So sollte es sein: Ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes bedient die Ampel. Dieses System hat jüngst versagt. Foto: Hopp

Rotlicht leuchtet nicht auf: Mann entgeht bei Talheim nur knapp Zusammenstoß mit Zug. Mit Kommentar

Horb-Talheim - Der Bahnübergang bei Talheim, der derzeit "per Hand" gesichert wird, kann getrost als Kuriosum gelten. Doch besteht durch dieses System tödliche Gefahr? Ein Autofahrer ist dort am Wochenende nur knapp einem Zug entgangen – weil die Ampel außer Betrieb war.

Seit dem 14. September 2015 ist die Sicherung des Bahnübergangs Käppel/Talheim auf "Handbetrieb" umgestellt.

Nachdem es an diesem unbeschrankten Bahnübergang wenige Tage zuvor zu einem schrecklichen Zusammenstoß zwischen einer Regional-Stadtbahn und einem Lastzug gekommen war, ist die dortige Lichtsignalanlage kaputt – und zwar nicht nur ein bisschen. "Die Anlage ist nicht nur funktionsunfähig, sie ist total zerstört", hatte ein Bahnsprecher am Donnerstag erklärt.

Da man diesen stark frequentierten, in einer scharfen Kurve liegenden Übergang jedoch nicht ohne Warnhinweise lassen kann, sperren nun Mitarbeiter einer von der Bahn engagierten Sicherheitsfirma den Übergang händisch ab. Zuerst mit einem Flatterband, seit wenigen Wochen mit einer handgesteuerten Ampel.

Ein Bauwagen mit danebenstehendem Dixi-Klo ist ihre Leitstelle, ein GSM-R-Handy die Verbindung zu den Fahrdienstleitern, die jeden ankommenden Zug vorher annoncieren. Oder besser gesagt: fast jeden.

Denn dieses System, das eigentlich lückenlos arbeiten müsste, um Sicherheit zu gewährleisten, hat am Wochenende versagt. Das berichtete Ortschaftsrat Oliver Faßnacht in der jüngsten Talheimer Ortschaftsratssitzung.

Seine Erzählung: Am Sonntagabend will ein von Talheim kommender Autofahrer die Schienen queren. Aus dessen Sicht kein Problem, da die Ampel kein rotes Lichtsignal zeigt. Ein beinahe tödlicher Irrtum. Noch bevor der Mann mit seinem Auto die Schienen erreicht, sieht er die Lichter eines herannahenden Zuges auf sich zurasen. Nur durch eine geistesgegenwärtige Vollbremsung kann er sich retten. Der Zug rauscht vorbei. Und der Mann macht sich Gedanken: Warum war die Anlage nicht in Betrieb? Ist dem Streckenposten vielleicht sogar etwas zugestoßen? Der Autofahrer klopft am Bauwagen; der Mann vom Sicherheitsdienst öffnet etwas erstaunt sein Fenster. Nein, ihm sei nichts passiert und von einem Zug wüsste er auch nichts. Er habe keine Meldung erhalten.

Eine Geschichte, die ungeheuerlich klingt – und die sich dennoch zugetragen hat. Das räumte auch die Bahn gestern auf Anfrage ein. Wie genau es zu diesem potenziell tödlich gefährlichen "Missgeschick" kommen konnte – dazu konnte das Unternehmen gestern keine näheren Angaben machen. "Der Vorfall wird derzeit noch untersucht", erklärte ein Bahnsprecher. Fest stehe bislang nur, dass der Mitarbeiter am Bahnübergang tatsächlich nicht im Vorfeld informiert worden war – und dass dieser Fehler für die Verantwortlichen auf jeden Fall Konsequenzen haben werde.

Aber hätte nicht eigentlich ein ausgeklügeltes System solch einen Vorfall bereits im Ansatz unmöglich machen müssen? Vor einigen Tagen hatte ein Bahnsprecher erklärt, die Sicherung des Bahnübergangs sei "ausgebildeten Sicherheitsfachleuten" anvertraut. Das beteiligte Personal sei Teil einer Telefonkette; vor jedem durchfahrenden Zug erfolge ein Anruf der Bahn an den Mitarbeiter, der am Bahnübergang seinen Dienst versieht. Sollte dieser Anruf nicht entgegen genommen werden – weil der Arbeiter beispielsweise ohnmächtig ist – müsse der Zugführer sofort benachrichtigt werden und vor dem Übergang stehen bleiben.

Dieses System scheint versagt zu haben. Doch welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Wird die Bahn den Handbetrieb durch eine andere Sicherungsmethode ergänzen? Um dazu etwas Konkretes sagen zu können, sei es noch zu früh, erklärte ein Bahnsprecher und verwies darauf, dass man erst am Anfang der Untersuchungen stehe. "Wir gehen aber schon davon aus, dass der Bahnübergang sicher ist", sagte der Sprecher.

Nicht zuletzt, da man bereits vor diesem Vorfall eine zusätzliche Sicherungsmaßnahme installiert habe: Sollte die Ampelanlage aus welchen Gründen auch immer nicht funktionieren, löse der ankommende Zug einen Kontakt aus, der an der Strecke in einiger Entfernung vor dem Bahnübergang installiert sei – verknüpft mit einer Art Lautsprecheranlage, die durch lautes Hupen sowie den Ausspruch "Zug kommt!" sowohl Autofahrer als auch den Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes warnen soll.

Wie effektiv dieses System am Sonntag tatsächlich war, um den Autofahrer zu warnen, bleibt dahin gestellt.

Für das gesamte Talheimer Gremium ist die Situation an diesem viel befahrenen Übergang aber ohnehin in jedem Fall ein Unding. Vor allem die Aussagen der Bahnverantwortlichen, dass man hier vorerst mit dem Provisorium weiterleben müsse – ein Umstand, den unsere Zeitung aktuell in zwei Berichten aufgearbeitet hat – ist für den Rat mehr als unbefriedigend.

"Bis 2018 können und wollen wir nicht auf eine sichere Lösung oder gar eine Brücke warten", so der Tenor des Ortschaftsrates. "Muss denn erst was passieren, bis die verantwortlichen Stellen reagieren?", fragte Oliver Faßnacht kopfschüttelnd.

Rat Hermann Walz hat zu diesem Thema übrigens sogar den baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann angesprochen – mit einem ernüchternden Fazit: "Der Hermann hat keinen Plan – der schiebt alles auf die Bahn." Das reimt sich zwar, nutzt aber nichts.

Für die Verkehrsteilnehmer, die diesen Bahnübergang queren müssen, heißt es nun zunächst auf jeden Fall, dass sie sich vielleicht besser nicht allein auf die Lichtanlage verlassen sollte. Denn eines steht fest: Ob Flatterbandabsperrung oder handgeschaltete Ampel – wenn der Mann, der diesen Übergang sichern soll, keine Information bekommt, dann kann es lebensgefährlich werden.

Kommentar: Alles offen

Von Ralf Klormann

Es hätte schlimm enden können: Ein Autofahrer ist am Talheimer Bahnübergang nur knapp einem Zusammenstoß mit einem Zug entgangen, weil der Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes, der die Ampel bedienen sollte, nichts von der nahenden Gefahr ahnte. Es steht außer Frage, dass die Bahn den Fall nun restlos aufklären und vielleicht ihr System der Sicherung per Handbetrieb überdenken muss. Wie eine andere Lösung aussehen könnte, ist völlig unklar. Denn eine neue Anlage, die allen Sicherheitsansprüchen gerecht wird, kann nicht von heute auf morgen gebaut werden, sondern braucht Zeit. Wie soll es also weitergehen? Optionen gibt es kaum. Sollte der Handbetrieb scheitern, bliebe eigentlich nur die Möglichkeit, die Straße zu sperren, bis die Brücke kommt, die dort ohnehin geplant ist. Dann müsste allerdings alles ein bisschen schneller gehen.