Rudolf Barth und Matthias Lieb bei einem Vortrag zu den Schienentagen. Foto: Lück Foto: Schwarzwälder Bote

Gäubahn: VCD-Landeschef Matthias Lieb befürchtet Kundenrückgang durch zusätzlichen Umstieg in Vaihingen

Verliert die Gäubahn demnächst jede Menge Fahrgäste? Diese Befürchtung äußert Matthias Lieb, Landesvorsitzender des Verkehrsclub Deutschlands, auf den Horber Schienentagen.

Horb. Schienenverkehrsexperten aus ganz Deutschland haben sich zu den Horber Schienentagen im Feuerwehrhaus getroffen. Mit dabei: Matthias Lieb, Vorsitzender des VCD. Und er redet Klartext zu Stuttgart 21 und zur Gäubahn.

"Wie es am Flughafen mit dem Ausbau weitergeht, ist noch völlig unklar. Derzeit ist geplant, die Gäubahn zu unterbrechen, mit dem Umstieg in Vaihingen. Das ist fatal für die ganze Region südlich von Eutingen. Denn niemand weiß, wie lange diese Unterbrechung der Gäubahn dauert. Jetzt soll diese Unterbrechung bis 2024/25 dauern. Doch ob dieser Zeitplan wirklich zu halten ist, ist völlig unklar", sagt Lieb.

Fakt ist: Der Rohbau am Flughafen muss Ende 2019 beginnen, damit der ICE-Halt Ende 2025 angeschlossen werden kann. Für den Gäubahn-Anschluss am Flughafen gibt es aber keine genehmigte Planung. Landesverkehrsminister Winfried Hermann rechnet hier "eher mit Jahren" beim Zeitverzug. Die Bahn nennt für diesen Anschluss bisher auch noch keinen Fertigstellungstermin. 

Wird der Gäubahn-Anschluss am Flughafen ewig dauern? Dieser Muss-Umstieg in Vaihingen – er könnte fatale Folgen für die Gäubahn haben. Der Verkehrsexperte befürchtet einen Fahrgastverlust: "Mit jedem zusätzlichen Umstieg gehen Fahrgäste verloren. Das können bis zu 40 Prozent sein, wenn man in Zukunft nicht mehr einmal am Hauptbahnhof in die weiterführende Verbindung umsteigt, sondern einmal in Vaihingen in die häufig überfüllten S-Bahnen und dann noch einmal am Hauptbahnhof." Insbesondere, weil der Umstieg auch noch nicht bahnsteiggleich ist, sondern über mehrere Ebenen geht."

Lieb fordert deshalb: "Die Einbindung der südlichen Landesteile wie Horb oder der Bodenseeraum muss zentral erfolgen und nicht in einem Vorort-Bahnhof Vaihingen."

Schienentage-Teilnehmer Andreas Heide aus Radolfzell gibt ihm recht: "Das schwächt die Gäubahn. Wenn ich Richtung Frankfurt möchte, dann nehme ich lieber die badische Schwarzwaldbahn und steige in Offenburg um, anstatt über Stuttgart zu gehen."

Das sind Gründe, warum der VCD und sein Vorsitzender Lieb für zwei Dinge kämpfen: den Metropolexpress und ein Beibehalten des Kopfbahnhofs in Stuttgart. Lieb: "Wenn der Kopfbahnhof mit vier bis sechs Gleisen bleibt, müsste auch die Gäubahn nicht unterbrochen werden. Und weil der Tiefbahnhof von seiner Kapazität her begrenzt ist, ist hier ein Wachstum begrenzt." Bestes Beispiel: Der Verkehrsexperte zeigt die Entwicklung der Zugzahlen laut Bundesregierung. Zwischen 6 und 22 Uhr steigen die Züge des Fernverkehrs im Tiefbahnhof von 138 auf 144 an (Jahr: 2030). Im Regionalverkehr gibt es auch eine leichte Steigerung: von 144 auf 156. Allerdings werden 35 Mehrfahrten im Regionalverkehr auf nachts verlagert, so Lieb. Er sagt ironisch: "Die Arbeitnehmer sollen ja immer flexibler werden. Also wohl auch ohne Not nachts arbeiten. Wenn aus Umweltschutzgründen erreicht werden soll, dass immer mehr Menschen auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen, geht das nicht ohne eine deutliche Ausweitung des regionalen Zugverkehrs."

Lieb spricht sich dabei für das Konzept des Metropol-Expresses aus. Landesverkehrsminister Winfried Hermann hatte sich energisch dafür eingesetzt. Ab nächstem Jahr werden beispielsweise die Züge zwischen Heilbronn und Stuttgart fahren. Die Idee dahinter, so erläutert Lieb: "S-Bahn-Netz ist schön und gut. Aber je weiter die Metropole entfernt ist, desto langsamer ist die S-Bahn als alleinige Verbindung. Ein Metropol-Express löst das Problem." Der Metropol-Express hält sozusagen an jeder Milchkanne, wo es keine S-Bahn gibt. Auf dem S-Bahn-Netz dagegen wird nur noch in den Metropolen gehalten. Lieb: "Die Strecke Freudenstadt-Stuttgart wäre dafür ideal. Ab Herrenberg wird beispielsweise nur noch in Böblingen, Vaihingen (Umstieg zum Flughafen) und am Hauptbahnhof gehalten. Dafür müsste der Bund allerdings auf der S-Bahn-Strecke ein paar Überholmöglichkeiten schaffen – auch aus den Mitteln zum Gäubahnausbau."

Genau das "Halten an jeder Milchkanne" ist auch das Problem der Schnellzugverbindung zwischen Horb, Singen und später Zürich. Lieb: "Das ist der Nachteil vom Interimskonzept auf der Gäubahn: Der IC bedient auch den Nahverkehrszulauf nach Stuttgart. Die Gäubahn muss dringend ausgebaut werden, damit man genügend Kapazitäten auch hier für den schnellen Fernverkehr per IC hat und den Regionalverkehr. Die Zeit, die der Intercity dann einspart, reicht locker, um auch in Sulz und Oberndorf Systemhalte für den Intercity einzuführen. Dafür würde dieser Zug dann nicht mehr in Bondorf halten."

Kluge, hintergründige Gedanken vom VCD-Chef Lieb zur Gäubahn. Und auch zur umstrittenen Hermann-Hesse-Bahn zwischen Calw und Renningen hat er was zu sagen: "In Renningen gibt es jetzt sogar eine Bürgerinitiative gegen die Hesse-Bahn. Das kann ich nicht nachvollziehen. Die S-Bahn-Fahrt zwischen Renningen und dem Stuttgarter Hauptbahnhof ist sehr lang. Wenn die Hesse-Bahn zu einem Metropol-Express weiterentwickelt wird, würde Renningen von einer schnelleren Verbindung nach Stuttgart profitieren."