Wegen Volksverhetzung stand ein Mann vor dem Amtsgericht in Freudenstadt. Foto: Kupferschmidt

Er wollte Parteien und Medien nur zum Nachdenken anregen, aus diesem Grund versendete ein Rentner E-Mails mit volksverhetzenden Inhalten. Am Prozesstag wirkt er uneinsichtig.

Freudenstadt - "Ich war es mir selbst und meinen Kindern und Enkelkindern schuldig", sagt der Angeklagte vor dem Amtsgericht in Freudenstadt. Deswegen hat er im März an den Landtag von Baden-Württemberg und an einige Parteien, wie die AfD, die CDU, die SPD oder die Linke, mehrere E-Mails verschickt. Wegen der enthaltenen Inhalte steht er vor Gericht: Die Anklage lautet Volksverhetzung.

Mit gerunzelter Stirn sitzt der 70-Jährige aus dem Kreis Freudenstadt auf der Anklagebank. Mittlerweile ist er Rentner und pflegt seine Frau, die im Rollstuhl sitzt. "Ich bin heute ein armer Schlucker", sagte er am Prozesstag. All seinen Verdienst habe er in das Studium seiner beiden Kinder investiert und sich so für sie "geopfert". Sein Konto sei aktuell "ein bisschen im Minus".

Grenze mit Aussagen überschritten

Er sieht es als deutscher Bürger als seine Pflicht an "nicht die Schnauze zu halten und feige zu sein". Aus seiner Sicht "verniedlichen" die Politik und die Medien viele Sachverhalte und stellen Situationen einseitig dar. Besonders die Waffenlieferungen an die Ukraine kritisierte er in seinen E-Mails vehement.

Mit einigen Ausdrücken habe der Angeklagte allerdings eine gewisse Grenze überschritten, so Richterin Jennifer Dallas-Buob. Als Beispiel zitiert sie die Formulierungen des 70-Jährigen "Juden-Sau" und "Kanaken aus der Ukraine".

E-Mail nicht an Allgemeinheit gerichtet

Die Richterin fragt den Rentner, was er sich mit seinem Schreiben erwartet habe. Er habe gewollt, dass die Empfänger "ihr eigenes Wirken hinterfragen". Einige Entscheidungen, die aktuell getroffen werden, würden zum Verlust von Millionen von Menschenleben führen.

Aus seiner Sicht sei der Tatbestand der Volksverhetzung nicht erfüllt. "Das, was ich geschrieben habe, habe ich nicht an das Volk an sich adressiert, sondern an Parteien und Medien, die mit solchen Aussagen umgehen können".

Angeklagter will weiter schreiben

Reue zeigt der Angeklagte während des Prozesses nicht. Immer wieder fällt er Dallas-Buob ins Wort und lässt sie nicht aussprechen, damit er sich rechtfertigen kann. Grenzüberschreitende Formulierungen, wie "Juden-Sau", werde er in Zukunft unterlassen, aber an sich werde er weiter schreiben.

Dieses widerwillige Verhalten legte er auch an den Tag, als die Zeugin, eine Kriminalhauptkommissarin, ihm im März einen Besuch abstattete. An das Gespräch kann sich der Angeklagte nicht mehr erinnern. Er habe die Polizeibeamtin "jünger in Erinnerung". Sie forderte ihn damals auf, das Schreiben zu unterlassen – andernfalls werde sie ihm seine Hardware wegnehmen. Er entgegnete, das werde er nicht tun, ansonsten kaufe er sich eine neue, um damit weiter zu schreiben.

Mann ist Alkoholiker

Leicht hatte es der Mann in seinem Leben nicht, wie im Prozess deutlich wird. Als Dallas-Buob ihn nach seiner beruflichen Laufbahn fragt, antwortet er offen und erzählt seine Probleme den Anwesenden vor Gericht. Seit 1990 sei er alkoholabhängig, gibt er zu.

Sein Vater war Alkoholiker und mit seinen fünf Geschwistern lebte die Familie in "beengten" Verhältnissen. Wäre er anders aufgewachsen, hätte er sich nicht so entwickelt, mutmaßt er am Prozesstag. "Vielleicht wäre ich dann Bundeskanzler".

Zu Geldstrafe verurteilt

Die Staatsanwaltschaft sehe, dass der Angeklagte wenig Reue zeige. Positiv sei ihm anzurechnen, dass er nicht vorbestraft ist. Dallas-Buob fällt ihr Urteil. Es liegt Volksverhetzung vor, sagt sie. Der 70-Jährige habe die E-Mails an den Landtag und damit an einen breiten Personenkreis geschickt. "Er kann nicht darauf vertrauen, dass die Empfänger in ihren stillen Kämmerchen sitzen und über die Worte nachdenken", so die Richterin. Vielmehr könne sein Schreiben veröffentlicht werden und den öffentlichen Frieden stören. Zudem beschimpft er einen bestimmten Personenkreis.

Weil er nicht vorbestraft ist, wird er zu einer Geldstrafe verurteilt. Er muss 200 Tagessätze in Höhe von 25 Euro zahlen. Das entspricht 5000 Euro.

Angeklagter will Einspruch erheben

Mit dem Urteil ist der Angeklagte nicht einverstanden, er wisse nicht, wie er das Geld aufbringen könne und diskutiert mit Dallas-Buob, ob man ihn nicht zu einer Bewährungsstrafe verurteilen könne. Der 70-Jährige sagt selbstsicher, dass er sich gegen das Urteil wehren werde.