Vor dem Amtsgericht Horb musste sich ein 36-Jähriger verantworten, der seine Frau in Betra entführt hatte. Foto: Hopp

Mann muss sich wegen Entführung und Vergewaltigung verantworten. Frau hatte sich in Betra versteckt.

Horb - Zwei Menschen sitzen an einem regnerischen Novemberabend gemeinsam am Küchentisch. Plötzlich klopft es am Fenster und wenig später schlägt ein Mann das Fenster mit einer Axt ein. Er dringt in die Küche ein und bedroht die Leute. Als die zwei fliehen wollen, schlägt der Eindringling zuerst den Mann ins Gesicht und wenig später die Frau brutal zusammen. Er zerrt sie in ein Auto, fährt mit ihr durch die Gegend und vergewaltigt sie unter einer dunklen Brücke. Dies ist kein Drehbuchauszug aus einem Horrorstreifen, sondern Realität. Passiert am 5. November im kleinen Horber Ortsteil Betra und später in Bondorf (Kreis Böblingen).

Der Prozess zu dieser Tat begann am Dienstagvormittag vor dem Horber Schöffengericht. Der Angeklagte, ein in Sigmaringen geborener 36-Jähriger, der zuletzt in Biberach/Riss bei seiner damaligen Lebensgefährtin wohnte, soll diese am Tatabend mit brutaler Gewalt aus einer Wohnung in Betra verschleppt haben. Die Frau, die sich seit Sommer 2017 vor dem Angeklagten versteckte, hatte dort Unterschlupf bei einem Bekannten gefunden.

"Er hat uns überall gefunden"

Rund sieben Jahre waren der Beschuldigte und die 43-jährige Geschädigte ein Paar. Es war eine Beziehung, die von der Spielsucht und der Eifersucht des Angeklagten, aber auch vom früheren Lebenswandel der 43-Jährigen, die an einem Methadon-Programm teilgenommen hatte, geprägt war. Er hatte die Frau, mit der er einen gemeinsamen Sohn hat, immer wieder geschlagen. Im Sommer 2017 kam es dann zum Eklat. "Er hat mich gewürgt, zusammengeschlagen und getreten," erzählt die Frau zitternd dem Gericht. Sie schilderte weiter, dass sie sofort zusammen mit ihrer Mutter und dem Sohn in das Biberacher Frauenhaus geflüchtet sei, aber auch dort habe er sie gefunden. "Wir sind dann weiter vor ihm abgehauen, haben in Hotels und Pensionen, im Auto und bei Bekannten übernachtet, doch überall tauchte er auf. Er hat uns überall gefunden", schilderte die Geschädigte den Tränen nahe. Sie fügte an, dass sie seither nur noch aus dem Koffer lebt. Und dies, obwohl gegen den Mann vom Gericht ein Annäherungsverbot, eine sogenannte Gewaltschutzanordnung, ausgesprochen wurde.

Drohungen wie "unser Sohn wird ohne Eltern aufwachsen" oder "es wird ein Familiendrama geben" seien bei ihm an der Tagesordnung gewesen, so die 43-jährige Arzthelferin, die seither ihren Beruf nicht mehr ausüben kann. Auch die Schwester des Angeklagten bestätigte dessen ständige Drohungen. Auch der Unterschlupf in Horb war letztendlich nicht sicher.

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft warf dem taubstummen Mann, für den zwei Gebärdendolmetscher die Verhandlung simultan übersetzten, in ihrer Anklage vor, dass er das Fenster der Wohnung, in dem sich die Frau vor ihm versteckt hatte, mit einer Axt einschlug. Danach sei er ins Haus eingestiegen und habe seine frühere Partnerin und den Wohnungsinhaber mit eben der Axt bedroht. "Ich bring euch beide um", soll er gedroht haben. Den beiden sei durch ein Ablenkungsmanöver die Flucht ins Auto gelungen sein. Doch der Beschuldigte habe sie rasch eingeholt, die Beifahrertür aufgerissen und dem Fahrer ins Gesicht geschlagen. Seine frühere Partnerin habe er an den Haaren aus dem Wagen gezerrt. Vor dem Auto habe der Angeklagte sie dann voller Wut brutal zusammengeschlagen.

Großaufgebot sucht nach Flucht nach dem Mann

"Ich wollte das nicht", ließ er seine Dolmetscher mitteilen, "doch wenn sich in meinem Gehirn ein Schalter umlegt, dann raste ich aus." Als er dann festgestellt habe, dass sein angeblicher Nebenbuhler fliehen wollte, sei er dem Mann mit der Axt in der Hand nachgerannt. Der konnte ihm jedoch entkommen. Der Täter habe die Axt in den Straßengraben geworfen und aus dem Haus ein 28 Zentimeter langes Küchenmesser geholt, damit habe er die Geschädigte in sein Auto gezwungen. "Dort schmiss er mich auf den Rücksitz", so die Frau. Über Feldwege sei er davon gerast.

Eine ganze Armada von Polizeifahrzeugen samt einem Polizeihubschrauber suchte damals nach dem 36-Jährigen. Die wilde Jagd führte in die Nähe eines Industriegebiets in Herrenberg und später nach Bondorf. Dort soll er die Frau im Auto anschließend vergewaltigt haben.

Insgesamt werte die Staatsanwaltschaft dieses Tatgeschehen in der Reihenfolge der Tatausführung als Sachbeschädigung, Bedrohung, als ein Vergehen gegen das Gewaltschutzgesetz, als gefährliche Körperverletzung mit Waffengewalt, als Freiheitsberaubung und Vergewaltigung.

Nach der Tat konnte der Mann von einer Herrenberger Streife ohne Widerstand festgenommen werden. Seither sitzt er in U-Haft in der JVA Rottweil, aus der er mit Fußfesseln vorgeführt wurde.

Im Wesentlichen bestätigte er die Geschichte mit dem eingeschlagenen Fenster, auch die Körperverletzungen gab er zu, doch mit Freiheitsberaubung und Vergewaltigung habe das, was passiert sei, überhaupt nichts zu tun. Man sei sich im Auto wieder nähergekommen, so seine Wahrnehmung. Er habe der Frau eigentlich eine neue Beziehung gegönnt, doch seinen Sohn hätte er sehen wollen. Schlagen wollte er seine Ex-Partnerin zu keiner Zeit, doch sei es leider immer wieder passiert, was ihm leid tue. Er schilderte die Freundschaft und das Zusammenleben in dieser Beziehung recht detailverliebt und stellte sich als den überwiegend treu sorgenden Partner dar. "Nicht ganz so blumig wäre uns recht", unterbrach ihn Amtsgerichtsdirektor Albrecht Trick inmitten seiner weitausholenden Schilderungen.

Ob es letztendlich zu der angeklagten Vergewaltigung gekommen ist, das blieb am ersten Verhandlungstag als Verschlusssache hinter den Türen des Gerichtssaals, da der Vorsitzende für diese Aussagen die Öffentlichkeit vom Verfahren ausschloss.

Belegt ist zumindest, dass die 43-Jährige nach der Tat im Krankenhaus behandelt werden musste. Dass die Frau diese Schreckensfahrt noch nicht verarbeitet hat, das sah man ihr auch noch fünf Monate später an. "Er hat sich zu mir auf die Rückbank gesetzt, mit seinem Freund gechattet und sich von ihm verabschiedet", sagte sie, mühsam um Worte ringend. "Ich habe geglaubt, der bringt mich jetzt um", sagte sie über die Zeit im Auto.

Die Zeugenbefragung ist fast abgeschlossen. Am morgigen Donnerstag wird der Prozess mit dem Abschluss der Beweisaufnahme, dem psychologischen Gutachten sowie den Plädoyers von Staatsanwaltschaft, des Verteidigers und der Nebenklage fortgesetzt.