Wurde in der Vergangenheit die Gestaltungssatz so zurechtgebogen, wie man sie brauchte? Stadt und Regierungspräsidium sind sich beim Thema Waldner-Areal uneinig. Foto: Hopp

Behördenstreit um Senioren-Anlage: Stadt will Präsidium noch überzeugen. Fenster werden beanstandet. Kosten bislang nicht bekannt.

Horb - Geht es hier nur um Holzfenster & Co? Das Rathaus ist "verwundert" über die Weisung des Regierungspräsidiums Karlsruhe, die Baugenehmigung für das Waldner-Areal zu stoppen. Dabei geht es dem RP bisher gar nicht die Massigkeit des Gebäudes, die von Kritikern bemängelt wurde.

Kein Wunder, dass sich gestern die Verantwortlichen im Rathaus bemühten, das Thema geradezurücken. Rosenberger erklärte: "Wir können uns auf unsere Baurechtsbehörde verlassen. Es gibt einen eindeutigen SBS-Beschluss, einen Beschluss des Verwaltungsausschuss, des Gemeinderates und eine zusätzliche Informationsveranstaltung. Ich möchte betonen, dass das Waldner-Areal kein Projekt der Stadt ist, sondern das eines privaten Investors. Wir sind nur durch die Baurechtsbehörde mit involviert. Wir sehen uns als Verwaltung in der Rolle, zu ermöglichen und nicht, zu verhindern."

Investor hat Rückzugsklausel

Doch nun rennt die Zeit. Laut Wolfgang Kronenbitter, Fachbereichsleiter Recht und Ordnung, hat der Investor (Bouwfonds Immobilien Entwicklungs GmbH aus Stuttgart) eine Klausel, zurückzutreten, wenn bis Ende März keine Baugenehmigung vorliegt.

Klar ist auch, so stellt Uwe Herzel, Sprecher des Regierungspräsidiums Karlsruhe fest: "Aufgrund der erteilten Weisung ist die Stadt Horb bis auf Weiteres daran gehindert, eine Baugenehmigung für das beantragte Projekt zu erteilen. Die Weisung ist ein interner Vorgang zwischen zwei Behörden, die hier beide Aufgaben der Landesverwaltung wahrnehmen. Da die Stadt als untere Baurechtsbehörde Aufgaben der Landesverwaltung wahrnimmt, ist sie an die Weisung des Regierungspräsidiums als höhere Baurechtsbehörde gebunden, ohne dagegen Widerspruch oder Klage erheben zu können."

Kronenbitter hatte am Mittwoch vergangener Woche per Anruf von Oberregierungsrat Jäger vom RP von der zu erwartenden Weisung erfahren. Der Fachbereichsleiter auch für Baurecht: "Ich bin fast aus den Socken gefallen. Ich habe mit dem Referatsleiter gesprochen. Er wollte das mit Herrn Jäger noch mal absprechen."

Was Kronenbitter so verwundert: "Wir haben auch mit drei Mitarbeitern des Regierungspräsidiums einen Ortstermin am Waldner-Areal und Umgebung gemacht. Die Stadtgestaltungs-Satzung wurde dabei nur am Rand besprochen. Dort gibt es sehr viele gravierende Gebäude, bei denen wir baurechtliche eine Befreiung von der Gestaltungssatzung erteilt haben. Beispielsweise das Gebäude Mühlener Straße 2, den Schwanen oder die "Rettenmeierbebauung". Für mich war das Thema damals erledigt."

Viele Bausünden trotz Satzung

OB Peter Rosenberger: "Ich bin heute morgen mal ganz bewusst langsam mit dem Auto durch die Stadt gefahren. Jedes zweite Gebäude entspricht nicht der Satzung. Manche würden dazu ›Bausünden‹ sagen."

Die Abweichung von der Gestaltungssatzung war auch schon vor Rosenbergers Amtszeit die Regel. 30 Jahre gilt diese Satzung, die eigentlich laut Stadtverwaltung nicht mehr zeitgemäß ist und die bisher auch nie so ganz genau angewendet wurde. Sie wurde bisher sozusagen als Informations- und Beratungsgrundlage angesehen. Tatsächlich würden wohl einige Bausünden der vergangenen Jahrzehnte gar nicht stehen, wenn die Satzung peinlich genau durchgesetzt worden wäre. In der Präambel sei auch verankert, dass die Satzung auf Veränderungen an bestehenden Gebäuden abzielt und nicht auf Neubauten, so Kronenbitter.

Doch das interessiert das RP bisher nicht. Im Schreiben an die Stadt heißt es: "Trotz einiger im Geltungsbereich der Satzung vorhandener Gebäude, die nicht den Vorgaben der Satzung entsprechen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Satzung funktionslos geworden ist. (...) Viel mehr ist trotz gelegentlicher Abweichungen durch frühere Befreiungen oder durch Bestandsgebäude (...) ein historisches Ortsbild in der Gestaltung der Gebäude unverkennbar."

Und noch eine Watsche an die Stadt. Das RP schreibt: "Die Voraussetzungen von Befreiungen für die vorgesehenen gestalterischen Abweichungen von (...) der Gestaltungssatzung liegen nicht vor. Weder sind sie in dem benötigten Umfang aus Gründen des allgemeinen Wohls erforderlich noch kann eine nicht beabsichtigte grundstückbezogene Härte bejaht werden. Es wäre vielmehr durchaus möglich, auch ein großes Gebäude mit einem historischen Aussehen entsprechend den Vorgaben der Satzung zu errichten."

Abstimmungen im Rat sind RP egal

Auch das Argument von OB Rosenberger, dass alles von den Gremien abgesegnet wurde, die ja auch die Hoheit über eine Satzung hätten, weist Oberamtsrat Jäger zurück: "Für die rechtliche Bewertung kommt es im Übrigen nicht darauf an, ob der SBS, der Fachbereich Stadtentwicklung oder sonstige städtische Gremien das Bauvorhaben befürworten und mit dessen Gestaltung einverstanden sind. Die rechtliche Prüfung obliegt allein der Baurechtsbehörde."

Doch ein Satz in der Weisung des RP Karlsruhe verleiht dem Rathaus Horb noch Hoffnung. Jäger: "Die Frage, ob sich das zur Genehmigung gestellte Bauvorhaben wegen seiner Traufhöhe und seiner Kubatur (...) nach dem Maß der baulichen Nutzung einfügt, kann unter diesen Umständen derzeit offen gelassen erden." Wolfgang Kronenbitter: "Nach der Stellungnahme des RP Karlsruhe ist davon auszugehen, dass die Verstöße gegen die Gestaltungssatzung der Verhinderungsgrund sind und nicht die Größe des Gebäudes."

Das war der Hauptgrund für Nachbarn wie Herbert Bok, gegen das geplante Gebäude für altengerechtes Wohnen vorzugehen. Kronenbitter will jetzt mit dem Bauherren (Schweizer Immobilien aus Gerlingen) und dem Investor (Bouwfonds) sprechen. Er sagt: "Wir wollen klären, ob man in der Planung etwas ändern könne, um die Anzahl der Verstöße gegen die Gestaltungssatzung zu verringern."

Dabei führt er in seinem Aktenvermerk folgende Punkte auf, die die Gestaltungssatzung fordert: Teilweise Flachdach statt Dacheindeckung mit naturfarbigen, unglasierten Tonziegeln; die Dacheinschnitte und liegenden Dachfenster dürften vom öffentlichen Verkehrsraum nicht zu sehen sein; der Dachüberstand an der Traufe beträgt nicht mindestens 50 Zentimeter ; keine straßenseitigen Balkone ab Obergeschoss; Holzfenster mit Sprossenteilung bei Glasflächen über 60 Zentimeter, Türen und Fensterrahmen in Holz; teilweise fehlende Brüstungen und Sockel im Bereich der Schaufenster.

Bürgermeister Jan Zeitler will sich mit Kronenbitter sowie dem Bauherren und Investor so bald wie möglich beim Regierungspräsidium treffen: "Die Frage wird sein, ob es noch zeitgemäß ist, im Januar 2015 Holzfenster bei einem Neubau dieser Größenordnung zu fordern."