Im Krisenmodus: das Horber Rathaus. Foto: Hopp

Warum OB Peter Rosenberger und sein Team bei der Corona-Problematik vorne sind. Mit Kommentar

Horb - Montag wurde der erste Corona-Fall im Landkreis Freudenstadt bestätigt. Dienstag handelt Horbs Oberbürgermeister Peter Rosenberger als einer der ersten Stadtoberhäupter im Umkreis konsequent: Sagt alle städtischen Verstaltungen ab. Jetzt sagt er: Ab sofort ist das Rathaus im Krisenmodus!

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"Wenn man die drastischen Maßnahmen in Italien und jetzt in den USA sieht, die einen Einreisestopp aus Europa angeordnet haben, sieht man, dass es bei der Bekämpfung des Coronavirus auf jeden Tag ankommen kann. Denn wenn es erst einmal soweit ist, dass man ganze Länder abriegelt, dann kann man die Infektionsketten nicht mehr verfolgen. Damit es nicht soweit kommt, haben wir am Dienstag erste Maßnahmen umgesetzt." Das sagt OB Rosenberger.

Veranstalter wurden sensibilisiert

Während Empfingens Bürgermeister Ferdinand Truffner noch auf seinem Bürgerempfang beharrte und Rottenburgs Stadtspitze noch nichts entschied, hat Horb sofort gehandelt. Am Dienstag verschickte das Ordnungamt gleich einen Fragebogen an alle privaten Veranstalter. Mit der Bitte um sofortige Rücksendung. Rosenberger betont: "Das war die Idee aus dem Fachbereich. Die Fragebögen sollten dazu dienen, dass wir einen schnellen Überblick und Informationen bekommen, um möglicherweise ordnungspolizeilich zu handeln."

Doch der Effekt: Gleich nach Erhalt des Fragebogens kamen die Veranstalter ins Grübeln. Wurden sensibilisiert. Ewald Loschko vom Projekt Zukunft hatte sofort sein Projektteam zusammengerufen, um zu klären, ob man weiter auf die geplanten Veranstaltungen setzt.

Am Mittwoch dann die Absagewelle. Und das ist für OB Rosenberger auch verantwortungsvoll: "Jeder von uns hat Eltern und Großeltern. Wir wissen, dass die Risikogruppen für die schlimmen Folgen des Corona-Virus im Seniorenbereich liegen. Jeder wird privat jemanden kennen, der Opfer dieser Krankheit sein wird oder sein könnte. In den USA beträgt die Mortalitätsrate durch Corona 25 Prozent, weil nicht sofort konsequent gehandelt wurde. Deshalb mussten wir sofort handeln. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Virus durch Veranstaltungen weiterverbreitet, ist sehr hoch." Rosenberger appelliert an jeden Einzelnen: "Ich hoffe, dass wir in dieser Situation alle an einem Strang ziehen und es aushalten. Sagt Veranstaltungen ab und seid vernünftig!"

Erste Veranstaltung verboten

Deshalb wurde sogar schon die erste Veranstaltung ordnungspolizeilich untersagt. Beispielsweise der "Salsa-Abend" im Kloster. "Gerade Tanzen mit den engen Körperberührungen ist natürlich eine sehr hohe Risikostufe", sagt Rosenberger.

Sind die Veranstalter sauer? Rosenberger: "Formell mussten wir bisher wenige Veranstaltungen absagen. Einige wenige verstehen es noch nicht. Aber mehr und mehr kommen zur Vernunft. Andere Veranstalter sind auch ganz froh – vielleicht auch aus versicherungstechnischen Gründen – wenn wir entscheiden. Eins ist klar: Wer heute noch einen Seniorennachmittag veranstaltet, muss sich schon den Vorwurf gefallen lassen, dass er den Schuss noch nicht gehört hat."

In Schulen und Kitas gibt es nur noch interne Veranstaltungen. Rosenberger: "Ich habe die Bildungsträger gebeten, alle Fremdveranstaltungen abzusagen. Auch Fußballturniere."

Feiern, Hochzeiten und Beerdigungen in Gefahr

Das Rathaus lässt sich inzwischen die Belegungspläne der Hallen geben. Und kontrolliert, was in allen städtischen Gebäuden oder Vereins-Gebäuden geplant ist. Rosenberger: "Ein 60. Geburtstag in einem Vereinsheim mit 100 Gästen wäre aus Infektions-Gründen natürlich das höchste Risiko. Bussi-Bussi, Tanzen. Dazu gehören auch andere Feiern wie Hochzeiten. Wir behalten uns vor, private Veranstaltungen ortspolizeilich abzusagen. Wenn man mitbekommt, dass es solch eine private Veranstaltung in einem Sportheim stattfindet, muss man sich auch trauen, die zu untersagen."

Auch Beerdigungen könnten in Gefahr sein. Rosenberger: "Größere Beerdigungen sind natürlich nicht nur wegen des Alters der Teilnehmer, sondern auch wegen Tränen und dem Körperkontakt ein Risiko. Da ist es Sache der Kirchen, darauf zu reagieren. Auch die Form des Gottesdienstes kann ein Risiko bieten. Und ich gehe davon aus, dass dort auch schon diskutiert wird."

Zwei Mitarbeiter befinden sich inzwischen in Quarantäne. Einer war im Risikogebieten im Elsass, der andere Mitarbeiter hatte Kontakt zu einer infizierten Person. Rosenberger: "Die Testergebnisse sind noch nicht da." Klar ist auch: Diese Stadt-Mitarbeiter sind freigestellt bei vollen Bezügen, wie auch im Landesdienst üblich. Rosenberger: "Wir bereiten uns auch darauf vor, den Verwaltungsbetrieb aufrecht zu erhalten, aber den Publikumsverkehr zu beschränken. In den nächsten Wochen kann es sein, dass das Rathaus keine offenen Türen mehr hat. "

Auch eine Urlaubssperre für "noch gesunde" Stadtmitarbeiter ist ein Instrument, um die Arbeit des Rathauses aufrechterhalten zu können. Dies sei aber im Moment noch nicht nötig, so Rosenberger. Stadtsprecherin Inge Weber: "Eins ist natürlich auch klar: Wer jetzt von den Stadtmitarbeitern in den Urlaub in ein Risikogebiet geht, hat keinen Anspruch auf Gehaltsfortzahlung. Stichwort: eigenes Verschulden."

Und was ist mit unaufschiebbaren Angelegenheiten? Rosenberger: "Es gibt Überlegungen, dafür das Bürgerbüro zu nutzen. Hier könnte man eine Schleuse installieren." Die Stadtbibliothek bleibt bis auf Weiteres offen.

In Österreich werden inzwischen die Schulen geschlossen. Rosenberger: "Als Schulträger dürften wir das auch. Das würden wir natürlich nur in Rücksprache mit dem Kultusministerium machen."

Zentrale Not-Kita geplant

Österreich verhängte Fernunterricht per Internet an den Hochschulen. Ginge das auch an den Schulen in Horb? Rosenberger. "Ich denke nicht. Deshalb gehe ich davon aus, dass die momentane Lage sicherlich einen Schub bei der Digitalisierung der Schule auslösen könnte."

Bei den Kitas gibt es schon erste Überlegungen, bei Corona-Fällen zentrale Betreuungen zu schaffen. Rosenberger: "Es muss natürlich eine gewisse Kinderbetreuung für die Kräfte gewährleistet sein, die im Rettungsdienst oder an anderen wichtigen Sektoren arbeiten." Die Hausmeister sind angewiesen, Desinfektionsmittel bereit zu halten.

Italien schließt Geschäfte. Darf die Stadt Horb das auch? Rosenberger: "Das weiß ich im Moment nicht. Das sehe ich aber bei der derzeitigen Lage noch nicht als das dringlicheste Problem."

Wichtig für Rosenberger: "Der Kreis Calw hat sich gestern gemeinsam mit den Bürgermeistern auf ein einheitliches Vorgehen bei Veranstaltungen geeignet. Mit einer Richtgröße von 50 Teilnehmern. Sehr gut. Dafür setzte ich mich auch beim Treffen im Landratsamt ein. "

Gut, dass Horb schon mal vorangegangen ist. Rosenberger: "Was wir jetzt durch Corona haben, ist kein Katastrophenfall. Erst im Katastrophenfall hätte der Landkreis die Kompetenz, über alle Kommunen hinweg anzuordnen, was noch erlaubt ist und was nicht."

Rosenberger hat eigenen Urlaub gestrichen

Pikant auch: Horb ist vorgeprescht. Der Landkreis Calw hat blitzschnell mit seinen Bürgermeistern reagiert. Der Landkreis Freudenstadt ist erst heute so weit. Der Grund: Landrat Klaus-Michael Rückert war im Urlaub, hat ihn kurzfristisg abgebrochen.

Das kommt für OB Rosenberger nicht in Frage: "Ich hatte eigentlich mit Freunden einen Ausflug nach Krakau geplant. Den habe ich natürlich sofort abgesagt. Wenn die Krise da ist, musst du bei deiner Mannschaft bleiben. Unabhängig mal von der Frage: Was passiert, wenn an deinem Urlaubsort Corona-Maßnahmen getroffen werden und man nicht mehr zurück darf?"

Auch vorbildlich – Rosenberger nimmt persönliche Opfer in Kauf: "Klar ist, dass ich auf keine Veranstaltung gehen werden. Meine 80-jährige Mutter wollte jetzt kommen und ihre Enkel besuchen. Das haben wir natürlich verschoben."

Fakt ist: Nach dem Treffen im Landratsamt wird der endgültige Krisenstab in Horb eingerichtet. Rosenberger: "Derzeit haben wir den sogenannten Verwaltungsstab. Den haben wir seit zwei Wochen eingerichtet. Mitglieder sind alle Fachbereichsleiter und die Feuerwehr. Der Krisenstab wird anders zusammengesetzt. Denn eins ist klar: Im Moment sind alles noch freiwillige Maßnahmen. Wir müssen davon ausgehen, dass die Maßnahmen bald nicht mehr freiwillig sein werden. Wir müssen alle in den Krisenmodus gehen."

Doch wie lange wird der Krisenmodus in Horb noch dauern? Rosenberger: "Ich gehe davon aus, dass uns das Thema bis in den Sommer beschäftigen wird. Stand heute sehe ich die Ritterspiele im Juni als sehr, sehr gefährdet. Mehr als 1000 Personen. Schwer zu dokumentieren, wer woher kommt. Überregionales Publikum, darunter viele Italiener."

"Würde CDU-Versammlung verbieten"

Indirekt rät Horbs OB Rosenberger (CDU) seinen Parteifreunden auch, die Delegiertenversammlung zur Wahl des Landtagskandidaten am 28. März in Dornstetten abzusagen: "In Horb würde ich diese Delegiertenversammlung nicht erlauben."

Gemeinderats- und Ortschaftsratssitzungen werden allerdings weiterhin stattfinden. Rosenberger: "Dort gibt es einen Erlass, der das ausdrücklich vorsieht. Alle Sitzungen werden planmäßig sein."

Kommentar: Chapeau

Von Jürgen Lück

Kann OB Peter Rosenberger auch Krisenmanagment? Am Montag wurde im Landkreis Freudenstadt der erste Corona-Fall bestätigt. Horb hat Dienstag blitzschnell reagiert: alle eigenen Veranstaltungen abgesagt. Durch die Fragebogen-Aktion an alle Veranstalter wurde erreicht, dass viele gleich mitgezogen haben. Ohne, dass das Rathaus irgendwelche Personen-Obergrenzen hätte festlegen müssen. Während Kollegen wie OB Stephan Neher noch abgewartet haben oder Empfingens Bürgermeister Truffner noch an seinem Bürgerempfang festhielt, wurde in Horb entschieden gehandelt. Weil jeder Tag in der Verbreitungskette zählt, um unsere Omas, Opas, Eltern oder Kollegen vor einer ernsthaften Corona-Erkrankung zu bewahren, kann man nur sagen: Chapeau. Der OB: "Die Idee mit den Fragebögen hatte Michaela Kronenbitter. Wenn, gehört ihr ein großes Lob!"