Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) schaut sich die Räume der mobilen Kinder- und Jugendsozialarbeit an. Foto: Baum

Baden-Württembergs Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) informierte sich bei einem Besuch in Rottenburg über die dortige Kinder- und Jugendsozialarbeit.

Lucha gefiel vor allem auch die schöne, dezentrale Lage am Neckar. Gemeinsam mit Rottenburgs Oberbürgermeister Stephan Neher schaute er sich von der Oberen Brücke aus den Neckar an, danach wurde in den Räumen in der Neckarhalde 1 mit Vertretern der Mobilen Kinder- und Jugendsozialarbeit diskutiert. Auch die SPD-Landtagsabgeordnete Dorothea Kliche-Behnke war zum Treffen mit dem Landes-Sozialminister gekommen, um sich ein Bild zu machen von den Hauptamtlichen und natürlich auch von den neuen Räumen.

Finger in die Wunde

Anke Böhm von der Mobilen Jugendsozialarbeit legte den Finger in die Wunde – es fehle an Wohnraum für Jugendliche, die auf der Straße leben und die arbeiten möchten und gerne in einer eigenen Wohnung leben möchten. Der Sozialminister betonte, er könne sich gut vorstellen, dass hierfür ein Modellprojekt geschaffen wird – OB Neher freute sich über diesen Vorschlag sichtlich.

Böhm stellte auch Martin Kubowski vor, der hauptamtlich den Bereich der Mobilen Kindersozialarbeit betreut. Erst vor drei Wochen wurden die Räume in der Neckarhalde 1 bezogen. Neher erklärte, dass man mit einem großen Team von Streetworkern in der Kinder- und Jugendsozialarbeit aktiv sei – dies sei einer der Erfolgsfaktoren, da man merkte, dass sich der Erfolg einstelle, je früher man die jungen Leute unterstützt. „Nicht jeder der Jugendlichen hat ein gutes Elternhaus, wir mussten viel nachlegen in den letzten Jahren.“ Die Erfahrung zeige aber auch, dass dies gut investiertes Geld sei.

Viele Schwangerschaften bei Minderjährigen

Die Streetworker sagten, dass es eine gute Zusammenarbeit mit dem Verein „Mokka“ gebe. Neher wiederum fügte an, dass das Personal im Bereich der mobilen Kinder- und Jugendsozialarbeit aufgestockt worden sei. Anke Böhm betonte im Gespräch mit dem Sozialminister, dass man in den vergangenen Jahren gemerkt habe, dass den Kids viel gefehlt habe wegen Corona. Die Kinder hätten vermehrt Depressionen, plagten sich mit Selbstmordgedanken und es gebe auch viele Schwangerschaften bei minderjährigen Mädchen. „Das ist in Rottenburg ähnlich wie in großen Städten.“

Mit OB Neher tauscht sich Lucha über die Sozialarbeit in Rottenburg aus. Foto: Baum

Corona noch spürbar

Martin Kubowski beobachtete bei den Jugendlichen, dass „die Schwelle, jemandem eine aufs Maul zu hauen extrem gesunken ist während und nach der Corona-Pandemie“. Auch Anke Böhm bestätigte, dass man Corona extrem merke – „und den Kindern fehlen die letzten zwei Jahre“.

Manfred Lucha betonte, dass man diese Zeit nicht nachholen könne – sie fehle den Kindern einfach. Es gelte, den Kindern und Jugendlichen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Lucha zeigte sich froh darüber, „dass man die Kids hier andockt und dass sie sich hier den Mitarbeitern mitteilen“. Viele Jugendlichen wüssten derzeit gerade „nicht wohin mit sich“. Man müsse Kinder und Jugendliche stark machen, war sich die Runde einig. Hierzu brauche es rahmengebende Hilfen wie die mobile Kinder- und Jugendsozialarbeit – auch und gerade in Zeiten knapper Haushalte, so Manne Lucha.„Ich bin dankbar, dass sich Mitarbeiterin dieser Arbeit engagieren“, so der Minister.

Über die Schule nicht erreichbar

Anke Böhm meinte, dass viele Jugendlichen über die Schule nicht mehr erreichbar seien. In den Rottenburger Teilorten wird ebenfalls mobile Kinder- und Jugendsozialarbeit angeboten – zudem gibt es dort selbst verwaltete Jugendhäuser. In der Rottenburger Kernstadt gibt es zudem seit dem Jahr 2018 ein Schülercafé. Ein weiterer Themenschwerpunkt des Gesprächs mit dem Sozialminister waren die Grundschulförderklassen. Auch obdachlose Jugendliche waren ein Themenschwerpunkt – hier fehle es an Anschlusswohnraum für die Zeit nach der Obdachlosigkeit, so Anke Böhm. Zudem forderte sie Wohngruppen für Jugendliche unter 18 Jahren.