Christina Coskun, Mutter von Sami, und ihre Schwester Alexandra Gunne demonstrieren vor dem türkischen Konsulat in Stuttgart. Foto: Lück

Christina Coskun will dreijährigen Sohn Sami zurück. Junge von Vater in Türkei entführt. Mit Video

Stuttgart/Horb-Nordstetten/Horben - Das türkische Konsulat in Stuttgart. Hier stehen Christina Coskun und ihre Schwester Alexandra Gunne. Halten Schilder an Holzlatten hoch: "Mein Kind wurde entführt! Hilfe!" Und: "Bitte bearbeiten Sie die Rückführung!" Daneben das Foto von Sami (3).

"Ich vermisse meinen Sami. Weihnachten ist für mich ganz schlimm. Ich würde es am liebsten streichen. Man sieht überall Weihnachtsbäume und Geschenke." Dann kommen Christina Coskun die Tränen: "Und der Kleine kann nicht bei mir sein!" Das schlimme Drama einer Mutter. Denn: Der kleine Sami (3) ist in der Türkei. Ihr Ex-Mann Mohammed (*Name geändert), so erzählt sie, hat ihn einfach aus dem Urlaub nicht mehr zurückgebracht.

Ihr Ex-Mann habe immer Stress gemacht

Coskun sagt: "Vor gut zwei Jahren habe ich mich von meinem Mann getrennt. Weil er nach der Hochzeit und nach der Geburt des Kindes wie verwandelt war. Er wurde aggressiv. Und das hat sich auf den Kleinen übertragen. Als mein Sami dann mit der Flasche auf mich geworfen hat, habe ich mir gedacht: So geht es nicht mehr weiter!"

Sie rief ihre Schwester Alexandra Gunne in Nordstetten an. Sie erzählt: "Klar habe ich gesagt, dass sie bei mir wohnen kann, wenn sie Hilfe braucht. Sie ist ja meine Schwester. Ihr hat das gut getan, bei uns zu wohnen. Denn ihr Ex-Mann hat immer Stress gemacht."

Und diesen Stress hat die Nordstetterin selbst abbekommen. Zunächst hatte das Familienrecht dem Vater seinen Sohn Sami drei Wochenenden im Monat zugesprochen. Dazu den Mittwoch, um das Kind zu sehen. Gunne: "Wenn er das Kind holen konnte, war er immer sehr nett. Bei der Rückgabe hat er immer total Stress gemacht. Einmal hat er meiner Schwester geschrieben, dass er sie bei der Rückgabe in Nordstetten nicht sehen will. Ich machte die Tür auf, er hatte den Kleinen im Arm. Er wollte sich wieder umdrehen. Es sah aus, als ob er gehen wollte. Da habe ich ihn sanft am Arm berührt, damit er bleibt. Er ist ausgeflippt - drei Schläge trafen mich ins Gesicht. Ich bin auch gleich zur Polizei und habe Anzeige erstattet. Doch er ist auch gleich zur Polizei gegangen - und dort wirkte er sehr vernünftig. Das ist seine Stärke."

36.000 Euro Strafe, wenn Mutter den Türkei-Urlaub verwehrt hätte

Gunne, so erzählt sie, erlitt eine Gehirnerschütterung und musste einen Tag ins Krankenhaus. Sie sagt: "Die ganze Familie war angespannt durch diese Situation."

Ihrer Schwester ging es trotzdem so weit gut in Nordstetten, erzählt Gunne: "Wir wurden ganz toll angenommen. Sami fand dort Freunde, die Kita ist toll."

Im Februar 2019 wurde Christina dann von ihrem Ex-Mann geschieden. Doch der juristische Streit ging weiter, so erzählt die Mutter: "Das ganze endete dann vorm Familiengericht in Freiburg, weil ich von Horb inzwischen nach Horben bei Freiburg umgezogen war. Ich bekam das alleinige Sorgerecht zugesprochen. Das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht hatte ich schon. Dafür bekam er per Urteil die Genehmigung, mit seinem Sohn einen Türkei-Urlaub zu machen. Wenn ich das verweigern würde, müsste ich 36.000 Euro Strafe zahlen." Hintergrund sei, so Coskun, wohl ein Gesetz, welches Kindern wie Sami ab drei Jahren erlauben soll, beide Kulturen kennenzulernen.

Drei bis fünf Jahre, bis Sami wieder kommt

Die Mutter erzählt: "Am 12. September war dann das Urteil. Am 15. September flogen die beiden los in die Türkei. Er schickte mir noch ein Foto von sich und meinem Sohn im Flieger."

Und Sami kam bis heute nicht zurück. Die Mutter zeigt ein weiteres Fotos: "Das hat mein Ex-Mann auf seinem Facebook-Profil. Es zeigt den kleinen Sami irgendwo am Meer mit seiner türkischen Großmutter."

Sie hat inzwischen über ihren Anwalt von der Kanzlei Karsten in Sulz die Rückführung von Sami beantragt, erzählt sie: "Der Rechtsanwalt hat mir gesagt, dass es juristisch keinen Zweifel gibt, dass Sami zu mir zurückkommt. Das Problem ist aber, dass das über das türkische Hauptamt läuft, welches in Ankara sitzt. Und das kann zwischen drei und fünf Jahre dauern."

Und genau deshalb stehen Christina Coskun und ihre Schwester vor dem türkischen Konsulat in Stuttgart. Seit Montag.

Mutter und Tante wollen auf das Problem aufmerksam machen

Die Mutter berichtet: "Wir stehen hier, um auf uns aufmerksam zu machen. Der Konsul kam gleich am ersten Tag raus und hat eine Mail an die Türkei geschrieben. Die Mitarbeiter bringen uns Tee, und es sprechen uns viele Leute an." Wie um das zu bestätigen, kommt eine Frau an und sagt: "Ich wünsche ihnen Glück, dass sie ihr Kind zurückbekommen."

Coskun sagt: "Wir hoffen, möglichst viele Leute so auf unser Problem aufmerksam zu machen. Das sie unseren Fall auch in der Türkei bekannt machen. Das vielleicht über die Medien erreicht werden kann, dass der Fall mit meinem Sami schnell vom zuständigen Amt entschieden wird!"

Ihre Schwester sagt unter Tränen: "Wir kriegen ihn wieder. Wir haben jetzt schon so viel Unterstützung von den Passanten, über Facebook. Und so viele liebe Menschen, die uns Tipps geben, was wir noch versuchen können. Wir hoffen, dass die Behörden so schneller arbeiten und wir Sami schnell zurückbekommen!"

Der Schwarzwälder Bote hat bereits am Donnerstag sowohl die türkische Botschaft in Berlin als auch das auswärtige Amt zum Fall Coskun angefragt. Das auswärtige Amt antwortet: "In Fällen, die unter das Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) fallen, besteht unmittelbarer Kontakt zwischen den zu diesem Zweck benannten zentralen Behörden, in der Regel ohne Einschaltung der Auslandsvertretungen. Wir müssen Sie insofern an das für solche Fälle zuständige Bundesjustizministerium verweisen." Dort wurde auch am Donnerstag angefragt. Bis zum Redaktionsschluss kam keine Antwort.