"Crowdsurfing" nennt man es, wenn man sich vom Publikum tragen lässt. Berührungen werden da zwangsläufig in Kauf genommen. Leider kam es aber auch zu einem Vorfall, bei dem die Polizei jetzt überprüft, ob eine Vergewaltigung vorliegt. Foto: Hopp

Sexuelle Übergriffe bei Festen keine Seltenheit. Ermittler: Kein Zusammenhang mit Kampagne "Horb macht Liebe".

Horb - Die Polizei ermittelt weiterhin, ob es zu einer Vergewaltigung auf dem Mini-Rock-Festival gekommen ist. Die Veranstalter verurteilen die Übergriffe. Die Polizei betont, dass es kein spezielles "Mini-Rock-Phänomen" war.

"Ist Angela da?" – diese einfache Frage, die Mini-Rock-Besucher an Bars, Theken und Infoständen stellen konnten, scheint erst mal seltsam, doch es steckt viel dahinter.

Bei dieser Aktion handelt es sich um ein Projekt, das im vergangene Jahr ins Leben gerufen wurde, aber in diesem Jahr auf dem Mini-Rock-Festival richtig umgesetzt wurde, erklärt die Awareness-Beauftragte des Mini-Rocks, Sabine Schorpp. Awareness heißt übersetzt Bewusstsein. Es steht dafür, aufmerksam zu sein für Vorfälle.

Besucher und Besucherinnen, die sich während des Festivals unwohl fühlen, sei es durch eine sexuelle Belästigung, weil sie sich generell nicht sicher fühlen oder weil ihnen alles zu viel wird, haben die Möglichkeit, nach "Angela" zu fragen. Die Mitarbeiter an den Ständen sind dementsprechend geschult worden. "So konnten sie mich dann verständigen. Ich hole die Person dann ab und bringe sie erst mal in den Backstage-Bereich." Dort wird dann über das Problem gesprochen und Schorpp überlegt gemeinsam mit dem oder der Betroffenen, was zu tun ist. "Wenn also beispielweise ein Typ echt nett war, das Mädle dann aber merkt, dass es plötzlich gar nicht mehr so nett ist, kann dieses Angebot in Anspruch genommen werden."

Mini-Rocker nehmen Verantwortung ernst

Die Mini-Rocker nehmen ihre Verantwortung ernst. "Wir haben das vorher über die sozialen Netzwerke verbreitet und auch in unseren Hinweisen zum Festival." Das Angebot sei mehrmals in Anspruch genommen worden, allerdings nur einmal für eine "größerer Sache", wie sie sagt. Dabei habe es sich um eine Straftat gehandelt, eine sexuell motivierte Tat. "Wir haben die Frau dann ermuntert, die Polizei einzuschalten." Mit beinahe 6000 Leuten auf dem Gelände gebe es leider immer ein paar "Deppen". Leider sei es beinahe unmöglich so etwas komplett zu vermeiden, deshalb auch das Projekt der Mini-Rocker.

Dass nun also bei der Polizei fünf sexuelle Straftaten gemeldet wurden, könnte auch ein Erfolg des neuen Programmes sein. "Wir wollen mit der Aktion einfach eingreifen, bevor überhaupt etwas passiert und das Bewusstsein schaffen, dass auch schon bei ›Rumgrapschen‹ ein Schlussstrich gezogen werden muss, wenn das Mädel das nicht will", erklärt Schorpp. Von Seiten der Mini-Rocker sei es demnach auch forciert, dass sich Personen, die sich sexuell belästigt fühlen auch gleich melden. "In den vergangenen Jahren ist es zum Glück immer weiter in das Bewusstsein gerückt, dass sexuelle Belästigungen sehr häufig sind und dass diese nie in Ordnung sind." Und auch wenn es im Rahmen eines Festivals passiert, sei so etwas trotzdem nicht erlaubt. "Niemand sollte sich schuldig fühlen oder denken, dass er es selber zu verantworten hat, weil er womöglich glaubt, die falschen Signale gesendet zu haben."

Bereits im vergangenen Jahr war die Kampagne gestartet worden, in der Festival-Branche waren die Mini-Rocker Vorreiter. ››Damals hatten wir noch einen Wohnwagen, der als Anlaufstelle für alle diente, die sich belästigt fühlten." Dieses Jahr gab es auch auf dem Southside Festival die Möglichkeit zu fragen. "Wo geht es denn hier nach Panama?", lautete hier das Kennwort. "Nun wurden wir sogar von einem Festival in Österreich angerufen, die unsere Anregungen hören wollten, damit sie die Idee auch bei sich umsetzen können", so Schorpp.

Dass die Vorkommnisse nun mit dem Motto "Horb macht Liebe" zu tun haben könnten, wie den Mini-Rockern von ULH-Stadtrat Martin Raible vorgeworfen wird, weisen die Festival-Organisatoren weit von sich. Unterstützung bekommen sie von der Polizei, die ebenfalls keinen Zusammenhang sieht. "Solche Vorfälle wie jetzt beim Mini-Rock passieren leider immer wieder bei ähnlichen Veranstaltungen. Auch bei Dorffesten", so ein Polizeisprecher.

Auch wenn sich die Mini-Rocker zu Unrecht von Raible & Co. attackiert fühlen, verurteilen sie natürlich die Vorkommnisse, die das an sich friedliche Fest trüben. Die Polizei ermittelt aktuell, ob beim schlimmen Vorfall alle Tatbestandsmerkmale einer Vergewaltigung erfüllt seien. Man gehe davon aus, dass es eine sexuelle Handlung gegen den Willen der Frau gegeben habe. "Ob es am Ende auf eine Anzeige wegen Vergewaltigung hinausläuft oder auf den Vorwurf der sexuellen Nötigung abgeschwächt werden muss, wird aktuell geprüft", so der Polizeisprecher.