Auch das städtische Jugendamt soll mehr Geld bekommen, um den Mehraufwand bewältigen zu können. Foto: Eich

Aus der Stadtverwaltung kommt ein verzweifelter Hilferuf: Im Stadtjugendamt und im Bürgeramt fehlt massiv Personal. Der Gemeinderat soll nun zusätzliche Stellen genehmigen.

Villingen-Schwenningen - Oberbürgermeister Jürgen Roth wurde in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses deutlich: "So weiter zu machen, wäre nicht mehr verantwortungsbewusst." Er bezieht sich damit auf die Situation im Stadtjugendamt. Dort hatte es, wie die Verwaltung in einer Beschlussvorlage mitteilt, so genannte Überlastungsanzeigen gegeben.

Das heißt: Den Personalverantwortlichen der Stadtverwaltung war deutlich gemacht worden, dass eine "ordnungsgemäße Erfüllung" der Aufgaben mit der zur Verfügung stehen Stundenkontingent gefährdet sein. Die "extrem angespannte Personalsituation im Jugendamt" habe im Übrigen auch das Staatliche Rechnungsprüfungsamt bescheinigt.

Personalamt sieht absolute Tieflage

Stefan Assfalg, Leiter des Amtes für Jugend, Bildung, Integration und Sport, umreißt in der Sitzung grob die Gründe für die Mehrbelastung: Schuld seien teilweise Rechtsprechungen, die zu komplexeren Verfahren führen würden, darüber hinaus habe Corona zu steigenden Fallzahlen geführt. Er macht deutlich: "Das Kindeswohl muss gewährleistet sein!" Das sei insbesondere vor dem Hintergrund von Inobhutnahmen ein wichtiges Anliegen.

Auch Joachim Wöhrle erklärt aus Sicht des Haupt- und Personalamtes, dass man sich im Bereich des Stadtjugendamtes "in einer absoluten Tieflage" befinde. "Wir brauchen Personal, um die Schieflage zu beseitigen!"

Übertragung an Landkreis wieder Thema

Hier spielt jedoch noch eine andere Problematik rein, die nicht zum ersten Mal Thema in VS ist. So haben eigentlich Landkreise die Aufgabe der gesetzlichen Jugendhilfe, in VS wird dies jedoch von einem städtischen Amt übernommen. Immer wieder kommt es zu Diskussionen, ob die Aufgabe wieder an den Landkreis übertragen werden soll, hausintern wird seit Dezember 2021 das mögliche Einsparpotenzial eruiert. Uneinigkeit herrscht derzeit zwischen den Parteien aber hinsichtlich der Kostenerstattung durch den Landkreis – und das hat eben auch Auswirkungen auf die derzeitige Lage.

Die Verwaltung schlägt vor dem Hintergrund einer möglichen Abgabe des Stadtjugendamtes an den Landkreis deshalb vor, Projektstellen bereitzustellen. Insgesamt neun zusätzliche und unbefristete Stellen sollen geschaffen werden, um dem Arbeitsaufkommen wieder Herr zu werden. Kostenpunkt – abzüglich der derzeit errechneten Erstattung durch den Landkreis: Rund 300 000 Euro.

(Fast) geschlossene Einigkeit

Beim Jugendhilfeausschuss war man sich, trotz der notwendigen Sparmaßnahmen in der Stadtverwaltung, einig, dass die zusätzlichen Stellen geschaffen werden müssen. Einzig Olaf Barth plädierte im Namen der AfD dafür, das Stadtjugendamt an den Landkreis abzugeben – obwohl dies in der Sitzung gar nicht zur Debatte stand. Mit 13 Ja- und einer Nein-Stimme gab der Ausschuss deshalb eine entsprechende Empfehlung an den Gemeinderat ab, der in seiner Sitzung am 19. Oktober darüber entscheiden muss. Zuvor berät noch der Verwaltungs- und Kulturausschuss (12. Oktober) über den Stellenmehrbedarf.

Die Ausschussmitglieder müssen sich dann auch mit der personellen Situation im Bürgeramt beschäftigen. Denn von dort kamen ebenfalls Überlastungsanzeigen. Die Verantwortlichen schlüsseln dabei genau auf, wie es zu der Mehrbelastung kommt.

Immer mehr Beschwerden von Bürgern

So sind in zahlreichen Bereichen die Fallzahlen gestiegen – und auch die Beschwerden von Bürgern würden viel Zeit fressen und für eine Belastung sorgen. In der Beschlussvorlage heißt es: "Die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger mehr Beschwerden beim Oberbürgermeister, bei der Amtsleitung oder auch bei den einzelnen Sachbearbeitern einzulegen oder gar Widersprüche und weitere rechtliche Schritte einzuleiten, steigt immens und spiegelt damit auch die generelle gesellschaftliche Entwicklung wider."

Betroffen von der Mehrbelastung ist beispielsweise das Standesamt. Hier wurde unter anderem ein sprunghafter Anstieg bei Urkundenanforderungen oder Kirchenaustritten festgestellt, die bearbeitet werden müssen. Beim Sachgebiet Verkehrswesen sind die Kontrollen der Baustellen um 200 Prozent gestiegen, aber auch in anderen Bereichen sei das Arbeitsaufkommen um ein Vielfaches größer geworden.

10,5 zusätzliche Stellen gefordert

Beim Blick in den Arbeitsbereich Wohngeld zeichnet sich eine ähnliche Situation ab: Aufgrund der großen Wohngeldreform zum Jahresbeginn 2023 werde schon jetzt ein Mehraufwand deutlich. In Zahlen ausgedrückt heißt das laut Amt: Statt 855 Wohngeldbescheide (2012) müssen nun 2412 (Hochrechnung 2022) bearbeitet werden – was eine Steigerung von 180 Prozent bedeutet. In Summe benötigt das Bürgeramt 10,5 zusätzliche Stellen. Einschließlich der Sachkosten werden 760 000 Euro fällig.

Die Finanzierung solle teilweise über eingesparte Personalausgaben erfolgen. Gleichzeitig soll aber vom Ziel, 66 Stellen einzusparen, abgewichen werden, um den Stellenbedarf zu ermöglichen.