Das Thema Armut wurde beim Vortrag von Caritas-Leiter Rüdiger Holderried intensiv diskutiert. Foto: Lück Foto: Schwarzwälder Bote

Meinungsaustausch: Ungeschminkte Diskussion bei Kolping / "Geld für Tabak und Hund ist immer da"

Die Kolping-Familie, der Elisabethenverein, Diakon Klaus Konrad und Caritas-Leiter Rüdiger Holderried. Alle sind dafür bekannt, dass sie helfen. Doch was denken sie über Armut und Gerechtigkeit?

Hor b. Wer beim Vortrag über Armut im Adolph-Kolping-Zentrum eine sogenannte "Gutmenschen-Diskussion" erwartet hätte, wurde enttäuscht. Wer einen differenzierten Blick auf die Lage hören wollte, war richtig.

Das große Problem hier in der Großen Kreisstadt: Die Wohnungsnot bei den Bedürftigen. Holderried: "Wir haben mal mit allen Kollegen, die sich um Bedürftige kümmern wie die Erlacher Höhe, die Zahlen gesammelt. In einem halben Jahr haben 100 Menschen bei uns vorgesprochen, die eine Wohnung suchen. Leerstand gibt es höchstens in den Ortsteilen – und der ist sehr häufig nicht renoviert. Wenn jemand bei Hartz-IV angekommen und schlecht angebunden ist mit dem öffentlichen Nahverkehr – wie soll der dann gut arbeiten gehen können ohne Auto und Führerschein?" Ein Zuhörer: "Für Vermieter kann es auch ein Problem sein, wenn sein Mieter nicht zahlt." Der nächste sagt: "Und wer zahlt, wenn dir so jemand die Wohnung verwüstet? Dafür müsste es eine Versicherung geben."

Laut Holderried gibt es bei der Caritas in Oberschwaben ein Konzept dafür. Er habe sich dort schon gemeldet. Der Sozialarbeiter: "Eine Versicherung gibt es nicht. Solche Konzepte können nur dann funktionieren, wenn es nicht um private Vermieter geht. Wir haben unsere Hilfe den Immobilienbesitzern bei Haus und Grund angeboten. Vermieter können gerne bei Problemen mit dieser Klientel auf uns zukommen. Wir können dann versuchen, zu vermitteln."

Strom

Nächstes Thema: Die Stromschulden. Diakon Konrad: "Ich habe heute einen Anruf bekommen: 300 Euro Stromschulden. Die Sperre ist angedroht. Oft schlittern die Leute da rein, bis dann die Lawine los rollt."

Holderried: "Wir versuchen dann schon, den Betroffenen zu helfen. Zu klären, wie es zur Misere gekommen ist. Teilweise sind die Betroffenen auch bereit, einen Teil der Stromschulden, die wir ihnen vorstrecken, zurückzuzahlen. Trotzdem hätte ich gerne mal Ihre Meinung: Was halten Sie von einem Sozialtarif für Strom?"

Ein Mann trocken: "Der Strom ist ja so teuer durch die staatlichen Abgaben. Wenn der Staat die reduziert, können wir alle Menschen mit billigem Strom versorgen. Eine Frau: "Bei den monatlichen Stromkosten geht es doch oft nur um 30 Euro im Monat für Alleinstehende. Das ist doch nicht viel Geld." Ein Zuhörer: "Geld für Hund und Tabak ist immer da."

Holderried: "Nicht jeder Bedürftige hat einen Hund oder ein Haustier. Sie können sich die Situation vorstellen, dass man allein ist. Der Hund wird dann zum treuen Begleiter, der dich nicht verlässt."

Eine Frau: "Immer, wenn ich am Tafelladen vorbeifahre, sehe ich 80 Prozent Raucher. Wenn die das Rauchen aufgeben würden, dann hätten die genug Geld, um Essen zu kaufen. Beim Aldi gibt es auch hervorragendes Obst und Gemüse."

Eine andere Zuhörerin: "Wir kennen Bedürftige, in deren Garten stehen zwei Apfelbäume. Wir haben die gepflückt – von denen hat das keiner gemacht!"

Holderried: "Rauchen, Alkohol, Energy-Drinks – das erlebe ich häufig. Doch das ist die Entscheidung jedes Menschen, was er konsumiert."

Altersarmut

Zudem wurde über die versteckte Altersarmut gesprochen. "Wir erleben – auch durch unseren Elisabethenverein – viele alte Leute. Die haben sich damals, als es den Nachtstromtarif noch gab, eine Elektroheizung einbauen lassen. Die haben jetzt 800 Euro Rente, und 300 Euro gehen allein für Strom weg", sagt Diakon Konrad.

Rosemarie Nitsch, Vorsitzende des Elisabethenvereins: "Es gibt viele ältere Menschen, die müssen mit 400 Euro im Monat auskommen. Davon gibt es mehr, als wir ahnen. Doch die trauen sich nicht, zum Amt zu gehen."

Holderried: "Wir von den Verbänden fordern, das Sozialsystem aus einem Guss zu machen und neu aufzustellen. Hier bei diesem Beispiel wäre es viel einfacher, wenn bei der Berechnung der Rente die Betroffenen gleich auf die sonstigen Unterstützungsmaßnahmen aufmerksam gemacht werden oder diese vielleicht sogar gleich eingeleitet werden."

Das Thema versteckte Altersarmut in Horb. Rüdiger Holderried verspricht am Schluss der Diskussion, mit dem Elisabethenverein über eine bessere Vernetzungsmöglichkeit nachzudenken.