Nach seinem Wahlsieg im Mai hat der türkische Präsident Erdogan den Druck auf seine Gegner erhöht. Foto: imago//Mehmet Masum Suer

Die Zahl der türkischen Asylbewerber hat sich in Deutschland binnen Jahresfrist mehr als verdoppelt. Die meisten von ihnen sind Kurden. Allerdings erhalten nur wenige einen Schutzstatus zuerkannt.

Wegen der zunehmenden Repression und der Wirtschaftsmisere in der Türkei suchen immer mehr Menschen von dort Asyl in Europa, vor allem in Deutschland. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) haben in diesem Jahr bis Ende November 56 673 türkische Staatsangehörige in der Bundesrepublik einen Asylantrag gestellt. Das waren mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. Zum Vergleich: 2015 beantragten lediglich 1767 türkische Staatsbürger in Deutschland Asyl.

Im November lag die Türkei unter den Herkunftsländern der Asylbewerber auf dem zweiten Platz nach Syrien. Die Anerkennungsquote für türkische Asylbewerber ist allerdings gering. 2019 erhielten noch 47,4 Prozent der Flüchtlinge aus der Türkei in Deutschland einen Schutzstatus zuerkannt. Im vergangenen Jahr waren es 30,6 Prozent, 2023 allerdings nur noch 13,6 Prozent. Asylberechtigt sind aktuell nur 0,4 Prozent der Flüchtlinge aus der Türkei.

Die weitaus größte Gruppe der Asylsuchenden mit türkischer Staatsbürgerschaft sind Kurden. Ihr Anteil an den Asylanträgen beträgt etwa 85 Prozent. Die Türkei erkennt die rund 15 Millionen Kurden nicht als ethnische Minderheit an. Sie werden in vielerlei Hinsicht benachteiligt, vor allem beim Gebrauch ihrer Muttersprache. Tausende sitzen wegen angeblicher Verbindungen zur Terrororganisation PKK in Haft. Kurdischen Asylbewerbern fällt es aber oft schwer, eine konkrete politische Verfolgung zu belegen.

Nach Angaben des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg wurden im vergangenen Jahr 88 Prozent der Asylanträge türkischer Kurden abgelehnt. Allein in Baden-Württemberg halten sich aktuell knapp 2000 ausreisepflichtige Türken auf, deren Asylgesuch abgewiesen wurde, so aktuelle Zahlen der Bundesregierung. In den sieben Bundesländern mit den meisten türkischen Asylbewerbern sind es insgesamt 6500 Ausreisepflichtige. Im ersten Halbjahr 2023 wurden 345 Türken abgeschoben, 1832 haben Deutschland freiwillig verlassen.

Trotz sinkender Aussichten auf Schutz nimmt die Zahl der Antragsteller weiter zu. Ein Grund ist die Wirtschaftsmisere. Die Inflation, 62 Prozent im November, zehrt an den Einkommen. Der staatliche Mindestlohn, mit dem vier von zehn Beschäftigten in der Türkei auskommen müssen, beträgt umgerechnet 358 Euro. Die Armutsgrenze für eine vierköpfige Familie liegt bei 1100 Euro.

Dass die Fluchtwelle aus der Türkei im zweiten Halbjahr besonders angestiegen ist, dürfte mit dem neuerlichen Sieg Recep Tayyip Erdogans bei den Wahlen im Mai zusammenhängen. Die Opposition hoffte auf ein Ende der mehr als 20-jährigen Ära Erdogan, doch dieser Wunsch erfüllte sich nicht.

Seit 2016 hat Erdogan den Druck auf seine Kritiker und Gegner ständig verschärft. Nach dem Putschversuch im Juli 2016 reagierte Erdogan mit einer beispiellosen Säuberungswelle. Mehr als 130 000 Staatsbedienstete wurden entlassen, Zehntausende kamen hinter Gitter. Der Putschversuch liegt sieben Jahre zurück, aber die Säuberungen gehen unvermindert weiter. Oppositionelle werden von der Regierung und der regierungstreuen Justiz oft pauschal als Terroristen verdächtigt.