Jede türkische Frau müsse mindestens drei Kinder bekommen, sagt Präsident Recep Tayyip Erdogan. Foto: dpa/Christoph Soeder

Der Staatschef sieht in der LGBT-Bewegung eine „Gefahr für die heilige türkische Familie“.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Schuldigen für ein nach seiner Meinung unzureichendes Bevölkerungswachstum in seinem Land ausgemacht: Schwule, Lesben und Transgender-Menschen. Die LGBT-Bewegung sei „die größte Bedrohung für die Familie“, sagte Erdogan am Donnerstag in einer Rede beim 8. Familienkongress in Ankara. Die „globalen Gender-Bemühungen“ und „perverse Trends“ wie LGBT seien „direkt gegen die Familie“ gerichtet. Der Präsident beklagte, dass das Heiratsalter in der Türkei steige und die Scheidungsquote zunehme. Die Türkei hat gegenwärtig 85 Millionen Einwohner, das sei „bei weitem nicht genug“, sagte Erdogan. Der Staatschef erinnerte an seine Forderung, wonach jede türkische Frau mindestens drei Kinder bekommen müsse.

Homosexualität habe die Covid-Pandemie ausgelöst

„Die Familie ist in unserem Glauben und in unserer Kultur heilig“, sagte Erdogan Religion und Moral werden in der Familie weitergegeben.“ Man müsse deshalb allen Versuchen entgegentreten, die Institution der Familie zu schwächen. Erdogan kämpft seit Jahren gegen die LGBT-Bewegung. Homosexualität ist in der Türkei zwar nicht strafbar, LGBT-Kundgebungen werden aber seit 2015 nicht mehr zugelassen. Finden dennoch Versammlungen statt, werden sie von der Polizei gewaltsam aufgelöst. Offen schwule oder lesbische Studierende bekommen keine staatlichen Stipendien mehr. Der Chef der staatlichen Religionsbehörde Diyanet und Erdogan-Vertraute Ali Erbas erklärte 2020 in einer Predigt anlässlich der Covid-Pandemie, dass Homosexualität die Pandemie ausgelöst habe. Erdogan verteidigte die Aussagen des Diyanet-Chefs.

Mit Besorgnis beobachten Lesben, Schwule und Transgender-Menschen in der Türkei die Pläne für eine Verfassungsreform. Die islamisch-konservative Regierung will unter anderem das Verbot von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften im Grundgesetz festschreiben. Erdogan kündigte im Juni an, mit der Verfassungsreform werde man „alle nötigen Schritte einleiten, um die Familie vor Perversion zu schützen“.

Der türkische Präsident hatte sich mit seinem fanatischen Feldzug gegen die LGBT-Bewegung erst kürzlich international zum Gespött gemacht. Bei der Teilnahme an der UN-Vollversammlung in New York kritisierte Erdogan bunte Dekorationen, in denen er die Regebogenflagge Regenbogenflagge zu erkennen glaubte, das Symbol der LGBT-Bewegung. „Was mich am meisten stört, ist, dass man beim Betreten der UN-Vollversammlung als erstes überall den LGBT-Farben begegnet“, sagte Erdogan vor Journalisten und kündigte an, er werde UN-Generalsekretär Antonio Guterres deswegen zur Rede stellen. Die von Erdogan beanstandeten Dekorationen hatten allerdings nichts mit der Regenbogenflagge zu tun. Es handelte sich vielmehr um 17 Farben, die die 17 Ziele der UN-Agenda 2030 für Nachhaltigkeit symbolisieren. Dazu gehören der Kampf gegen Hunger und Armut, Maßnahmen zum Klimaschutz und für die Gleichberechtigung.