Betroffene Autofahrer berichten von Schreckmomenten. Bahnsprecher: "Unser Regelwerk ist sehr in Ordnung."

Horb - Und plötzlich kommt der Zug auf einen zu... brenzlige Situationen haben sich am Montag am Bahnübergang zwischen Horb und Talheim ereignet. Vor Ort fehlte das Sicherheitspersonal.

Der Talheimer Bahnübergang am Montagvormittag: Nichts deutet für die Autofahrer, die zwischen Horb und Talheim unterwegs sind, darauf hin, dass der Übergang komplett ungesichert ist. Normalerweise sollte dort ein Mitarbeiter der Bahn stehen und eine Ampel bedienen, wenn ein Zug kommt.

Manch skeptischer Autofahrer fährt mit Vorsicht an den Bahnübergang heran, schaut nach rechts und links, hofft, dass nicht doch im nächsten Moment ein Zug um die Ecke schießt. Andere scheinen nicht zu registrieren, dass etwas ungewöhnlich ist. Sie überqueren die Schienen mit normaler Geschwindigkeit. Plötzlich nähert sich ein Zug aus Richtung Freudenstadt. Er bremst ab, bis er zum Stehen kommt.

Gerade in diesem Moment kommt ein Auto angefahren. Möglicherweise sieht der Fahrer, dass der Zug steht, und fährt über die Schienen. Zwei weitere Fahrzeuge folgen. Die nächste Autofahrerin ist skeptischer. Sie sieht den Zug, hält an. Allerdings setzt sich der Zug in diesem Moment wieder zögerlich in Bewegung. Als der Zugfährer sieht, dass die Frau anhält, gibt er etwas mehr Gas, drückt zwei Mal auf die Hupe, und braust davon.

Viele Augenzeugenberichte erreichten unsere Redaktion am Montag. Unserer Zeitung berichtet das Polizeipräsidium Tuttlingen: "Dem Polizeirevier Horb war am Montag kurz vor 7.30 Uhr durch Verkehrsteilnehmer mitgeteilt worden, dass der Bahnübergang Horb-Talheim derzeit nicht mit einem Sicherungsposten besetzt ist. Daraufhin wurde sofort mit der Fahrdienstleitung in Freudenstadt Kontakt aufgenommen."

Nach Angaben von Polizeisprecher Thomas Sebold sei es zu einem personellen Engpass beim Sicherungspersonal gekommen. Ein Bahnsprecher bestätigt das unserer Zeitung. "Der eingeteilte Mann des Sicherheitsdienstes konnte gestern seinen Dienst nicht antreten." Gesundheitliche Gründe? Probleme bei der Anreise (die Sicherheitsfirma kommt aus Nordrhein-Westfalen)? Darüber konnte der Bahnsprecher gestern keine Angaben machen. Die Bahn habe sich dann an die Vorschriften gehalten: "Die Lokführer sind schriftlich angewiesen worden, sich diesem Bahnübergang langsam anzunähern und dann anzuhalten. Mit einem akustischen Signal wurden die Autofahrer auf die Situation aufmerksam gemacht." Für den Bahnsprecher steht fest: "Ich halte unser Regelwerk für sehr in Ordnung." Darüber hinaus sei man als Autofahrer laut Straßenverkehrsordnung verpflichtet, sich einem Bahnübergang langsam anzunähern.

So entspannt sich die Stellungnahme der Bahn anhört, so schockierter sind die Reaktionen der Betroffenen. Von ihrem Schrecken am Bahnübergang berichtet unserer Zeitung Christina Harr aus Talheim. Sie war gestern morgen zwischen 9.30 und 10 Uhr unterwegs von Talheim nach Horb. Sie sagt: "Ich war noch etwa drei bis vier Autolängen vom Bahnübergang entfernt, da kommt auf einmal ein Zug angefahren, wenn auch nicht besonders schnell. Ich bin erschrocken und habe gebremst." Das hätte aber auch leicht schief gehen könnten, denkt sich die Frau. "Die meisten Autofahrer fahren da völlig arglos drüber. Wäre ich etwas schneller gefahren, hätte ich vielleicht auch nicht mehr bremsen können." Ein warnendes Hupen des Zugs habe sie nicht vernommen. Eine andere Autofahrerin berichtet: "Es ist ein totales Schreckgefühl, wenn man plötzlich wahrnimmt, dass da ein Zug ist. Dass er steht oder nur langsam anrollt."

Harr ist vor allem darüber entsetzt, dass nicht einmal ein Schild Autofahrer auf die Gefahr hinweist.Auf ihren Schrecken hin sei Harr erst einmal zur Polizei in Horb gegangen, um den Beamten von dem Problem zu berichten. Diese hätten schon Bescheid gewusst.

Auch Thomas Geršak war gestern Augenzeuge: "Hier stellt sich auch die Frage wie viel ein Menschenleben wert ist, wie viel in Sicherheit investiert wird." Auch Reka V. erlebte eine Schrecksekunde, sah den Zug aus nächster Nähe auf sich zukommen. Sie schreibt auf unserer Facebook-Seite: "Genau das habe ich heute Nachmittag erlebt, wie auf dem Bild (das identische Bild wie zu diesem Artikel, Anm.d. Red.)". Und Steffen D. schreibt: "So mit Menschenleben zu spielen, ist grob fahrlässig."