"Kurz wechseln" lautet der neue Wahlslogan, mit dem Herausforderer Peter Rosenberger (CDU) in die entscheidende Runde im Kampf um den OB-Sessel in Mannheim geht. Foto: Anspach

In der roten Hochburg wächst die Angst: CDU-Mann setzt im Mannheim auf neue Themen, die Amtsinhaber Peter Kurz (SPD) weh tun.

Mannheim - "Am Sonntag Kurz wählen gehen" lautete schon vor dem ersten Wahlgang der saloppe Spruch auf dem Wahlplakat von Amtsinhaber Peter Kurz (SPD). Das Signal: Die Wiederwahl funktioniert fast im Vorbeigehen. Im Endspurt vor dem zweiten Wahlgang am kommenden Sonntag kontert Konkurrent Peter Rosenberger (CDU) mit einem eigenen Wortspiel: "kurz wechseln".

In einem eher nebulösen Wahlkampf, in dem der Ausgang im Schlussspurt so offen ist wie nie zuvor, zeigt sich vor allem in der Art der Wahlplakate, wie der Zweikampf um den OB-Thron in der kurzpfälzischen "Hauptstadt" abläuft. Hat Kurz am Anfang die Wahl zu sehr auf die leichte Schulter genommen? Schöpft sein Herausforderer nach Erreichen des zweiten Wahldurchgangs Hoffnung, tatsächlich gewinnen zu können? Deutlich wird: In der zweiten Runde des Wahlkampfs wird der Ton schärfer, und die Angst der SPD vor der Niederlage ist spürbar.

Als die CDU vor zwei Monaten ihren Kandidaten fast schon aus dem Hut zauberte, rechneten die wenigsten mit der Chance, dass die Schwarzen die rote Hochburg Mannheim tatsächlich einnehmen könnten. Die Stadt gilt als rote Herzkammer des Landes Baden-Württemberg. Die Schlappe des Kandidaten-Vorgängers Ingo Wellenreuther (bekannt auch als Präsident des Karlsruher SC) sorgt noch immer für Phantomschmerzen. Dazu riss der immens teure Wahlkampf 2007 ein dickes Finanzloch in die CDU-Kasse.

Kaum einer hatte die Christdemokraten auf der Rechnung. Herausforderer Peter Rosenberger ist zwar Mannheimer, hatte aber bisher keine große Hausmacht in der Mannheimer CDU. Als Oberbürgermeister der großen Kreisstadt Horb a. N.ckar (Kreis Freudenstadt) kommt er als "Auswärtiger" in seine Heimatstadt zurück, obwohl er seine kommunale Karriere in Mannheimer Stadtteil-Rathäusern begann. Aufgefallen war er als Politiker im Land noch nicht.

In seiner Amtszeit in Horb hat er bisher vor allem durch seine charismatische Art überzeugt und für die CDU eher untypische Schwerpunkte in der Familienpolitik und in den Bereichen Umwelt und Integration gesetzt. So arbeitete er in der Energiepolitik eng mit dem Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) zusammen.

In der Mannheimer CDU war die geheime Kandidatenkür des Parteichefs Nikolas Löbel nicht unumstritten, warf man dem jungen, oft kritisierten Kreisvorsitzenden hinter den Kulissen vor, ohne Absprachen gehandelt zu haben. In der "Schlangengrube" CDU Mannheim, die sich mitten im Wahlkampf auch noch mit einer Schulden-Diskussion rumplagen musste, rechneten politische Beobachter deshalb damit, dass Rosenberger schnell verheizt werden könnte. Doch vielleicht gerade weil ihm der typische Mannheimer "CDU-Stallgeruch" fehlt und er sich fast schon als politischer Gegenentwurf abseits des Parteiklüngels darstellt, hat er sich in eine gute Ausgangsposition gebracht. Dazu kommt, dass er mit einem sparsamen Wahlkampf – unter anderem mit Hausbesuchen – Sympathien sammelt.

Zwar holte ein in der ersten Runde eher blass wirkender Kurz im ersten Wahlgang 46,8 Prozent der Stimmen und Rosenberger "nur" 33,8 Prozent. Doch mit dem Rückzug des dritten "großen" Kandidaten Christian Probst von der Mannheimer Liste sind 15,9 Prozent der Stimmen wieder neu zu vergeben. Eine Wahlkampf-Empfehlung gab es – wie von der CDU vielleicht erhofft – von Probst allerdings nicht.

Dennoch rechnet sich Rosenberger im eher bürgerlichen Lager der Mannheimer Liste Chancen aus. Deswegen machte er in den vergangenenen zweieinhalb Wochen vor allem in den Stadtteilen Wahlkampf, in denen die Mannheimer Liste stark gepunktet hatte. Dazu übernahm er noch eine wichtige Forderung von Probst: einen neuen Bürgerentscheid über die Bundesgartenschau.

"Hygiene im Klinikum verbessern" heißt es auf einem Wahlplakat

Ein klares Signal, dass Rosenberger, eigentlich Buga-Befürworter, in der zweiten Runde nun die Schwachstellen des Amtsinhabers offen angeht und der Wahlkampf an Schärfe zugenommen hat. Denn Amtsinhaber Kurz hatte bei der Entscheidung für die Bundesgartenschau 2023 nicht die beste Figur abgegeben, bei einem ersten Bürgerentscheid zeigte sich ein Riss mitten durch die Bevölkerung.

Und auch die zweite offene Flanke seines Konkurrenten hat Rosenberger ins Visier genommen: den Krankenhaus-Hygieneskandal um verschmutzte Skalpelle. Kurz ist Aufsichtsratsvorsitzender des Klinikums. "Hygiene im Klinikum verbessern" heißt es auf einem von Rosenbergers Wahlplakaten. "Es kann nicht sein, dass der Aufsichtsrat erst nach der Wahl tagen soll. Ich möchte mehr Transparenz. Das ist ein großer Wunsch der Bürger, den ich in vielen Gesprächen herausgehört habe. Es läuft sicher nicht alles schlecht, aber auch das muss besser herausgestellt werden", sagt der CDU-Mann. Die SPD wirft ihm Populismus vor.

Rosenbergers neue Wahlkampfthemen könnten sich als geschickte Schachzüge herausstellen. Gerade die Buga 2023 wird von immer mehr Menschen abgelehnt. Zwar hat auch Kurz sofort nachgezogen und einen Bürgerentscheid in Aussicht gestellt, doch Wähler werten das vielleicht als Hinterherhinken.

Für die CDU im Land könnte der 43-jährige Rosenberger mit einem Sieg neun Monate vor der Landtagswahl zum Hoffnungsträger werden. Für die SPD dagegen wäre es nach schlechten Umfrage-Ergebnissen im Land ein weiterer Rückschlag.

Am Ende könnte einer das Zünglein an der Waage spielen, der überhaupt nichts mit Mannheim zu tun hat: der Satire-Kandidat Christian Sommer von "Die Partei". 3,3 Prozent holte er im ersten Wahlgang – wichtige Wählerstimmen bei einem möglichen Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Kurz und Rosenberger.

Info: Gartenschau

Seit Jahren wird in Mannheim heftig über die Bundesgartenschau (Buga) 2023 gestritten. Zu teuer und ein ökologisches Desaster sei sie, argumentieren die Gegner. Die Befürworter hoffen auf rund drei Millionen Besucher und einen touristischen Boom für die Stadt. Vielen Mannheimern ist die Buga schlicht zu teuer, auch wenn die Stadt maximal 6,8 Millionen der veranschlagten 41,3 Millionen Euro selbst tragen will. Doch die drittgrößte Stadt Baden-Württembergs ist hoch verschuldet, das Geld wird nach Ansicht der Kritiker woanders dringender benötigt. Der größte Zankapfel ist aber die Einbeziehung eines Naherholungsgebiets, der Feudenheimer Au, in die Buga-Planungen. Die Gegner kritisieren unter anderem, dass ein geplanter See Biotope in dem Landschaftsschutzgebiet zerstören würde und dass eine Straße in ein Kleingartengebiet verlegt werden müsste.