Das Ihlinger Tor diente einst als Gefängnis für vermeintliche "Hexen". Foto: Hopp Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Gedenkstätte geplant / Gibt es auch eine offizielle Entschuldigung für die Untaten?

Die Hexenverfolgung in der Stadt startete vor knapp 420 Jahren. Braucht es dafür eine Gedenkstätte und ein "Mea Culpa" des Gemeinderats? Diese spannende Frage wirft Schwabo-Leser Rudolf Bok auf. Der Horber Kultur- und Museumsverein plant bereits einen Gedenkort.

Horb. Bok hat einen Brief an OB Peter Rosenberger geschrieben. Zitat: "Ich beantrage hiermit eine Resolution der Stadt Horb, um den Opfern symbolisch ihre Würde und Ehre sowie ihre Rechte zurück zu geben – dies im Sinne der Versöhnung und Erinnerung. Es ist nicht Sinn dieses Antrages damals Schuldige zu suchen und zu bewerten – es ist geschehen und unsere Lehre daraus: Es darf nie wieder vorkommen."

Solche Resolutionen wurden schon in Ellwangen, Wiesensteig, Ravensburg und Rottenburg vom dortigen Gemeinderat verabschiedet. 

Bok weiter: "Dazu wurden in den anderen Kommunen Gedenkstätten aufgestellt."

Die große Frage: Warum soll der Gemeinderat so etwas tun? Horbs Heimatforscher Franz Geßler: "Das macht schon Sinn. Denn: In Horb beispielsweise war es der Rat, der das Hexengericht besetzt hat. Bürgermeister und die Räte haben die Anklagen geführt und gerichtet."

Viviana Weschenmoser, SPD-Gemeinderätin: "Ich sehe nichts, was solch einer Resolution zur Hexenverfolgung entgegen stehen sollte. Das ist ein düsteres Kapitel der westeuropäischen Geschichte. Allerdings warne ich bei der Resolution vor einem Schnellschuss: Sie muss wirklich ernsthaft sein und auch dem Bürger erklären, warum das so wichtig ist. Vom juristischen Verfahren her war die Inquisition ein großer Fortschritt gegenüber dem Gottesurteil, was davor angewendet wurde. Deshalb sollte man so eine Resolution wirklich gründlich und ernsthaft erarbeiten." Bei der Gedenkstätte ist Horb da schon weiter. Franz Geßler: "Wir vom Kultur- und Museumsverein bereiten das gerade vor – unter der Leitung von Heinrich Raible. Eine Stele steht schon bei Jürgen Poppitz. Ich habe die Aufgabe, die Gedenktafel zu formulieren und zu gestalten. In zwei bis drei Monaten, so der bisherige Plan, soll diese Gedenkstätte beim Kreuzer vor dem Offizierskasino aufgestellt werden."

Denn: Hier stand früher die Kreuzkapelle. Beim Wasserturm der Galgen und das Rad, um die angeblichen Hexen zu richten. Geßler: "Die Stiftsherren standen damals auf dem Turm der Stiftskirche und konnten so genau beobachten, wie die vor dem Rathaus verurteilten Hexen im Eisenwagen des Scharfrichters die alte Steige hochgefahren wurden. In der Kreuzkapelle wurden sie noch einmal kirchlich auf ihren nahenden Tod vorbereitet, ehe sie dann dort, wo jetzt der Wasserturm steht, hingerichtet wurden."

Die Stiftsherren konnten damals genau beobachten, ob ihre Stifte und die Stiftsherren, die die Verurteilten begleitet haben, alles richtig gemacht haben. Krass auch, so Geßler: "Der Stiftskirchenturm, die Kreuzkapelle und die Hinrichtungsstätte sind jeweils 500 Meter voneinander entfernt. Das hat das Vermessungsamt Freudenstadt festgestellt. Der Galgen und das Rad waren an der höchsten Stelle. So konnten Tausende Bürger die Hinrichtungen genau beobachten."

Die "Hexen" wurden auch gefoltert. Geßler: "Im Luziferturm war nach heutigen Erkenntnisse nur das Gefängnis. Die Folterungen müssen in einem Keller auf dem Marktplatz stattgefunden haben. Der Scharfrichter kam aus Rottenburg und seine Dienste waren sehr teuer. Jedes Kneifen mit der glühenden Eisenzange wurde mit Festpreisen berechnet. Egal, ob Zunge rausschneiden, Ohr abschneiden, Blenden, Hängen oder aufs Rad spannen. Das weiß man aus alten Abrechnungsakten. Der Scharfrichter war damals auch ein Wundheiler – damit man die Beschuldigten nach der Folter wieder so herrichten konnte, dass sie erneut befragt werden konnten. Und sein Eisenwagen für den Transport der Gefangenen war der teuerste Wagen damals."

Die Gerichtsverhandlung für die angeblichen Hexen war vor dem Rathaus. Und durch noch etwas stach das Horber Hexengericht aus den Räten hervor, so Geßler: "Horb wurde damals positiv herausgehoben. Weil das Gericht nicht nur die niedrigen Frauen anklagte, sondern auch viele ehrbare Frauen. So wurde sogar eine Vorfahrin von mir angeklagt und hingerichtet – die Geßlerin sollte bei einem Besenritt über dem Bildechinger Feld gesehen worden sein. Für die Bezahlung der Kosten für den Scharfrichter wurde sogar das Vermögen meiner Vorfahren beschlagnahmt. Deshalb haben die Geßlers damals die Stadt so schnell wie möglich verlassen."

Eine gruselige Geschichte, die damals die Räte in Horb um 1600 herum verantwortet haben. Rudolf Bok: "Klar, die Stadt Horb selbst ist heute nicht Rechtsnachfolgerin der damals Verantwortlichen, ebenso nicht die heutigen Kirchenverantwortlichen. Allerdings besteht für uns heute eine ethische Verpflichtung gegenüber den damaligen Opfern und ihren Familien."

Die schlimmen Hexenprozesse in Horb. Das zeigt, wie spannend die Geschichte von Horb sein kann. Sicherlich Grund genug, am Sonntag, 13. Mai, ab 14 Uhr zum Ringmauerturm beim "Tag der offenen Turmtür" zu kommen. Hier erklärt der Kultur- und Museumsverein, was in der Zeit um 1480 in Horb passiert ist. Wer fragt, bekommt sicherlich neben der knallenden Hakenbüchsen auch ein noch mehr Details zur Hexenverfolgung in Horb. Und zur neuen Gedenkstätte.

Geßler: "Aus den Aufzeichnungsakten weiß man, dass der Scharfrichter auch in der Zeit zwischen 1400 und 1450 in Horb tätig war. In welchen Verhandlungen er zum Zuge kam und um welche Vorwürfe es ging, weiß man allerdings bisher nicht."