Die engagierten Klimafreunde halten einen symbolischen Sitzstreik vor dem Rathaus ab. Foto: Fritsch

Ortsgruppe fordert generationenübergreifenden Protest für Freiheit, Gleichheit und Nachhaltigkeit ein.

Nagold - Die Sorgen der "Fridays For Future"-Bewegung haben nun auch Nagold fest im Griff. Ihre dringlichsten Forderungen elektrisieren nicht nur die jungen Nagolder.

Die Verwunderung unter den Passanten ist alles andere als gering, als sich der Zug unüberhörbarer Schüler seinen Weg durch die Straßen Nagolds bahnt. "Wir sind hier, wir sind laut. Weil ihr unsere Zukunft klaut", lautet die durchdringendste der Parolen, die die Schülerschar skandiert. "Wir sind heute hier, weil wir etwas bewegen wollen und zeigen möchten, dass man gemeinsam viel erreichen kann", erklärt Steffen Schnürer. Der 26-jährige Ebhausener ist einer der Hauptinitiatoren des Nagolder Ablegers der "Fridays for Future"-Bewegung. Zusammen mit einer Hand voll engagierter Schüler organisierte er den Demonstrationszug, der ausgehend vom Jugendzentrum über den Vorstadtplatz, durch den Kleb und dann wieder zurück zum Startpunkt führt. Eine Zahl Jugendlicher im dreistelligen Bereich ist dem Aufruf gefolgt. Einen kurzen Stopp zur anschließenden Liege-Streikaktion gibt es vor dem Rathaus. Eine unmissverständliche Aufforderung zum Handeln. Dann setzt die Menschentraube ihren Weg über den Kleb fort und findet sich schließlich wieder vor dem Youz ein.

Doch nicht nur junge Menschen haben den Weg vor das Jugendzentrum Youz gefunden. Unter all den jungen Gesichtern fällt eine Gruppe besonders auf, die sich eigentlich lieber im Hintergrund halten möchte. Allerdings konnte es sich der Verein "Omas gegen Rechts" selbstverständlich nicht entgehen lassen, die Enkel-Generation durch seine Präsenz zu unterstützen. "Wir finden es bewundernswert, was die jungen Leute hier auf die Beine gestellt haben", erklärt die Vorsitzende Anna Ohnweiler. "Aber wir sind heute nicht hier, um uns in den Vordergrund zu stellen. Nun ist die junge Generation dran. Wir stehen voll dahinter."

Doch nicht nur der rüstige Rentnerverein zeigt heute Präsenz. Auch Vertreter politischer Parteien haben sich vor dem Jugendzentrum versammelt. Neben Vertretern der SPD und den Grünen ist auch Bürgermeister Hagen Breitling vor Ort, um sich in einer öffentlichen Diskussionsrunde den Fragen der Aktivisten zu stellen. Mit dabei ist auch der Leiter des Stadtplanungsamts Ralf Fuhrländer.

"Wieso machen Sie nicht mehr für den öffentlichen Nahverkehr? Wieso kann man nicht beispielsweise die Parkgebühren erhöhen, um die Leute zum Bus fahren zu bewegen?" lautet eine der vielen Fragen, denen sich die Vertreter der Stadt stellen müssen. "Nagold ist eine Stadt im ländlichen Raum", erklärt Breitling den Sachverhalt, "viele Menschen wohnen außerhalb, müssen aber zum Arbeiten hierher. Denen wäre nicht geholfen, wenn wir die Parkgebühren explodieren lassen würden. Was den Zugverkehr angeht, setzt sich die Stadt schon seit langem für eine bessere Anbindung nach Stuttgart ein." Im weiteren Verlauf der Debatte weist Breitling außerdem darauf hin, dass sämtliche städtische Einrichtungen mit Ökostrom versorgt werden. Auch sei man sehr stolz auf das Wasserkraftwerk beim Badepark, mit dem vor allem dessen Energiebilanz über den Winter verbessert werden konnte. Ein weiteres Projekt, mit dem man sich aktuell beschäftigt, ist die energetische Sanierung mehrerer Schulgebäude der Stadt.

Weniger aufwendig waren die Maßnahmen, die zur allgemeinen Sicherheit während der Demonstration getroffen werden mussten. Die Polizei Nagold hatte hierfür vier Beamte im Einsatz, um den Verkehr am Vorstadtplatz umzuleiten. Für die Begleitung der demonstrierenden Menschenmenge war lediglich ein Beamter von Nöten. Diese Aufgabe übernahm Erhard Schulz, welcher nach eigener Aussage der einzige Beamte mit Demo-Erfahrung ist. Der Anti-Konflikt-Experte bewertet die Situation positiv: "Es war quasi kein Gefahrenpotenzial vorhanden. Von all den Demonstrationen, die ich miterlebt habe, war das definitiv eine von den angenehmeren." Ersten Schätzungen des stellvertretenden Revierleiters zufolge sind rund 150 Teilnehmer zur Demonstration gekommen. Die Veranstalter der Demonstration zählten hingegen rund 260 Teilnehmer. Beide Zahlen übertreffen jedoch die Erwartungen der Initiatioren, die mit maximal 100 Teilnehmern gerechnet hatten.

Ein Passant, der das Treiben argwöhnisch beobachtet, kritisiert: "Es würden nicht so viele Autos gebaut und Tiere geschlachtet werden, wenn es nicht so viele Käufer gäbe. Das gilt auch für die Aktivisten hier. Wer Wasser predigt, sollte keinen Wein saufen." Der Vorwurf, die Schulschwänzer würden es privat mit ihrer Politik nicht so ernst nehmen, ist ein beliebtes Argument, auf das die Ortsgruppe jedoch ein paar pfiffige Antworten hat. Viele von ihnen sind Vegetarier und verzichten bewusst auf Fleisch, weil sie kritisieren, mit welchen Umweltbelastungen die Produktion verbunden ist. "Einen Führerschein hab ich noch nicht", erzählt einer der Aktivisten, "aber selbst wenn ich einen habe, werde ich nach Möglichkeit auf den ÖPVN setzen".

Besonders smart ist die Konstruktion, die sich auf dem Rücken seines Kollegen befindet. Dieser trägt einen mit einer Solarzelle versehenen Rucksack, welcher dem Begriff "Mobiltelefon" einen neuen Anstrich verleiht. Der Grat zwischen Fordern und Handeln ist zumindest bei der FFF-Ortsgruppe Nagold ein durchaus schmaler. Und ein Ende ist noch nicht in Sicht. Auch soll es bei dieser einen Demonstration nicht bleiben. Für den nächsten Freitag kündigten die Initiatioren bereits die nächste Aktion in Calw an.