Die Urkunde zur Wiederverleihung des Stadtrechts im Schiltacher Rathaus. Foto:  

Vor 75 Jahren durfte sich Schiltach sich wieder „Stadt“ nennen. Die Hintergründe waren spannend.

5. Juli 1949: Schiltach erwartet hohen Besuch. Die Bürger sind aufgerufen, ihre Häuser zu schmücken und zahlreich den Gast zu begrüßen – herausgeputzt soll sich die Stadt von ihrer schönsten Seite zeigen. Begrüßt wird niemand geringeres als Badens Staatspräsident Leo Wohleb. Er wird Bürgermeister Gottlieb Trautwein die Urkunde über die Verleihung der Bezeichnung „Stadt“ überreichen.

Was war geschehen? Die nationalsozialistische Gemeindeordnung von 1935 hatte Schiltach wie zahlreichen anderen kleineren Ortschaften ihren angestammten Titel als Stadt entzogen. Das blieb nicht unwidersprochen.

Gegen die Entscheidung der Diktatur

Der engagierte Heimatforscher Hermann Fautz begründete im Auftrag der nun nicht mehr städtischen Verwaltung: „Die Haltung der Stadt Schiltach in Geschichte, Verwaltung und Wirtschaft war stets eindeutig städtisch.“ Selbstbewusst, in der Wortwahl geradezu frech, wendete man sich gegen eine Entscheidung in der Diktatur.

Zehn Jahre später sollte die Entscheidung revidiert werden. Ein neues Gemeinderecht vom 23. September 1948 bot dafür die Grundlage. Der Gemeinderat schuf Fakten und beschließt die Wiederverwendung des Stadtrechts.

Die Gemeinderäte und Bürgermeister wollten das Stadtrecht zurück. Foto: Stadt Schiltach

Das Landratsamt wird über diesen Schritt gegen das beklagte „Unrecht“ lediglich informiert. In dessen Weiterreichung an das badische Innenministerium wird in der Wolfacher Behörde der „Beschluss“ zu einem „Antrag“ abgestuft: Ohne Genehmigung geht die Rückgabe dieses Rechts nicht.

Leo Wohleb kommt persönlich

Am 12. April 1949 ist es dann soweit: Das Innenministerium stimmt dem Antrag zu und fünf Tage später ist der Beschluss beurkundet. Nun wird das wertvolle Dokument aber nicht einfach mit der Post geschickt – Leo Wohleb macht sich persönlich auf den Weg. Besucht werden zur Wiederverleihung des Stadtrechts außerdem Hausach, Hornberg und Zell a.H., aber auch zahlreiche weitere Gemeinden dürfen sich wieder Stadt nennen.

Ein Schreiben des Ministeriums. Foto: Stadt Schiltach

Im Rathaus wird zunächst Bürgermeister Trautwein mit berechtigtem Stolz von der historischen Erfolgsgeschichte seiner Stadt und Hoffnungen auf eine deutsch-französische Zusammenarbeit, aber auch über aktuelle Sorgen, wie die Kritik an Industriedemontagen nach dem Krieg und die vor allem die Geflüchteten treffende Wohnungsnot sprechen.

Schließlich rühmt auch Wohleb den „Schiltacher Geist und Fleiß“. Dabei vergisst er nicht den Wunsch, Schiltach möge „blühen als von Neuem Stadt im badischen Lande“.

Die Formulierung ist bewusst gewählt. Wohleb ist entschiedener Gegner eines Südweststaats – gerade das einst württembergische Schiltach an der Landesgrenze muss bei einer Volksabstimmung als „Wackelkandidat“ beim Stimmensammeln für Baden erscheinen. Schon die Südbadische Verfassung hatte hier 1947 eine knappe Mehrheit abgelehnt. Doch dann beschränkt sich der Empfang Wohlebs in Schiltach auf 100 spalierstehende Schulkinder. Nur an einem Bürgerhaus soll eine badische Fahne gehangen haben.

Anhänger des Südweststaats

Mögliche Hoffnungen, die Schiltacher mit der Stadturkunde zu gewinnen, bleiben jedenfalls unerfüllt. Auch Bürgermeister Trautwein, dem die Stuttgarter Zeitung in „Leo, der Städtegründer“ einen Kniefall vor Wohleb vorwirft, bekennt sich in seinem Antwortschreiben als „unentwegter Anhänger der Südweststaatsidee“, weil „das kleine Südbaden, allein gelassen, wirtschaftlichen Schiffbruch erleiden muss“.

Als über die Gründung Baden-Württembergs abgestimmt wird, entscheidet sich eine deutliche Mehrheit für das neue Bundesland. Den Stadttitel darf Schiltach aber nun seit 75 Jahren wieder mit allem Recht tragen.