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Redaktionsleiter äußert sich. "Ein verzweifelter Vater im Home Office am Arbeits-Laptop."

Sie lesen einen Leitartikel des Redaktionsleiters aus Horb: Arbeitsblätter, Arbeitsblätter, Arbeitsblätter – ein verzweifelter Sohn am Schreibtisch. Und ein ebenfalls verzweifelter Vater im Home Office am Arbeits-Laptop. Das ist gerade nicht nur bei uns Alltag, sondern bei vielen Familien. Berufstätige Eltern, die gleichzeitig daheim noch Lehrer sein müssen – und sich irgendwie von dem Bildungssystem und den Schulen vor Ort im Stich gelassen fühlen.

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Um es gleich vorwegzuschicken: Das soll keine Abrechnung mit den Lehrern der Grundschule sein, auf der mein Sohn sonst die Schulbank drückt. Auch hier werden Ideen wie Lern-Videos auf Youtube umgesetzt. Nein, es gilt sicher für viele Schulen – und ich spreche hier vor allem von Grundschulen – in der Region und in ganz Deutschland. Irgendwie hat man das Gefühl, viele unserer Lehrer sind gerade in Schockstarre. Natürlich, es gibt die Paradebeispiele wie eine Lehrerin in Altheim, die Video-Unterricht macht. Und es gibt Lehrer, die selbst das Problem haben, ihre eigenen Kinder zu betreuen. Aber ein bisschen mehr Engagement oder Ideenreichtum könnte es an der einen oder anderen Stelle schon sein. Das höre ich aus vielen Gesprächen mit Eltern heraus.

Wo ist das Homeschooling-Konzept für die Stadt, im Land, im Bund? Fünf Wochen lang war Zeit, sich auf den Ernstfall, der nun wirklich nicht überraschend kam, einzustellen. Wie erreicht man Kinder, die sich abseits der Schul-Atmosphäre schwer tun? Die den gewissen Druck und auch die Umgebung benötigen? Wir sprechen hier nicht nur von den lernschwachen Kindern aus bildungsfernen Haushalten, wie es immer so gerne heißt. Für viele Kinder ist es gerade eine große Herausforderung, ohne Klassenkameraden und ihren Lehrern als Bezugspersonen alleine am Schreibtisch zu sitzen und sich selbst "am Riemen zu reißen". Und wer erträgt schon die eigenen Eltern als Lehrer?

Götz Peter, geschäftsführender Rektor der Horber Schulen, sagte unserer Zeitung im Interview am 15. April: "Jede Lehrkraft hat sich in den letzten Wochen mit viel Engagement und auch Kreativität für ihre Schülerinnen und Schüler eingesetzt. Ob das nun Lernpakete oder Wochenpläne waren, die per Mail versandt wurden, ob per Skype oder WhatsApp kommuniziert und unterrichtet wurde, ob Moodle oder die Möglichkeiten von Microsoft 365 zum Einsatz kamen – Hauptsache, die Schülerinnen und Schüler wurden erreicht und konnten einigermaßen auf Stand gehalten werden."

Einspruch, Herr Rektor! Es ist ein deutlicher Unterschied, ob man Wochenpläne verschickt oder zumindest versucht, den direkten Austausch mit den Kindern zu suchen.

Zur Verteidigung unserer Lehrer muss man aber auch sagen: Sie werden von oben im Stich gelassen. Das Regierungspaket für digitales Lernen löst das Problem nicht. Nach dem Gießkannenprinzip wird Geld ausgeschüttet, die kreativen Lösungen müssen sich die Lehrer vor Ort wieder selbst überlegen. Laptop-Zuschuss von 150 Euro für bedürftige Schüler? Blanker Hohn, denn manche können den Rest ebenfalls nicht aufbringen.

Also, liebe Lehrer, nehmt es vorerst selbst in die Hand! Telefon-Sprechstunde, Skype-Gespräche oder Video-Unterricht – jede kreative Idee hilft Euren Schülern. Denn Ihr wisst am besten, wie frustrierend es ist, wenn man stundenlang alleine am Schreibtisch sitzt, wenn Ihr Klausuren korrigiert. Echt ätzend, oder?