Nagolder Gäste im Eisenbahn-Museum Foto: Kern

Eigentlich sollte es nur ein Verwandtenbesuch in Niedersachsen werden. Doch dann entdeckten Nagolder dort etwas, was sie an die Heimat erinnerte: eine Diesellok des ehemaligen "Altensteigerle".

Nagold/Bruchhausen-Vilsen - Offiziell ist die Gemeinde Bruchhausen-Vilsen ein "Flecken". So heißen kleine, aber lokal bedeutende Marktgemeinden mit einer zentralörtlichen Funktion in Niedersachsen. Der "Flecken" liegt zwischen Bremen und Oldenburg, zählt circa 9000 Einwohner und ist wegen seines gemäßigten Seeklimas mit dem Prädikat "staatlich anerkannter Luftkurort" ausgezeichnet. Acht Wind- und Wassermühlen zwischen weiten Weizen- und Maisfeldern setzen markante Blickpunkte. Die viel besuchte Hauptattraktion aber ist eine Museums-Eisenbahn, die seit 1966 von dem Deutschen Eisenbahnverein (DEV) betrieben wird.

Bei einem Verwandtschaftsbesuch in Bruchhausen-Vilsen Anfang September führte die Gastfamilie ihre Nagolder Durchreisenden zum örtlichen Bahnhof dieser Kleinbahnstrecke, die seit über 100 Jahren auf einer 1-Meter-Spur zum acht Kilometer entfernten Asendorf führt. Sie wird von dem Deutschen Eisenbahn-Verein (DEV) ehrenamtlich gewartet und betreut.

Einzigartige Sammlung aufgebaut

Der Verein hat seit seiner Gründung im Jahre 1966 eine einzigartige Sammlung von mehr als 90 meterspurigen, betriebsfähigen Kleinbahn-Fahrzeugen (Loks und Wagen) aufgebaut, die im touristischen Personenverkehr regelmäßig zum Einsatz kommen. In der riesigen Fahrzeughalle wurden die Nagolder Gäste von einem Vereinsmitglied zu all den historischen Lokomotiven und Wagen geführt. Zu ihrem Erstaunen war dem kundigen Führer der Ort Nagold durchaus bekannt, und er lotste die Gruppe zielsicher zu einer weinrot lackierten Diesellok, an deren Tür folgende Aufschrrift zu lesen war: Diesellokomotive V 29; Hersteller:Arnold Jung GmbH Lokomotivfabrik, Jungenthal b. Kirchen (Sieg); Techn. Daten: Fabr.-Nr. 11464. Bj.1952. Gattung B’B’ dh Ehemalige Heimatbahnen: DB (Ludwigshafen-Mundenheim-Meckenheim, Nagold-Altensteig), Mittelbadische Eisenb. AG (MED), Südwestdeutsche Eisenb.AG

Der Fachmann erzählte die wechselvolle Geschichte der Lok. 1952 wurden von der damaligen Deutschen Bundesbahn (DB) drei Schmalspurdiesellokomotiven der Baureihe V 29 bei der Lokomotivfabrik Jung in Kirchen (Sieg) für eine Pfälzische Lokalbahnstrecke beschafft. Ihre Höchstgeschwindigkeit betrug zunächst 35 km/h, dann 42 km/h, Länge über Puffer 9,14 Meter. Nach Stilllegung der Pfälzer Strecke wurden 1969 zwei Loks der Baureihe verschrottet. Nur die V 29 952 überlebte.

Von 1956 bis 1967 auf der Strecke Altensteig – Nagold im Einsatz

Sie kam von 1956 bis 1967 auf der Strecke Altensteig – Nagold zum Einsatz, und ältere Nagolder Einwohner können sich durchaus an ihr Motor-Rattern erinnern, wenn sie mit ihren Personen- oder Güterwagen von Altensteig kommend, via "Stadtbahnhöfle", das Viadukt entlang, den Wolfsberg hinauf zum Bahnhof dröhnte. Nach der Stilllegung des "Altensteigerle" wurde die Lok 1967 an die MED verkauft und war dort in Schwarzach bis 1980 im Einsatz.

Danach ging sie an die Deutsche Gesellschaft für Eisenbahngeschichte, um schließlich 1997 in die Sammlung des DEV nach Bruchhausen-Vilsen zu gelangen. Dort steht sie voll betriebsfähig, zuletzt 2019 vom TÜV abgenommen, und kommt regelmäßig bei der Museumseisenbahn zum Einsatz. Ihre Nagolder Betriebszeit ist in dem lesenswerten Buch "Das Altensteigerle" (Schwarz/Reule, Horb 2006) dokumentiert.