Im Kreis Calw schaffen es Notärzte nicht immer, die vorgegebene Hilfsfrist einzuhalten. Schuld könnte unter anderem die hohe gesetzliche Hürde sein. Foto: obs/Björn Steiger Stiftung Service GmbH

Mediziner halten Hilfsfrist nicht immer ein. DRK-Kreisgeschäftsführer: "Gesetzliche Hürde ist sehr hoch." MIt Kommentar.

Kreis Calw - Im vergangenen Jahr sind die Notärzte im Kreis Calw zu tausenden Einsätzen ausgerückt. Bei 3805 dieser Notfälle hätte die vom Land Baden-Württemberg vorgeschriebene Hilfsfrist von 15 Minuten eingehalten werden sollen. Rund 403 Mal waren die Helfer später dran. In etwa 213 dieser Fälle hätte dies nicht passieren dürfen.

Denn laut der Vorgabe des Landes muss bei 95 Prozent aller Einsätze die Frist einer Viertelstunde eingehalten werden. Bei den Rettungswagen gebe es da auch kein wirkliches Problem, sagt Alexander Huth, Geschäftsführer des Kreisverbandes Calw des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). "Da bewegen wir uns um die 95 Prozent", so Huth. In den vergangenen Jahren habe die Quote sogar meist darüber gelegen.

Bei den Notärzten sieht das anders aus. Diese waren in lediglich 89,4 Prozent aller Fälle pünktlich. Huth weiß, woran das unter anderem liegt. So gebe es im Kreis nur drei Krankenhäuser, von denen aus ein Notarzt geschickt werden könne: Calw, Nagold und Bad Wildbad. Zusätzlich gebe es einen Notarztstandort in Altensteig, mit "zugekauften" Medizinern vom Tübinger Institut für Katastrophenmedizin. "Darüber hinaus sieht es mau aus", erklärt Huth.

Notärzte werden verhältnismäßig schlecht bezahlt

Denn für weitere Standorte, so der Kreisgeschäftsführer, gebe es keine Ärzte. Laut Elke Frank, der Geschäftsführerin des Klinikverbundes Südwest, sind personelle Schwierigkeiten dieser Art unter anderem der zu geringen Finanzierung durch den Bund geschuldet. Zudem werde eine Tätigkeit als Notarzt verhältnismäßig schlecht bezahlt. "Wir verhandeln deshalb zur Zeit mit den Krankenkassen, wegen der Vergütung der Notärzte", so Frank. Doch die Geschäftsführerin will auch den Kassen nicht den schwarzen Peter zuschieben. Letztlich seien gesetzliche Vorgaben verantwortlich.

Huth meint weiter, die Problematik werde auch dadurch verschärft, dass nicht jeder Mediziner als Notarzt arbeiten dürfe. Dafür sei eine spezielle Zusatzausbildung in Notfallmedizin erforderlich, die rund ein halbes Jahr in Anspruch nehme. Gerade in ländlichen Gegenden ist es für niedergelassene Ärzte schwierig, sich für einen so langen Zeitraum fortzubilden – und gewissermaßen die eigene Praxis im Stich zu lassen. Doch auch bei jenen, die eine solche Zusatzqualifikation vorweisen können, gebe es gewisse Schwierigkeiten, erzählt Frank. Denn die Abweichung von der Hilfsfrist entstehe bei diesen Medizinern häufig dadurch, dass sie zunächst von zu Hause abgeholt werden müssen.

Doch auch in der doppelten Hilfsfrist, die es nur in Baden-Württemberg gibt, sieht Huth einen Grund für das verhältnismäßig schlechte Abschneiden. In den restlichen Bundesländern werde die Hilfsfrist lediglich an dem als Erstes eintreffenden Hilfsdienst gemessen. "Die gesetzliche Hürde ist hier also sehr hoch gelegt", erläutert Huth. Frank sieht das genauso. So sei es natürlich wichtig, dass gerade die Rettungswagen die Fristen einhalten. Bei den Vorgaben für Notärzte könne es dagegen sinnvoll sein, die Prozenthürde leicht zu senken oder die Hilfsfristen geringfügig zu erhöhen.

Dennoch werde man natürlich etwas tun, um die derzeitigen Fristen künftig einzuhalten. "Wir müssen das Stück für Stück angehen", betont Frank. Auch das DRK will sich keineswegs auf diesen – wenn auch plausiblen – Erklärungen ausruhen. "Deshalb sind wir auch auf der Suche nach Notärzten vor Ort", erzählt Huth. In Schömberg ist ein solcher beispielsweise bereits gefunden worden. In Kürze soll diesem auch dauerhaft ein Einsatzfahrzeug zur Verfügung stehen.

Zudem, so Huth, sei erst im vergangenen Jahr eine DRK-Wache von Calmbach nach Bad Wildbad verlegt worden. Somit können die Ärzte dort ohne Umweg direkt aufgenommen werden, was wiederum eine Zeitersparnis zur Folge hat. Darüber hinaus sei eine Kooperation mit der Waldklinik auf dem Dobel geplant. Allerdings fehlen dort derzeit noch Mediziner mit besagter Zusatzqualifikation für Notfallmedizin.

Kommentar: Not(-arzt)stand?

Von Ralf Klormann

Die Notärzte im Kreis Calw kamen 2013 in 403 Fällen zu spät. Sollten jetzt alle Alarmglocken schrillen? Gibt es Grund zur Panik? Mitnichten. Denn »zu spät« beginnt bei den vorliegenden Zahlen theoretisch ab einer Fristüberschreitung von Sekunden. Zumal zu diesem Zeitpunkt meist bereits ein Rettungswagen vor Ort ist. In anderen Bundesländern gilt das als völlig ausreichend, um die Statistik gut aussehen zu lassen. Fraglich also, wie aussagekräftig die Daten eigentlich sind. Nebenbei bemerkt: Wie oft die Sanitäter deutlich früher als vorgegeben zu Einsätzen kommen, wird nicht erwähnt. Natürlich ist es wichtig, dass das DRK das Problem in Angriff nimmt. Denn manchmal geht es tatsächlich um Sekunden. Ob es aber so schlimm aussieht, wie die aufgetischten Zahlen nahelegen, darf bezweifelt werden. Kein Grund also, gleich den Not(-arzt)stand auszurufen.