Gute Laune gibt es in in der Koalition oft nur zu Lasten des dritten Partners. Foto: picture alliance/dpa/Kay Nietfeld

Viele Spannungen in der Koalition sind Folge des Vakuums, das Kanzler Scholz erzeugt. Die Kabinettsklausur in Meseberg soll einen Neustart ermöglichen.

Ab heute ziehen sich die Ampelkoalitionäre für zwei Tage hinter die Barockmauern des Schosses Meseberg zur Klausur zurück. Tatsächlich ist es höchste Zeit zum Reden. Miteinander – nicht übereinander. Zuletzt fiel es ausgesprochen schwer zu glauben, dass die drei Partner noch am selben Strang ziehen. Erst warfen SPD und Grüne dem FDP-Vorsitzenden und Finanzminister Christian Lindner vor, bei seinen Steuerplänen in erster Linie die ganz gut Verdienenden im Blick zu haben. Dann bescheinigten FDP und SPD dem grünen Wirtschaftsminister Habeck, handwerkliche Fehler bei der Gasumlage. Und natürlich gibt es weiterhin das gemeinsame Grummeln von Grünen und FDP über den im Ukraine-Konflikt ihrer Meinung nach zu zögerlichen Kanzler. Jeder gegen Jeden also – bei ständig wechselnden Fronten. Und schaut man sich die schärfer werdende Wortwahl genauer an, sind wir nicht mehr so weit entfernt von der „Gurkentruppe“ und den „Wildsauen“ – Vokabeln, die einst bei den herzhaften Streitigkeiten zwischen den Regierungspartnern CSU und FDP beiderseits genussvoll bemüht worden waren.

Noch nie hatte eine Regierung so viele Krisen gleichzeitig zu meistern

Man muss daraus kein Zerwürfnis ableiten. Vieles ist den – neuen – Umständen geschuldet. Natürlich erzeugt das Regieren eines Dreierbündnisses ein stärkeres Hintergrundrauschen als die gewohnten Koalitionen eines großen und eines kleinen Partners. Obwohl ja etwa im Mit- und Gegeneinander von Union und FDP Heftigkeiten aller Art auch eher die Regel als die Ausnahme darstellten. Hinzu kommt die Tatsache, dass noch nie eine Bundesregierung eine solche Häufung von sich überlagernden Krisen zu bewältigen hatte: Klima-, Ukraine-, Corona- und Energiekrise: alle gleichzeitig und allesamt Antworten erfordernd, die eben nicht mehr mit dem Werkzeugkasten traditionellen Politik-Managements zu bewältigen sind. Und allen Regierungsparteien brechen alte Leitplanken ihres Denkens und ihrer Identität weg: Der SPD die Überzeugung, dass eine friedliche stabile Beziehung zu Russland herstellbar und dem kontinentalen Frieden zutiefst dienlich ist. Den Grünen der Glaube, dass Politik einen pazifistischen Kern haben muss und Waffenlieferungen Konflikte befeuern statt sie zu lösen. Am schwersten trifft es vielleicht die FDP, die einsehen muss, dass Krisensituationen nicht vom Markt allein geregelt werden, sondern den Staat als klugen Organisator von Übergangsprozessen dringend benötigen. Das alles erklärt einen großen Teil der Unruhe.

Eifersüchteleien befeuern den Koalitionskrach

Sie wird freilich durch Eifersüchteleien befeuert, die ihren Grund im erstaunlichen Aufstieg Robert Habecks haben. Er hat sich so sehr zum Star der Koalition gemausert, dass bei den Partnern eine gewisse Genugtuung darüber nicht zu übersehen ist, wenn ihm mit einer schlecht konzipierten und auch grundsätzlich fragwürdigen Gasumlage in der Tat ein mehr als nur handwerklicher Fehler unterlaufen ist. Bei der SPD sollte die Schadenfreude allerdings rasch der Erkenntnis weichen, dass Habecks Aufstieg überhaupt nur dadurch zu erklären ist, dass er sehr geschickt ein Führungsvakuum ausfüllt, dass der Kanzler lässt. Hier nämlich liegt die eigentliche Ursache sehr vieler Probleme der Koalition. Es ist Kanzleraufgabe, den vielfältigen Regierungsbemühungen seines Bündnisses einen gemeinsamen Überbau zu verschaffen, ein einendes Thema und Motiv alles Regierungshandelns. An diesem Zusammenbinden der Politik zu einer einheitlichen Erzählung scheitert Olaf Scholz bislang grandios. Und das macht die Erfolge der Regierung, die in sehr kurzer Zeit durchaus so manches erreicht hat, so schwer zu erkennen.