Auch in Nagold gingen die Klima-Aktivisten kürzlich auf die Straße. Foto: Fritsch

Bewegung wird von lokaler Politik ernst genommen. Fridays-for-Future-Aktivisten tragen Forderungen vor.

Kreis Calw - Die mittlerweile in Calw und Nagold verankerte Bewegung "Fridays for Future" (FFF) wird zunehmend auch von der lokalen Politik erst genommen. Landrat Helmut Riegger gab vier jungen FFF-Aktivisten die Gelegenheit, ihre Forderungen für einen lokalen Klimaschutz dem Kreistag vorzutragen. Sie gipfelten in dem Appell, dass der Kreis Calw – als erster Landkreis überhaupt – den Klimanotstand ausrufen soll.

So jung war das Podium im großen Sitzungssaal selten besetzt. Wo sonst die Spitzenbeamten der Kreisverwaltung sitzen, hatten vier selbstbewusst auftretende Aktivisten aus Calw und Nagold Platz genommen: Jonas Mayer, Jessica Hubbard, Florian Stare und Jascha Grüner. Der Landrat hatte schon eine Woche zuvor eine Delegation der Jugendbewegung empfangen, die zunehmend mit Demonstrationen in Calw und Nagold auf sich aufmerksam macht: "Es tut der Politik gut", sagte Riegger vor dem Kreistag, "dass sie sich solchen jungen Menschen nicht verschließt." Deswegen hatte er auch Vertreter der Jugendbewegung zu Vortrag und Diskussion in die letzte Sitzung des amtierenden Kreisparlaments eingeladen, wissend, dass dies eigentlich "nicht üblich ist".

Landrat: "Da ist noch Luft nach oben"

Riegger verwies eingangs auf die Initiativen des Kreises im Bereich der erneuerbaren Energien, auf den seit 2018 eingestellten Klimamanager, auf die 100 Ladestationen für Elektrofahrzeuge im Landkreis und auf die E-Car-Sharing-Fahrzeuge, um gleichwohl zur Selbsterkenntnis zu gelangen: "Da ist noch Luft nach oben".

Der Forderungskatalog, den die jungen Leute schließlich den Kreisräten vorlegten, war moderat: Ganz oben stand ein kostenloser Öffentlicher Nahverkehr an den Wochenenden, so wie es der Kreis Göppingen bereits praktiziere. Mehr ökologisches Bauen und insbesondere die Förderung von Sozialwohnungen sprach besonders der SPD-Fraktion aus dem Herzen, die schon seit Jahren das Wohnungsthema voranzutreiben sucht. Auch das Radwegenetz im Kreis müsse ausgebaut und erneuert werden. Dass mancher Radweg mitten im Feld ende, sei frustrierend, erklärte Jessicca Hubbard. Und dabei dürfe man nicht nur die Radler, die als Touristen oder in ihrer Freizeit mit dem Drahtesel unterwegs seien, im Auge haben, sondern auch den Pendelverkehr.

Weitere Forderungen: mehr Grünstreifen für bedrohte Tier- und Pflanzenarten, eine lokale Wiederaufforstung, Stopp für innerörtliche Baumfällungen und eine kreisweite Aktion zur Aufklärung der Verbraucher in Sachen Lebensmittelkonsum. Eine Chance für den Kreis Calw sei es, als Biomusterregion den Verkauf von lokalen Bio-Lebensmitteln zu fördern. Bislang gebe es fünf solcher Musterregionen in Baden-Württemberg. "Das ist positiv fürs Klima und stärkt die lokale Landwirtschaft". In öffentlichen Gebäuden müssten nach Meinung der Jugendbewegung Fotovoltaik- und Solaranagen Pflicht werden. Und: Der Kreis Calw müsse als erster Landkreis überhaupt selbst den Klimanotstand aufrufen.

Aktivisten stellen Forderungskatalog auf

Die Kommunalpolitiker nahmen den Forderungskatalog quer durch alle Fraktionen offen und ausgesprochen wohlwollend zur Kenntnis: "Das sind einige Ansätze, die wir aufgreifen können", meinte Landrat Helmut Riegger. Saskia Esken von der SPD schlug ein Beteiligungsgremium auf Kreisebene vor, in dem die jungen Menschen aktiv mitwirken könnten. CDU-Fraktionschef Jürgen Großmann lud die FFF-Aktivisten gleich zu einer Fraktionssitzung ein, um sich auszutauschen. Auch Volker Schuler, Fraktionschef der Freien Wähler, sagte den jungen Leuten eine "wohltuende Begleitung" zu.

Johannes Schwarz, Fraktionsvorsitzender der Grünen, fand, dass die vier Aktivisten einen "sehr maßvollen" Forderungskatalog aufgestellt hätten: "Das war nicht utopisch. In jedem Punkt können wir kreispolitisch aktiv werden." Schwarz monierte bei dieser Gelegenheit aber auch, dass der zuständige Kreistagsausschuss schon vor zwei Jahren ein Klimaschutzbudget verabschiedet, aber bis heute kein Arbeitskreis getagt habe. Schwarz: "Bislang ist immer noch ein Desinteresse in unserem Gremium da." Der Grünen-Chef schlug vor, dass auch die ältere Generation sich einbringen soll: "Jung und Alt – das müsste die Lösung sein." Ihm schwebt ein Bürgerforum Klimaschutz vor. Auch Landrat Riegger sah den Kreis in der Pflicht: "Wir haben einen Klimaschutzmanager. Da muss jetzt was kommen".

Nur Karl Braun von der FDP mahnte zur Zurückhaltung: "Klimakatastrophen gab es immer schon". Das Thema sei ernst, aber man dürfe politisch daraus kein Kapital schlagen: "So schlimm finde ich’s nicht". Die jungen Aktivisten hielten entgegen: "Der Klimawandel ist von Menschen gemacht". Wenn man jetzt nicht gegensteure, drohe "irgendwann ein massives Artensterben" und eine Kettenreaktion, die die gesamte Flora auslöschen und Hungerkatastrophen auslösen könnte: "Dann gibt es kein Zurück mehr. Das wär dann das Ende von unserem Planeten".