Fotos mit Widmungen der bekannten Politiker, mit denen Jörg Max Fröhlich zusammengearbeitet hat, zieren seine übervollen Bücherregale in seinem Haus in Meßstetten, wo der Politikberater und Kommunikationsexperte seit zwei Jahren mit seiner Frau lebt. Foto: Karina Eyrich

Warum beschäftigt sich ein politischer Berater, der längst in Rente gehen könnte, intensiver als die meisten mit Künstlicher Intelligenz? Für Jörg Max Fröhlich ist es die Gretchenfrage unserer Zeit, wie er an der Hochschule in Albstadt ausgeführt hat.

„Dürfen wir alles, nur weil wir es können?“ Zu Zeiten, da Jörg Max Fröhlich Granden der bundesdeutschen Politik wie Lothar Späth, Franz-Josef Strauß, Manfred Rommel, Gerhard Mayer-Vorfelder und Erwin Teufel beraten und begleitet hat, war diese Frage leichter zu beantworten als heute. Denn die KI ist in der Welt – die Künstliche Intelligenz, von der noch niemand sagen könne, wie selbstständig sie dereinst agieren wird.

 

„Die Folgen müssen von Anfang an bedacht werden – daran hat uns die menschliche Hybris meist gehindert“

Für einen Vortrag an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen hat sich der gebürtige Freudenstädter, der weit in der Welt und der Bundesrepublik herumgekommen ist, intensiv mit den Vor- und Nachteilen dieser Entwicklung beschäftigt – weil es für ihn selbstverständlich ist, auch mit 74 Jahren an Zukunftsthemen zu arbeiten. „Ich bin davon überzeugt, dass bei der Entwicklung von KI von Anfang an die Folgen bedacht werden müssen – daran hat uns die menschliche Hybris meist gehindert“, betont der Wahl-Meßstetter.

Der kategorische Imperativ des Philosophen Immanuel Kant gelte mit Blick auf KI mehr denn je: Folgt eine Handlung einer Maxime, die für alle, zu jeder Zeit und ausnahmslos akzeptabel sein kann? „Wir müssen diese Welt wohnlich erhalten“, fasst Fröhlich es in einfache Worte. „Darüber wird noch zu wenig nachgedacht.“

Schon als wissenschaftlicher Assistent des Philosophen Günter Rohrmoser in den 1970er-Jahren hat Fröhlich interessiert: „Was kann der Mensch – und was darf er?“

Verführerisch seien schließlich die Vorteile der KI: „neue Behandlungsmethoden in der Medizin, dauerhafte Produktionssteigerungen, Effizienz im Kampf gegen die verheerenden Folgen des Klimawandels und deutliche Entlastung durch allwissende Assistenzsysteme“.

Wenn die KI einem Amputierten helfe, seine künstliche Hand zu steuern, oder einem Arzt, einen Tumor permanent zu überwachen, gerieten ihre potenziell nachteiligen Aspekte erfahrungsgemäß schnell außer Acht, betont Fröhlich. Auch auf diese weist sein Vortrag hin: Massenarbeitslosigkeit durch Automatisierung, synthetisch erzeugte Desinformation, eine Weltwirtschaft in der Hand weniger Digitalkonzerne – und KI-Kampfmaschinen, die „weder Gnade noch Mitleid“ kennen: „Wir können heute nicht ausschließen, dass KI eines Tages, als lernendes System, ein Bewusstsein entwickelt, sich selbstständig macht“, sagt Fröhlich.

„Wen würde wohl das autonome Auto überfahren, um noch größeren Schaden zu vermeiden – den Rentner oder den Studenten?“

Alltagsnahe Beispiele hat er ebenfalls in seinen Vortrag eingebaut: Was passiert, „wenn ein autonom fahrendes Auto, um noch größeren Schaden zu verhindern, zwischen zwei Möglichkeiten auswählen muss: Überfährt es den Rentner oder den Studenten?“

Der Schlüssel zur sinnvollen und hilfreichen Anwendung von KI ist für Jörg Max Fröhlich die Auseinandersetzung ihrer Entwickler selbst mit diesen Fragen: „Viele Pioniere der KI warnen uns eindringlich vor den Gefahren“, betont er und weist auf die „Bletchley Declaration“ (siehe Info) hin, die Entwickler von KI dazu auffordere, „ihre Pläne zur Eindämmung potenziell schädlicher Auswirkungen ihrer Programme offenzulegen. Außerdem sollen sie für die Folgen ihres Handelns verantwortlich gemacht werden“.

Beim Bürgerempfang der Stadt Meßstetten im Juni 2023 hat Jörg Max Fröhlich die hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion moderiert. (Archiv-Foto) Foto: Stadt Meßstetten/Volker Bitzer

Geht das überhaupt? Wenn Jörg Max Fröhlich an den flächendeckenden Einsatz von „Live-Gesichtserkennung zur totalen Überwachung von Menschen“, wie sie „in China bereits praktiziert wird“, und an die Folgen für das soziale Zusammenlegen und die Freiheit des Menschen denkt, stimmt ihn das eher pessimistisch.

„Wir Menschen sind auch mal übermüdet oder haben einen schlechten Tag – KI nicht“

Die Ängste der Menschen vor der vierten Industriellen Revolution hingegen teilt er nicht: Der Einsatz intelligenter Computersysteme, die medizinische Diagnosen erstellten, in Rechts- und Vermögensfragen berieten, Arbeit von Ort und Zeit unabhängig machten – in seinem Vortrag listet er weitere Beispiele auf – könnten Ressourcen schonen und einen Beitrag zum Schutz von Klima und Umwelt leisten, Lebensqualität steigern, Gesundheit und Sicherheit verbessern. „Wir Menschen sind auch mal übermüdet oder haben einen schlechten Tag – KI nicht“, bringt Fröhlich es auf den Punkt.

Die Voraussetzung aus seiner Sicht ist jedoch eine „globale Übereinkunft“, weil „nationale Alleingänge absolut irrelevant“ seien: Die Politik sollte sich „interdisziplinär beraten lassen“, betont Fröhlich. Die EU beschäftige sich inzwischen auf mehreren Ebenen damit, doch dabei dürfe sie sich nicht von Bürokratie lähmen lassen: „Bei aller Euphorie möglicher Regulierungen ist festzuhalten, dass nicht die KI reguliert werden kann“, heißt es in seinem Vortrag. „Es werden Menschen reguliert, die KI entwickeln oder einsetzen.“

Fröhlich selbst freilich braucht keine KI, wenn er Reden schreibt, was er noch immer mit großer Freude – und herrlichem Ausblick von seiner Meßstetter Terrasse bis zu den Alpen – tut: Im Kopf hat er mehr Wissen und Erfahrung als die vielen Bücher in seinen zahlreichen Regalen zu bieten hätten, und in der Zusammenarbeit mit Entscheidungsträgern in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft setzt er auch das ein, was KI – zumindest nach bisherigem Stand – nicht hat: Vernunft, Empathie – und Gewissen.

„Vieles wird nicht genug wertgeschätzt, und das rächt sich – die Folgen des Klimawandels sind ein Beweis dafür“

„Wir bezahlen für alles, was wir tun oder unterlassen, unseren Preis“, sagt er. „Vieles ist für uns leider selbstverständlich geworden und wird nicht angemessen wertgeschätzt. Das rächt sich – die verheerenden Folgen des Klimawandels sind ein Beweis dafür.“