Zwei Mitglieder der Hells Angels haben vermutlich einen Mann in Dettingen zusammengeschlagen. Foto: Kraufmann

Verhandlung wegen gefährlicher Körperverletzung gegen zwei Rocker aus Reutlingen.

Horb - Am Dienstagfrüh begann unter großem Sicherheitsaufwand vor dem Schöffengericht Horb der Prozess gegen zwei Mitglieder der Reutlinger "Hells Angels". Vorsätzliche, gefährliche Körperverletzung wurde ihnen vorgeworfen.

Ursprünglich ging man sogar von einer Tötungsabsicht aus, doch dieser Vorwurf ließ man schnell wieder fallen. Was blieb, war die Körperverletzung. Die beiden Männer, einer arbeitet unter anderem als Türsteher in der Heilbronner Disco-Szene, der andere ist "Hausmeister" in zwei Reutlinger Bordellen, sollen am 5. November 2014 gegen 14.35 Uhr einen Mann im Horber Ortsteil Dettingen brutal zusammengeschlagen haben.

Morgen soll ein Urteil gefällt werden

Für den ersten Prozesstag hatte Amtsgerichtsdirektor Albrecht Trick 15 Zeugen geladen, von denen 13 sogar bei Gericht erschienen. In der Mehrzahl handelte es sich um Polizeibeamte, die mit der Aufklärung dieser Tat betraut waren. Sie alle steuerten am ersten Verhandlungstag Teile zu einem Puzzle bei, dass das Schöffengericht morgen – am zweiten Prozesstag – zu einem klaren Bild zusammensetzen will. Nimmt man von dieser Informationsflut nur die wichtigsten und fundierten Teile heraus, dann ergibt sich folgendes Bild:

Zwei Täter fuhren am Tattag am Nachmittag gegen 14.35 Uhr vor dem Haus des Geschädigten in einem Auto vor, klingelten und als der Hausbewohner öffnete, drängten sie ihn wortlos Richtung Wohnung und schlugen auf ihn ein. Sie benutzten dazu einen Radschlüssel, der später im Bordwerkzeug des sichergestellten Fahrzeugs fehlte, und einen Teleskopschlagstock, einen sogenannten Totschläger. Zudem traten sie ihr am Boden liegendes Opfer, das laut um Hilfe schrie, mit den Füßen.

Das Opfer erlitt am ganzen Körper Hämatome, Abschürfungen und am Kopf eine drei Zentimeter lange Verletzung der Kopfschwarte. Daher auch die starken Blutungen, die Zeugen und die eintreffende Streife vom Horber Revier im ersten Eindruck feststellten. Über diese Verletzungen berichtete der Tübinger Rechtsmediziner Frank Wehner als Gutachter. Für Wehner stand fest, dass die Verletzungen auf stumpfe Gewalt zurückgingen und vom Verletzungsmuster her zu den Tatwerkzeugen passten. Obwohl er feststellte, dass keine lebensbedrohlichen Verletzungen, insbesondere keine Fraktur des Schädelknochens und keine Traumatisierung des Gehirns vorlagen, gab er zu bedenken, dass Schläge, die mit solcher Wucht geführt werden, auch leicht zu tödlichen Verletzungen führen können.

Auf der Suche nach dem Grund für diese Körperverletzung dürfte die Annahme, dass der Mann einem Missverständnis zum Opfer fiel, wohl die wahrscheinlichste Theorie sein. Wenige Tage zuvor, am 31. Oktober 2014, kam es in einer Horber Gaststätte zu einem Zwischenfall, der höchstwahrscheinlich der Auslöser für die Verwechslung war.

Zwei Mitglieder der Reutlinger "Hells Angels" besuchten morgens um 1 Uhr das Lokal, dass bekanntlich ein Treffpunkt des "MC Outlaw" ist. Gleich zehn Mitglieder dieses Motorradclubs verprügelten wegen dieser "Grenzüberschreitung" ihre Reutlinger "Kollegen." Gegen 3 Uhr morgens standen dann gut 30 Rocker aus Reutlingen in Horb und wollten sich eine Schlacht mit den Horber Rockern liefern. Dies konnte von der Polizei unterbunden werden. Aus dieser Vorgeschichte heraus und aus der Tatsache, dass der Geschädigte ein guter Bekannter des Horber Outlaw-Präsidenten und im Besitz einer Outlaw-Supporter-Jacke ist, konstruierten die ermittelnden Polizeibeamte den vermuteten Sachzusammenhang.

Der Geschädigte selbst kann nicht mehr zum Sachverhalt vernommen werden, da er bereits vor einem Jahr einen Schlaganfall erlitt und seither verhandlungsunfähig ist, und die beiden Angeklagten schwiegen zum Tathergang.

Der Geschädigte kannte Angreifer wohl nicht

Was bei der Anhörung der Zeugen jedoch herausgearbeitet wurde ist, dass der Geschädigte bei allen Befragungen immer betonte, dass er die beiden Männer, die ihn zusammengeschlagen haben, nicht kannte. Was sich anfangs wie ein Schutzbehauptung anhörte, denn "in diesen Kreisen redet man nicht mit der Polizei sondern erledigt seine Streitigkeiten untereinander", wie der leitende Ermittler anmerkte, stellte sich mit fortschreitender Verhandlungsdauer als wahrscheinlich heraus.

"Der Geschädigte hat so gut es ging kooperiert – er hat uns sogar seine Konten offengelegt. Nur als er erfuhr, dass die Hells Angels hier ihre starken Arme im Spiel haben, hat er zugemacht und sah auch von einer Strafanzeige ab", so ein Beamter der Kriminalpolizei abschließend. Der Geschädigte soll zu ihm gesagt haben, dass er Angst hat und nachts nicht mehr schlafen könne.

Dass es sich hier um eine Vergeltungsaktion im Rockermilieu handelt, dürfte nach dem ersten Verhandlungstag klar sein. Nur traf sie vermutlich ein unschuldiges Opfer. Wie Staatsanwaltschaft und das Gericht die Geschichte bewerten, wird sich morgen zeigen.