Der letzte Personenzug des Altensteigerle in Ebhausen. Foto: Archiv Reule

Sie gehört zur Geschichte des Nagoldtals einfach dazu: die Bahnstrecke von Nagold nach Altensteig, liebevoll "Altensteigerle" genannt. Vor genau 130 Jahren dampfte der erste Zug von Nagold aus durch das Tal Richtung Altensteig – begleitet von Böllerschüssen und geschmückt mit Flaggen.

Nagold/Altensteig - "Soeben verkünden – laut Gesellschafter – Böllerschüsse die Ankunft des Eisenbahnfestzugs auf dem hiesigen Bahnhofe …" Nach Gabelfrühstück im Nagolder Bahnhofs-Wartesaal setzte sich unter Flaggenschmuck die vielbewunderte Dampflokomotive mit dem Namen Altensteig und tannengrünbekränzten Wagen der königlich-württembergischen Staatseisenbahn in Bewegung, um über Schlangenlinien vom Waldach- ins Nagoldtal zu gelangen, vorbei an der Station "Kronstadt" – benannt nach dem Gasthaus zur Krone, die später zum Haltepunkt Nagold-Stadt wurde.

Fahrkarten kosteten vier Pfennig pro Kilometer

Unterhalb von Hohennagold bewegte sich der Zug über Rohrdorf nach Ebhausen, vorbei an einem Provisionshaltepunkt mit ausgedientem Güterwagenkasten bei Berneck nach dem festlich geschmückten Altensteig, das unter Glockengeläute und Festzug aus der ganzen Region des Kienspans erreicht wurde. Ein Fackelzug mit brillanter Beleuchtung der Berge und ein "großstadtartiges" Feuerwerk beendete den Eröffnungstag.

Fahrkarten kosteten vier Pfennig (zwei Cent) pro Kilometer. Briefe konnten beim Schaffner abgegeben oder am Briefkastenschlitz des Packwagens eingeworfen werden, weil die Postkutschenlinie nach Nagold eingestellt wurde und ihr arbeitslos gewordener Altensteiger Postillion danach Briefträger im Postamt Nagold geworden war.

Durch die neue Verbindung blühten Handel, Gewerbe und Fremdenverkehr richtig auf und der Anschluss an die Hauptbahn in Nagold öffnete vielen aus den engen Schwarzwaldtälern das Tor zur damaligen weiter gewordenen Welt. Holz kam statt im Fluss nun auf Bahn-Langholzwagen nicht nur bis nach Rotterdam. Auch Bestecke und Leder folgten auf den Gleisen – ertragreich dem Lauf der Nagold entlang.

Blütezeit zwischen den beiden Weltkriegen

Die intensivste Blütezeit erreichte die Bahn zwischen den beiden Weltkriegen, wo Zugpaare so häufig unterwegs waren, dass sie sich auf der eingleisigen Strecke in Ebhausen im Gegenverkehr kreuzen mussten. Im Zweiten Weltkrieg war die Bahnstruktur total gefordert. Selbst Raketenflugzeuge oder Teile davon wurden in Ebhausen und Nagold gefertigt und nächtens mit dem Zug abtransportiert. Mehrere Lokomotiven mussten an andere Bahnen abgegeben werden und der Verkehr wurde durch schwächelnde Ersatzloks mehr als herausgefordert. Nach Tieffliegerangriffen und dem Kriegsende ging 1945 für einige Monate auf den Schienen gar nichts mehr. Die französische Besatzungsmacht machte die Bahn temporär badisch verwaltet und zog – wie vorher bereits die deutsche Wehrmacht – weitere Fahrzeuge ab. Auch die Schwarzwälder Wirtschaft begann nur schwerlich wieder zu starten.

1956 wurde die Traktion kostengünstig verdieselt, wobei dann nur noch eine Lok gegenüber vorher vier Maschinen zum Betrieb notwendig wurde und der Omnibus sowie LKW dem Zug mächtig Konkurrenz machten. 1967 wurde wegen Straßenverbreiterungsplänen und DB-Verkehrsdefiziten der Betrieb eingestellt und das Zügle – in der Zwischenzeit liebevoll "Altensteigerle" genannt – ging mit dem Zug der Zeit.

Bauzeit betrug nur achteinhalb Monate

Neben Eisenbahnromantiksendungen und Büchern sind Betriebsdenkmale in Nagold, Ebhausen und Altensteig verblieben, und im Modell kann man inzwischen in Altensteig im Maßstab 1:87 auch 130 Jahre später den Zug wieder durch das Nagoldtal schnaufen hören und sehen. Ob (Herrenberg)-Nagold-Altensteig auch in Zukunft nochmal Bahngeschichte – als Metropolexpress – schreiben wird? Ideen dazu gibt’s seit 1869 – und bis heute noch.

Die königliche Bauzeit für die Strecke – sparsam frequentiert durch Schaufel, Ross und Wagen – betrug übrigens von April bis Dezember nur 8,5 Monate, und die Baukosten umfassten dabei 871000 Goldmark. Als erste Fahrgäste des Probelaufzugs vor der offiziellen Eröffnung sind – um Zug erfahren zu können - damals gönnerhaft und bewusst Altensteiger Schulkinder mit Gratisbillets bedacht worden. Dies ebenso 1967 bei der letzten Güterzugfahrt, wo sie dann allerdings nur noch den Packwagen bevölkerten und wohl weniger vollherzig den Zug mit adieu und "muss i denn zum Städtele naus" besungen haben…. Wenn wie seinerzeit vergeblich gewünscht ein Teil der Planungshoheit vor 1890 aber auch 1967 bei den Altensteigern gelegen hätte, wäre dabei statt einem "Zügle" dort ein Zug - in Normalspur – angekommen. Sein letzter Pfiff wäre sicher nicht im hinteren Wald schon nach 75 Jahren – oktroyiert – verhallt.