Was bringt die Krankenhaus-Fusion mit sich? Dieser Frage spürte ein Fachanwalt für Gesellschaftsrecht nach. Sein Ergebnis ist überraschend deutlich: Bleibe es beim vorgelegten Fusions-Vertrag, spricht er unter anderem von einem „unkalkulierbaren Kostenrisiko“ für den Kreis Calw.
Viel wurde in den vergangenen beiden Wochen über das Kreistagsmitglied Eberhard Bantel (Freie Wähler) gesprochen, geschrieben und berichtet.
Bantel hatte mit einem Eilantrag bewirkt, dass die Beschlüsse des Calwer Kreistags zum Medizinkonzept 2030 sowie zur Fusion der Klinikgesellschaften für nichtig erklärt wurden. Die Entscheidung fällte das Verwaltungsgericht Karlsruhe, nachdem der Kreisrat fehlende Vorbereitungszeit bemängelt hatte.
Jetzt meldet sich Bantel selbst zu Wort – in einem Schreiben an die Mitglieder des Kreistags sowie Landrat Helmut Riegger, das auch unserer Redaktion vorliegt. Darin begründet der Kreisrat sein Vorgehen.
Brisant ist jedoch vor allem der Anhang des Schreibens: eine Stellungnahme des Rechtsanwalts Christian Kühn zum Gesellschaftsvertrag. In letzterem sind die Bedingungen der Klinik-Fusion niedergeschrieben.
Das sagt Bantel Bantel verteidigt sein Vorgehen ganz generell. Die Beschlüsse aussetzen zu lassen, sei keineswegs durch „bloße Förmelei“ begründet gewesen; vielmehr habe er damit die notwendige Zeit erhalten wollen, um die „Vorbereitungs- und Abstimmungsmöglichkeit für den Kreistag“ wiederherzustellen.
Dass dies offenbar auch juristisch berechtigt war, bestätigte bekanntermaßen das Verwaltungsgericht, indem es Bantels Eilantrag stattgab.
Entscheidende Details seien im Kreistag behandelt
Die so gewonnene Zeit sei nun genutzt worden, um „gewichtige Argumente und rechtliche Risiken am Fusionsvertrag genau zu betrachten, zu bewerten und dem Kreistag zur Kenntnis zu bringen“, heißt es in dem Schreiben.
Entscheidende Details seien nicht ausführlich im Kreistag behandelt worden. Das Vorgehen ganz allgemein kritisiert er als überstürzt.
„Besonders wichtig ist mir, Schaden vom Landkreis abzuwenden, berechtigte Kritik zu äußern und auf Fehler hinzuweisen, die uns möglicherweise in der Zukunft erhebliche Probleme bereiten könnten“, führt Bantel aus.
Es sei auch die Aufgabe des aktuellen Kreistags, mögliche Fallstricke zu beseitigen, mit denen erst spätere Gremien vielleicht zu kämpfen haben werden.
Und „nur weil mit einem anderen Landkreis vereinbart wurde, alles bis Dezember 2023 unter Dach und Fach zu bringen“, rechtfertige das nicht, sich weniger sorgfältig als bisher mit dem Thema zu befassen.
Es sei „wichtig, sicherzustellen, dass wir uns nicht sorglos in eine Ecke manövrieren, aus der wir nicht mehr herauskommen“, weil der Kreis Calw nicht mehr mitreden dürfe.
Von verschiedenen Seiten kritisiert
Insbesondere die im Vertrag enthaltenen Kündigungsfristen sowie die Regelungen, wer in welcher Höhe Verluste tragen müsse, gelte es „mit aller gebotenen Sorgfalt“ zu prüfen. Diese beiden Punkte wurden bereits von verschiedenen Seiten kritisiert.
Auch der Rechtsberater des Kreistags habe bei einigen Inhalten des Vertrags noch Klärungsbedarf gesehen; der Anwalt, so Bantel, müsse daher zur Sitzung des Kreistags am 18. März kommen.
„Um jedweden Anschein der Befangenheit auszuschließen“ reiche es nicht, sich auf Berater des Klinikverbundes oder des Landkreises Böblingen zu verlassen.
„Es hilft niemandem, einen nicht rechtssicheren Gesellschaftsvertrag zu verabschieden, bei dem entweder ein Gericht oder das Regierungspräsidium berechtigte Zweifel anmelden und wir alles nochmal einmal neu aufrollen müssen“, meint Bantel.
Das sagt der Rechtsanwalt zum Vertrag Dass es Zweifel am Vertrag geben könnte – insbesondere hinsichtlich der Frage, ob der Kreis Calw gut wegkommt –, scheint eine Stellungnahme des Rechtsanwalts Kühn deutlich zu bestätigen.
In zwei extremen Rechenbeispielen zeigt Kühn auf, dass der Kreis Calw ab 2030 das Nachsehen haben könnte, wenn es um den Ausgleich der Klinik-Verluste geht – beispielsweise dann, wenn das Defizit im Kreis Calw sinken, im Kreis Böblingen aber steigen sollte.
Kreis kann es nur noch bedingt beeinflussen
Laut Vertragsentwurf soll die Verlustverteilung ab 2030 auf eine feste Quote umgestellt werden, die anhand vergangener und kommender (Plan-)Jahre berechnet wird.
Der Fachanwalt für Gesellschaftsrecht kommt daher zu dem Ergebnis, die Regelungen „zum Verlustausgleich führen zu einem unkalkulierbaren Kostenrisiko für den Landkreis Calw“. Zudem seien diese Regelungen zu unbestimmt und daher nicht rechtssicher.
Das Risiko für den Kreis Calw sei auch darin begründet, dass dieser gesellschaftsrechtliche und wirtschaftliche Prozesse aufgrund seiner Beteiligungshöhe nur bedingt beeinflussen könne.
Und apropos Einfluss des Landkreises Calw: Den sieht Kühn auch im künftigen Aufsichtsrat gefährdet, sollte der Entwurf so umgesetzt werden, wie er derzeit vorliegt – zumindest in Sachen Arbeitnehmervertreter. Von jenen sollen dem Gremium nur insgesamt zwei angehören.
Allerdings stehe nirgends geschrieben, dass einer davon aus dem Kreis Calw kommen müsse. Daher sei „zu befürchten, dass die Interessen der Arbeitnehmer des Landkreises Calw zukünftig nicht ausreichend berücksichtigt werden“.