Der Nordstetter Luis Schneiderhan (im Vordergrund) spielte eine der Hauptrollen bei den Domfestspielen St. Blasien. Er verkörperte den jungen Gerbert. Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Luis Schneiderhan aus Nordstetten zeigt bei den Domfestspielen in St. Blasien sein schauspielerisches Können

Mehrere Tage spielte in St. Blasien ein Horber die Rolle eines Horbers. Luis Schneiderhan hat wieder einmal schauspielerisch überzeugt.

Horb/St. Blasien. Bei den vom 15. bis 19. August veranstalteten Domfestspielen wirkte in St. Blasien zum 25. Jubiläumsjahr in dem rund 250-köpfigen Ensemble ein junger Horber mit, der im nächsten Jahr das Abitur machen wird an einem Gymnasium, das nach jenem großen Horber benannt ist, den er auf der Bühne vor dem Dom als Jugendlicher verkörpert hat.

Die Rede ist von dem 17-jährigen Luis Schneiderhan aus Nordstetten, der in dem im Südschwarzwald gelegenen heilklimatischen Kurort an fünf Tagen in die Rolle des jugendlichen Franz Dominic Bernhard Gerbert von Hornau geschlüpft ist. Angesichts des liebenswürdigen Horbers fragte sich ein mit prächtigen Kostümen ausstaffiertes Quartett von Bürgerinnen, warum sich ein so junger Mann der Keuschheit verschreiben will, ohne zu wissen, was ihm entgeht? Das wäre ja so, als würde sich die Raupe dem Fliegen verweigern, ohne zu wissen, dass sie ein Schmetterling wird.

Zuvor hatte der Spiritus Rector der Domfestspiele und Regisseur Wolfgang Endres in dem aus elf Bildern bestehenden Schauspiel "Die Säulen der Hoffnung" den Horber Stadtbrand des Jahres 1725 eindrucksvoll inszeniert. Das Flammenmeer wurde mittels modernster Technik auf die Domfassade projiziert, aus dem Innern der Kirche drang Rauch und vorn auf der Bühne lag der kleine Franz Dominic Bernhard in seinem vor die Tore der Stadt Horb getragenen Bettchen.

Stadtbrand von Horb als traumatisches Erlebnis

Diese traumatische Erfahrung, die Gerbert sein Leben lang nicht mehr losließ, bildete das Leitmotiv der zweieinhalbstündigen Inszenierung. Eine tief sitzende Angst lässt den jungen Gerbert weltliche Liebe verschmähen und ins Kloster eintreten. Fürstabt Martin II. Gerbert von Hornau, der mit dem Klosterbrand im Jahr 1768 gleich zwei verheerende Brandkatastrophen am eigenen Leibe erfahren musste, war im wahrsten Sinne des Wortes ein gebranntes Kind. Das Motiv des Feuers und die inständige Bitte des kleinen Franz – "Lieber Gott, bitte mach’ das Feuer aus" – zogen sich durch das gesamte Stationendrama.

Vor den Augen des staunenden Publikums ließen ungezählte Mönche, Nonnen, Bauern, Bürger und Soldaten das ganze Spektrum des Aufklärungszeitalters erstehen. Die mit Vogelköpfen und schwarzen Flattergewändern maskierten Pestvögel des Nostradamus kündeten als fantastisches Element Unheil und Verderben und bildeten das dunkle, zerstörerische Element der Inszenierung.

Die klassische Frage der Theodizee stellte sich im Schauspiel am Beispiel des Erdbebens von Lissabon, das im Jahr 1755 die Welt erschütterte und mehr als 60 000 Menschen das Leben kostete. Damit Nostradamus nicht überhand gewinnen sollte, stand ihm, ebenfalls meterhoch auf den Portalflügel des Doms projiziert, die heilige Hildegard von Bingen mit ihren Schwestern gegenüber. Sie leugnete das Leid der Welt nicht, aber versprach Linderung und Heilung. Das Gute und das Böse wurden von einer Gruppe Smartphone-Jugendlicher entdeckt, die immer wieder als Beobachter des Geschehens auftraten und es kommentierten. Sie verknüpften das historische Geschehen mit der Gegenwart und einem Blick in die Zukunft. Viel aufklärerisches Gedankengut wurde anlässlich des Wiederaufbaus nach dem Klosterbrand verhandelt. Friedrich Nicolai, ein Hauptvertreter der Berliner Aufklärung und Freund von Gotthold Ephraim Lessing, erzählte bei seinem Besuch in St. Blasien von dessen Ideendrama "Nathan der Weise". Vertreter des Judentums, des Christentums und des Islam setzten sich mit dem Begriff der Toleranz auseinander und fanden zu einer neuen Interpretation der Ringparabel. Sie kamen zwar zu einer Lösung, aber auch zu der Erkenntnis, dass die Wirklichkeit leider eine andere ist.

Für den Bau der neuen barockklassizistischen Klosteranlage mit dem alles überragenden Kuppelbau konnte Fürstabt Gerbert herausragende Bauleute gewinnen, die alle auf der Bühne erschienen. Die innovativen Pläne des Abtes für das Pantheon im Schwarzwald stießen allerdings bei einigen seiner Mitbrüder auf Ablehnung. Zwei Mönche lästerten vor versammeltem Publikum über die riesige Zitronenpresse oder die neue Moschee im Schwarzwald.

Die eindrucksvolle Zeitreise endete damit, dass Soldaten auf der Bühne einmarschierten und die Mönche aus St. Blasien vertrieben. Dieses Unheil sah der Fürstabt schon zuvor in seinen letzten Tagen heraufziehen. Es blieb ihm persönlich allerdings erspart, aus dem Kloster vertrieben zu werden, denn am 13. Mai 1793 verstarb Fürstabt Martin II. Gerbert infolge einer Brustentzündung und wurde vor den Stufen des Altars im Dom zu St. Blasien beigesetzt.

Schneiderhan meistert Rolle eindrucksvoll

Und wie meisterte Luis Schneiderhan seine Rolle? Souverän, eindrucksvoll und einfühlsam inszenierte er den jungen Gerbert. Er selbst sagt einen Tag nach den Vorstellungen: "Es war anstrengend, aber es war ein phänomenales Erlebnis. Ich habe viele tolle Kontakte geknüpft." Lampenfieber habe er nicht verspürt.

Trotz seines jungen Alters brachte er schon einiges an schauspielerischer Erfahrung mit nach St. Blasien. Als er zwölf war, setzte er sich im Casting für das Musical "Ich war noch niemals in New York" durch. Im Udo-Jürgens-Musical, das damals in Stuttgart lief, spielte er die Rolle des Florian. Schon damals nahm er, begleitet von seiner Familie, Strapazen auf sich, für die Proben und Aufführungen stundenlang unterwegs zu sein. Auch dieses Mal war der Anfahrtsweg nicht gering. Er verbrachte manchmal mehr Zeit mit der Anreise, als mit dem Proben. Aber diesen großen Aufwand nahm er trotzdem in Kauf. Theaterinteressierte kennen Luis Schneiderhan aber vielleicht vom Dettinger Theater "Das Chamaeleon" von Dorothea Jakubowski. Dort bekam er unter anderem viel Lob für die Hauptrolle in "Der kleine Prinz" (den er auch in den Ferien noch einmal spielt) oder im jüngsten Stück beim "Enta-klemmer".

Der 17-Jährige absolviert Trainingsstunden in Tanz und Gesang. Und darüber hinaus hat er vor Kurzem mit einem Film über Müllproblematik einen dritten Preis bei einem baden-württembergischen Kurzfilmpreis, dem "Neckar-Entdecker-Preis für Kurzfilme", gewonnen.