Baugebiete: Diskussion zum Flächenverbrauch / Hohe Nachfrage an Bauplätzen / Nuss: Missbrauch von Paragraf

Darf ich jetzt, wo die Zinsen so niedrig sind, ein neues Einfamilienhaus im Neubaugebiet meines Heimatorts in Horb bauen? Diese Grundsatzfrage sorgt für eine heftige Diskussion im Ausschuss für Verwaltung und Technik. OGL und BiM wollen diesen Trend bremsen.

Horb. Die Ortsvorsteher im VT A haben ihre Vorschläge für Neubaugebiete für den vertraulichen Teil auf dem Tisch. Denn: Noch bis zum 31. Dezember können diese Bauplätze im vereinfachten sogenannten "13b-Verfahren" angeschoben werden. Heißt: Spätestens bis zur letzten Sitzung des Jahres am 17. Dezember muss der Aufstellungsbeschluss für alle Neubaugebiete vom Gemeinderat beschlossen werden.

Weil jedes Neubaugebiet bis zu 10 000 Quadratmeter ohne Umweltschutzprüfung nach dem 13b Verfahren haben darf, wäre der Flächenverbrauch dann natürlich groß.

Kein Wunder, dass die Fraktion Bürger im Mittelpunkt, die beim Kampf gegen das geplante Gewerbegebiet in Ahldorf genau dieses Thema auf der Agenda hat, hier reingrätscht. Fraktionsvorsitzende Christina Nuss: "Nicht jeder wünscht sich den ungehemmten Flächenverbrauch. Das sieht man auch beim Wähler, Sonst würden wir nicht hier sitzen." Die BiM holte knapp 16 Prozent der Stimmen bei der jüngsten Kommunalwahl.

OGL-Fraktionschef Luis Schneiderhan schiebt die Diskussion an: "Was mich bei diesen Plänen stört – dass es keine Ausgleichsfläche gibt. Wir möchten mit der BiM den Antrag stellen, dass sich die Stadt Horb selbst verpflichtet, bei der Ausweisung dieser Neubauflächen auf die Umwelt zu achten und entsprechende Ausgleiche zu schaffen." Stadtplaner Peter Klein: "Wenn wir uns dazu freiwillig verpflichten, wären die Vorteile durch das 13b Verfahren weg. Sowohl bei den Kosten als auch bei der Zeit."

Oberbürgermeister Peter Rosenberger (CDU): "Wir kommen in den ländlichen Räumen nicht mit dem Bauen nach. Seit Jahren wünschen sich alle, das zu beschleunigen. Wenn wir uns jetzt selbst diese Möglichkeit nehmen, satteln wir das Pferd von hinten auf."

Nuss: "Ich habe über den 13b recherchiert. Er wurde eingeführt, um vor allem in Städten schneller Wohnraum zu schaffen. Jetzt nutzt ihn hier jeder Teilort, um große Wohnflächen auf der grünen Wiese zu schaffen. Das wirkt ein bisschen wie der Missbrauch dieses Paragrafen." Rumms. Ein heftiger Vorwurf.

OB Rosenberger: "Missbrauch? Wir haben allein 50 Interessenten für das geplante Baugebiet Seitenäcker in Altheim. Wir können uns auch nicht darauf verlassen, dass Wohnungsbau nur in Städten geschieht. Wir hier im ländlichen Raum waren da in der Vergangenheit vielleicht zu langsam. Uns fehlen vom Gesetzgeber auch die Instrumente, um bei der Innenentwicklung und den Baulücken tatsächlich eingreifen zu können."

SPD-Stadträtin Viviana Weschenmoser: "Wir sehen grundsätzlich Redebedarf. Wir haben die Möglichkeit, bei den Bebauungsplänen gestalterisch einzugreifen. Wir können entscheiden, wie viel Einfamilienhäuser und wie viel Mehrfamilienhäusern entstehen sollen." Stadtplaner Klein bestätigt die Gestaltungsfreiheit des Gemeinderats. Mahnt aber: "Ob wir am Ortsrand von Altheim von einem Investorenmodell für Mehrfamilienhäuser reden können, wage ich zu bezweifeln."

OB Rosenberger: "Wir haben am Südring auf dem Hohenberg mal versucht, verdichtetes Bauen durchzusetzen. Dort wurden Reihenhäuser gebaut – da hat sich keiner gefunden. Einer hat es probiert und keine Käufer gefunden. Erst als wir Einfamilienhäuser zugelassen haben, waren die Plätze weg."

Rosenberger erwähnt noch, dass in der Bürgerbeteiligung in allen Ortsteilen der Wunsch nach neuen Bauplätzen geäußert wurde: "Wir sind am Rande der Metropolregion. Der Siedlungsdruck ist im Moment enorm. Entweder drücken wir uns vor der Aufgabe oder wir gehen damit um."

Wieder hält OGL-Fraktionschef Schneiderhan dagegen: "Ich bin ein junger Mensch, der Angst um seine Zukunft hat. Ich frage mich, ob das Gemeinwohl wirklich Vorrang hat, wenn wir Flächen versiegeln und damit auch den CO2-Ausgleich vermindern. Deshalb möchte ich an alle Mitglieder des VTA appellieren: Jeder, der Kinder hat, sollte mit uns stimmen."

Rosenberger kontert: "Ich fühle mich als Vater von drei Kindern angesprochen. Ich glaube, dass alle, die hier sitzen, versuchen, die beste Entscheidung zu treffen. Das heißt nicht, dass die ihre Kinder nicht lieben."

CDU-Fraktionschef Michael Keßler betont, dass man durchaus über die Nutzung der Baugebiete sprechen könne: "Wir müssen natürlich die Bedarfe kennen. Das Wohnen auf dem Land ist traditionell das im Einfamilienhaus. Ich bin nicht der, der umerziehen will. Das heißt aber nicht, dass wir uns im Gremium nicht mit der Nutzung der Neubauflächen auseinandersetzen müssen."

Er erinnert an den CDU-Antrag. Die Fraktion will geklärt wissen, ob es Vergabekriterien für Neubauplätze geben soll oder nicht. Um beispielsweise auch Zuzug von außen zu ermöglichen (wir berichteten). Keßler könne sich auch vorstellen, dass nicht alle Neubauplätze sofort vergeben werden, sondern den Verkauf in zeitlichen Tranchen zu gliedern.

Anton Ade (FD/FW): "In Talheim hatten wir im Neubaugebiet Barbel auch Mehrfamilienhäuser drin. Das war nicht vermarktbar. Die Zeit ist noch nicht reif, dass die bauwillige Generation da einsteigt. Und wenn wir keine Plätze für Einfamilienhäuser anbieten, wandern diese Bürger in die Nachbarkommunen ab."

Fridolin Weckerle (CDU): "Diese Diskussion zerreißt mich fast innerlich. Seit Jahren kämpfen wir um Neubaugebiete, jetzt wollen wir uns lieber Fesseln anlegen. Da fehlen mir die Worte."

BiM-Fraktionschefin Nuss: "Das passiert, weil die Zeit sich ändert. Klimaschutz, Artenschutz werden immer wichtiger. Laut einer Statistik des Regionalverbandes hatte Horb zwischen 2000 und 2017 eine Abnahme der Bevölkerung um 0,5 Prozent. Der Flächenverbrauch durch Wohnungsbau stieg dagegen um 25 Prozent an."

Kristina Sauter (OGL): "Ich glaube, wir sind auf keinem schlechten Weg. Wenn wir den CDU-Antrag zum Anlass nehmen, uns auch mit der Nutzung der Neubaugebiete zu beschäftigen, könnte das Sinn machen."

Das Schlusswort vor der Abstimmung kommt dann von Rosenberger: "Es ist nicht so, dass die Bewohner weg wollen aus ihren Ortschaften – das Gegenteil ist der Fall. Wir stärken auch den ÖPNV, damit die Menschen in den Ortschaften bis ins hohe Alter bleiben können. Die Älteren in den Ortschaften wünschen sich, dass das Haus der Kinder möglichst nahe ist, damit man beieinander wohnt. Wir müssen richtige, strategische Entscheidungen für die Zukunft treffen."

Dann wurde über den Antrag von OGL und BiM abgestimmt, dass die Umweltprüfung freiwillig von der Stadt Horb übernommen wird. Nur die Antragsteller stimmten dafür. Das Neubaugebiet Seitenäcker in Altheim wurde bei einer Enthaltung von Thomas Mattes (SPD) und den vier Gegenstimmen von BiM und OGL zugestimmt.