetzt werden – mit einem Neubau einer kleinen Calwer Klinik für 30 Millionen Euro und einer Schwerpunktversorgung in Nagold – würde ein wirtschaftlich gesundes Nagolder Haus ein weiter defizitäres Calwer Klinikum mittragen.

So ist es in dem Gutachten vorgesehen. "So einfach geht es nicht, dass man das Nagolder Krankenhaus rauslöst", erklärte deswegen Landrat Helmut Riegger im Gespräch mit unserer Zeitung. Man brauche das Geld, das in Nagold erwirtschaftet werde, um Calw aufrecht zu erhalten. Riegger: "Ich glaube, dass die Stadt Nagold sich da verheben würde."

Den Nagolder CDU-Stadtverband mit dem Vorsitzenden Kurt Reich und dem Fraktionschef Wolfgang Schäfer an der Spitze treibt bei seinen Gedankenspielen vor allem eine Sorge um: "Dass bedingt durch die öffentliche Diskussion und den dadurch entstehenden Druck es darauf hinausläuft, dass man sich wie vor zehn Jahren versucht durchzulavieren", erklärte Schäfer im Gespräch mit unserer Zeitung. Und er ist überzeugt: "Ein Weiter-so wäre der Tod beider Krankenhäuser."

"Die Nagolder CDU hat das Gutachten offenbar genau gelesen und den Kern begriffen", reagierte Großmann auf die von seinen Parteikollegen angestrengten Überlegungen und findet offenbar auch Gefallen daran: "Ich halte es für eine interessante und gute Perspektive." Sollte das Nagolder Haus wie von den Gutachtern vorgeschlagen zu dem 269-Betten-Klinikum mit Schwerpunktversorgung ausgebaut werden, würde es laut GÖK-Consulting im Jahr 2020 einen Überschuss von 5,3 Millionen Euro jährlich abwerfen. Als CDU-Fraktionschef im Kreistag weiß Großmann indes auch um die Klippen einer kommunalen Lösung: "Ich wäre sehr überrascht, wenn der Landkreis Calw gerade dort die Trägerschaft aufgibt, wo er Geld verdienen kann."

Vor allem Geld, das er dazu bräuchte, wie Landrat Riegger betonte, um Calw halten zu können. Die Calwer Klinik würde laut Gutachten im Jahr 2020 4,4 Millionen Euro Verluste schreiben.

Die Schließung der Geburtshilfe in Nagold erinnert in der Begründung an die Schließung des Horber Akut-Krankenhauses. Grundlage für den Nagolder Fall ist ein strategisches Gutachten der GÖK Consulting AG zur medizinischen Entwicklung und wirtschaftlichen Sanierung 2020 für die Kreiskliniken Calw. Die Personaldecke in der Geburtshilfe habe bereits seit 22. Oktober eine reguläre 24-Stunden-Besetzung im Dreischichtbetrieb unter Einhaltung der arbeitsrechtlichen Vorgaben nicht zugelassen, sodass der Betrieb seither ruhte. Das endgültige Aus begründet der Klinikverbund Südwest damit, dass zu wenig Belegärzte bereit gewesen seien, die geburtshilfliche Abteilung aufrecht zu erhalten und zudem zu wenige Hebammen verfügbar gewesen seien. Der Fachkräftemangel und die geringe und stetig weiter sinkende Geburtenrate hätten schließlich zu dieser Entscheidung geführt. Immense Zuschüsse wären nötig gewesen, um die Abteilung künftig verlässlich und rechtssicher zu betreiben, so Geschäftsführerin Elke Frank. Der Klinikverbund Südwest hofft nun, dass die schwangeren Patientinnen in die Krankenhäuser nach Calw, Herrenberg oder Böblingen gehen.