Geflüchtete waren in Meßstetten zu Zeiten der Lea willkommen und gut gelitten – und wären es auch heute noch, wie die Haushaltsredner deutlich machten. Für das Kasernenareal hat die Stadt freilich längst andere Pläne. Foto: Lissy

Eine dicke Portion Kritik am Land mischte sich in die Reden, in denen die vier Fraktionschefs des Gemeinderats auf den Haushalt 2022 eingegangen sind.

Meßstetten - "Das ist keine verantwortliche Politik – das ist einfach nur stümperhaft!" Oliver Rentschler, Fraktionschef der Bürgerliste, hat in seiner Haushaltsrede – noch schärfer als seine Kollegen Matthias Schwarz (Freie Wählervereinigung), Ernst Berger (CDU) und Doris Vivas (Frauenliste) – formuliert, was man in Meßstetten von den unerwarteten Plänen für eine Reaktivierung der Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge (Lea) in der ehemaligen Zollernalb-Kaserne hält. Zumal das Projekt "Interkommunaler Industrie- und Gewerbepark Zollernalb" so weit sei, dass voraussichtlich im Januar der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan gefasst werden könne, wie Berger betonte.

Die Stadt hat ihre Hausaufgaben gemacht

Stadt und Zweckverband hätten ihre Hausaufgaben gemacht – und das Vorgehen der Landesregierung – "einseitig ohne Rücksprache mit Stadt und Landkreis" – sei daher "vollkommen unverständlich". Verträge würden ignoriert und in Frage gestellt, während sich das Land "in keinster Weise für die Nachnutzung durch eventuelle Ansiedlung landeseigener Institutionen hervorgetan" habe.

"Sollte sich Herr Ministerpräsident Kretschmann als wortbrüchig erweisen, würde das Zweifel an seiner Merk- und Denkfähigkeit und einen großen Vertrauensverlust in die Politik im Allgemeinen mit sich bringen", sagte Rentschler. "Die Stadt Meßstetten kann nicht nochmals die Kohlen des Landes aus dem Feuer holen. Die Verantwortlichen hatten genügend Zeit, ihre Hausaufgaben zu machen, und die Lea Freiburg, die damals die Lea Meßstetten übernehmen sollte, aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken."

"Der ländliche Raum kann das nicht aufbringen"

Der ländliche Raum könne nicht die Gesundheitsversorgung und die Polizeikräfte aufbringen, die in städtischen Gebieten da seien. "Die damals versprochenen Perspektiven hat das Land der Stadt nicht gewährt – und als Dank werden die aktuellen Anstrengungen für den Interkommunalen Industrie- und Gewerbepark elementar gefährdet!" Rentschlers Enttäuschung war deutlich vernehmbar, wenngleich die Haushaltssitzung diesmal eine digitale war – die erste ihrer Art.

Für seinen Seitenhieb verwendete Matthias Schwarz ein Florett und schlug gleichzeitig eine Brücke: "In Zeiten, in denen man sich nicht einmal mehr auf vertragliche Zusagen der Landesregierung verlassen kann, muss man sich wenigsten noch auf unsere Feuerwehr verlassen können." 633 000 Euro investiert die Stadt deshalb 2022 in sie.

Haushalt mit Rekordvolumen

Wie der Haushalt überhaupt ein "Rekordvolumen", so Doris Vivas, hat – wenngleich eine Million Euro weniger als 2021 an Gewerbesteuer zu erwarten ist und es Ausgleichzahlungen wie noch dieses Jahr nicht geben werde, so Schwarz.

3,5 Millionen Euro Gewerbesteuer stehen im 33-Millionen-Euro-Haushalt Investitionen von 8,6 Millionen Euro gegenüber – 1,89 Millionen weniger als 2021. Zumal das Stadt-Team kaum hinterher kommt, alle Pläne auch umzusetzen. Mehr "externes Know-How" einzusetzen, forderte deshalb Berger. Rentschler hingegen will mehr auf interne Expertise setzen, schon wegen der Kosten für externe Gutachter und Bauleiter.

Die Entwicklung von Bauland begrüßten alle Redner, Rentschler motiviert durch den Bevölkerungszuwachs, entgegen der Prognose, von 10 440 Einwohner 2012 auf 10 748 aktuell.

Im Wettbewerb bestens aufgestellt

Im Wettbewerb um Einwohner könne die Stadt mit zusätzlichen Kita-Plätzen, der Erweiterung der Sozialstation und einer zusätzlichen Pflegeeinrichtung, dem Ärztehaus, Investitionen in Breitbandversorgung und Sportstätten punkten, freuten sich alle. 4,2 Millionen Euro lasse sich die Stadt das Sportzentrum auf dem Geißbühl kosten – bei 1,6 Millionen Euro voraussichtlicher Förderung: für Schwarz kein "Luxus" angesichts der Größe der Stadt. Rentschler erinnerte freilich an die Notwendigkeit einer nutzbaren Umkleide, einer Schiedsrichterkabine und sanitärer Funktionsräume.

Ihm liegt zudem die Digitalisierung der Schulen am Herzen, die nicht nur Hard- und Software, sondern auch die Wartung und "digitale Hausmeister" einschließen müsse. Vivas mahnte den "schnellstmöglichen" Ausbau der Grundschule Bueloch zur Ganztagsschule an, begrüßte den konsequenten Ausbau der Kitas und bat um Mut für Projekte wie einen Wald- oder Bauernhofkinderkarten. Mit Blick auf den Personalmangel regte sie an, mehr Personal selbst auszubilden. Laut Rentschler sind im Sozial- und Erziehungsdienst sieben Stellen, im Bereich Pflege fünf unbesetzt.

Die Bürger können es selbst beeinflussen

Rentschler und Vivas eint auch die Sorge um die Einzelhändler, wobei der Bürgerliste-Chef deutliche Worte fand: Für die Bürger sei es wichtig, "zu erkennen, dass sie selbst durch ihr Einkaufsverhalten die Auslastung und Überlebensfähigkeit unseres Einzelhandels direkt beeinflussen".

Alle Redner ärgern die 50 000 Euro, die Meßstetten an Strafzinsen zahlen muss, weil die Stadt zu viel auf der hohen Kante hat. Rentschler regte ein Public-Private-Partnership-Projekt am Hossinger Weg an – für das Ärztehaus: Für einen Teil des Gebäudes, könne die Stadt Bauherrin sein, anstatt zu mieten, so Strafzinsen sparen und Risiken steigender Mieten oder Teuerungsraten minimieren, auf die auch Berger hinwies.

Dass Meßstetten im Bereich Gesundheit vergleichsweise gut dastehe, müssten die Meßstetter anerkennen – auch wenn sie gerne Kritik übten, sagte Rentschler. "Allerdings auf hohem Niveau."

Schönes Bauland am Tor zur Stadt

Was die Baulandentwicklung angeht, stehen alle mit dem Fuß auf dem Gas. Rentschler freute sich, dass Bürgermeister Frank Schroft dabei das Prinzip Innen- vor Außenentwicklung unterstütze, Berger hofft auf ein baldiges Baugebiet am Tor zur Stadt, dem alten Sportplatz Eichhalde, und bezeichnete die Erschließung des Baugebiets Loh 1 als dringend und "längst überfällig".

Das Lob, das alle vier über Stadtkämmerer Daniel Bayer und seine Kollegin Juliane Schempp ergossen, verbunden mit dem Dank für den dicksten Haushaltsplan der Stadtgeschichte, formulierte Matthias Schwarz am schönsten: "Man hat durchaus das Gefühl, dass die Kämmerei mit dem Geld der Stadt so umgeht, als wäre es das eigene."